Fatih Akin und sein Horrorfilm: Angst hätte ich, „wenn ich das glauben würde, was da alles passiert“

Ein Film über einen Serienmörder - schon der Trailer zu Fatih Akins "Der Goldene Handschuh" schreckte erste Zuschauer ab. Nun feiert das mit Spannung erwartete Werk seine Berlinale-Premiere. Ein Interview mit dem Regisseur.
Titelbild
Fatih Akin stellt seinen Horrorfilm «Der goldene Handschuh» auf der Berlinale vor.Foto: Gregor Fischer/dpa
Epoch Times9. Februar 2019

Nach seinem weltweiten Erfolg mit dem NSU-Drama „Aus dem Nichts“ hat Regisseur Fatih Akin einen Film über den Hamburger Serienmörder Fritz Honka gedreht, der in den 70er Jahren vier Frauen umbrachte.

„Der Goldene Handschuh“ ist die Verfilmung des mehrfach ausgezeichneten Romans von Heinz Strunk. Im Interview mit dpa erzählte Akin vor der Berlinale-Premiere am Samstag, was ihm Angst macht und was das Schwierige an einem Horrorfilm ist. Sein Film ist beim Festival einer von drei deutschen Wettbewerbsbeiträgen. Am 21. Februar kommt er in die Kinos.

Frage: Nach dem Jugendfilm „Tschick“ und dem NSU-Drama „Aus dem Nichts“ geht „Der Goldene Handschuh“ in eine ganz andere Richtung. In welchem Genre würden Sie den Film verorten?

Antwort: Horror. Ich habe einen großen, weiten Begriff von Horror. Ich denke, Horror definiert sich mit der Absicht, den Zuschauer zu erschrecken, zu ängstigen. Mit der Haltung habe ich das auch gemacht, das wollte ich: dem Zuschauer Angst machen. Und zwar auf eine Weise, dass es mir Angst machen würde.

Frage: Was macht Ihnen genau Angst?

Antwort: Wenn ich das glauben würde, was da alles passiert. Wie kaputt musst du sein, Leichen zu zersägen und sie bei dir zu Hause in der Wohnung zu bunkern? Wenn ich mir vorstelle, dass es das wirklich gegeben hat, dass das wirklich jemand gemacht hat – der Gedanke kann mir schon Angst machen.

Frage: Was ist das Schwierige an einem Horrorfilm?

Antwort: Angst zu machen.

Frage: Es ist also wichtig, wie man es inszeniert?

Antwort: Ja, ich glaube schon. Ich finde, Kunst, Autorenfilmkram, das kann jeder. Ich finde nicht, dass da wirklich Handwerk so im Vordergrund ist. In der Phase, in der ich mich jetzt befinde als Filmemacher, reizt mich das Handwerk mehr, es interessiert mich mehr. Ich denke aber, ich werde immer ein Autorenfilmer bleiben.

Frage: Wie haben Sie es hinbekommen, dass die Leinwand ständig so schmutzig und abstoßend wirkt?

Antwort: Das ist ähnlich, wie wenn man Eleganz und Schönheit erzeugen will. Man braucht wahnsinnig viele Maler, man muss mit gutem Licht arbeiten. Es ist eine technische Herangehensweise, eine handwerkliche, die mir sehr viel Spaß gemacht hat. Ich sitze jetzt gerade mit Diane Kruger an „Marlene Dietrich“, und da geht es um Kostüme, das Licht und eine wahnsinnige Opulenz und Eleganz. Das ist nicht unähnlich wie Dreck herzustellen. Es ist eine andere Richtung, aber du benutzt ähnliche Mittel.

Der Regisseur und seine Schauspieler: Fatih Akin (M), Margarethe Tiesel und Jonas Dassler. Foto: Christoph Soeder

Frage: Sie ahnen sicherlich, dass der Film „Der Goldene Handschuh“ sehr polarisieren wird. Was sagen Sie den Menschen, die kritisieren, Sie dürften das Elend und vor allem die Protagonisten im Film nicht so zur Schau stellen?

Antwort: Wer sagt denn, dass man das nicht darf? Dann guck den Film nicht! Muss ja auch nicht jeder gucken. Aber wenn aus einer politischen Korrektheit heraus Zensur entsteht, das empfinde ich als Angriff auf die Demokratie.

Frage: Das sind ja echte Menschen, von denen Sie hier erzählen. Darf man sie so darstellen und zeigen?

Antwort: Natürlich war die Überlegung: Wie kann ich den Opfern die Würde lassen? Es handelt von Gewalt, das ist das Thema in dem Film – wenn du einen Film über einen Serienmörder machst, der Frauen umgebracht hat, dann musst du das auch zeigen. Das liegt in der Natur der Sache. Dann geht es aber darum: Wie zeige ich das? Wo tue ich die Kamera hin in der Gewaltdarstellung? Einerseits möchte ich unterhalten, Angst machen, aber andererseits möchte ich auch berühren und erschüttern.

Frage: Können Sie das noch etwas erklären?

Antwort: Der größte Horrormoment, den ich je erlebt habe, ist wahrscheinlich von (Krzysztof) Kieślowski „Ein kurzer Film über das Töten“, wo der Taxifahrer ermordet wird. Das dauert und dauert und dauert und hört nicht auf. Das war ein bisschen der Tenor am Set: Ich habe gesagt „Ich glaube, es ist nicht einfach, jemanden umzubringen, es ist nicht leicht, jemandem den Kopf abzusägen, egal wie meschugge du bist. Wie können wir das glaubhaft darstellen?“ Das interessiert mich. Ich bin neugierig und interessiere mich für Menschen, ich interessiere mich auch für kaputte Menschen. Für kaputte vielleicht sogar mehr als für gesunde Menschen. Gesunde Menschen, denen geht’s ja gut, die sind langweilig.

ZUR PERSON: Der Regisseur Fatih Akin, 45, gehört zu den erfolgreichsten Filmemachern seiner Generation in Deutschland. Seinen internationalen Durchbruch feierte der Sohn türkischer Eltern 2004 bei der Berlinale: Das Drama „Gegen die Wand“ um eine junge Türkin in Deutschland, die gegen die Moralvorstellungen ihrer Familie rebelliert, wurde mit dem Goldenen Bären ausgezeichnet. Akin, der auch als Produzent und Drehbuchautor arbeitet, drehte außerdem Werke wie „Soul Kitchen“ und „Tschick“. Zu seinen größten Erfolgen zählt „Aus dem Nichts“: Das NSU-Drama mit Diane Kruger gewann 2018 den Golden Globe für den besten fremdsprachigen Film. (dpa)

Fatih Akins Film der «Goldene Handschuh» läuft im Wettbewerb. Foto: Gregor Fischer



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