Alles ein lebendiger Prozess

Mehl, Wasser, Salz: Das sind die Zutaten der Köstlichkeiten des Domberger Brot-Werkes. Doch was macht diese Brote so besonders?
Titelbild
Über drei Stunden lang wird der Teig immer wieder sorgfältig gefaltet, und entwickelt so seinen unverwechselbaren Geschmack.Foto: Linus Berberich
Von 7. August 2023

Ein sonnendurchfluteter Morgen in der Essener Str. 11 in Berlin-Moabit. Der Duft frisch gebackenen Brotes erfüllt die Luft. Betritt man die Bäckerei Domberger Brot-Werk, ist der Blick frei in die Backstube. Gerade werden Brezeln gedreht. Trotz fokussierter Arbeitsatmosphäre ist die Stimmung entspannt.

Florian Domberger, Gründer des Brot-Werkes und Freier Bäcker, wie auf seiner Visitenkarte zu lesen ist, sitzt mir vor der Bäckerei gegenüber. Ein kleiner Café-Betrieb ist Teil des Brot-Werkes. Jeder ankommende Kunde wird mit einem fröhlichen „Guten Morgen“ vom Chef begrüßt, bei manchen wird es auch ein kurzes Gespräch. Mit der Frage, was ihn zum Sauerteig gebracht habe, beginnt unser Treffen.

Geplant war sie nicht, die Liebe zum Sauerteigbrot, vielmehr eine Entdeckung. Denn dass es der Sauerteig ist, der das Brot des Klosters Schönfeld bei Augsburg zu seinem Vorbild werden ließ, war ihm zu Beginn gar nicht bewusst.

„Wenn man sich einmal auf das Sauerteigbrot einlässt, ist es, wie wenn man anfängt, gutes Bier zu trinken, oder sich mit Wein auskennt. Alles andere schmeckt dann nur fad, und es fehlt eben etwas“, ist sich Domberger heute sicher.

Das Brot darf ruhen

Zeit ist ein entscheidender Faktor. Rund fünfmal so viel Zeit wie ein industriell hergestelltes Brot darf ein Domberger Brot reifen, ruhen, wachsen. Dabei steht der Fermentationsprozess des Sauerteigs im Mittelpunkt des Arbeitstages. Das Brot-Werk plane den Tag drumherum, erzählt Florian Domberger.

Denn die sogenannte Teigführung spiele dabei die besondere Rolle. Das bedeutet, mit der Hand, mit allen Sinnen zu entscheiden, ob es der richtige Moment für den nächsten Schritt ist: sei es nochmals zu kühlen oder den Teig aufzuziehen, sprich durch sorgfältiges Falten Stabilität in den Teig zu bekommen, oder schon zu backen. Teigführung erlaubt, im Dialog zu sein mit dem Veränderungsprozess im Teig, der durch die Fermentation entsteht.

Dabei werde dieser Prozess von vielerlei Faktoren beeinflusst, erzählt Domberger: vom Wetter, der Luftfeuchtigkeit, der Mondstellung oder auch davon, ob der Bäcker schlechte Laune habe oder verliebt sei. Kein Wunder, dass in einer industriellen Herstellung durch Zusatzstoffe versucht wird, all diese wechselhaften Faktoren auszuschließen und den Prozess zu beschleunigen – auf Kosten des Geschmacks, der Haltbarkeit und der Bekömmlichkeit.

In der Ruhe vor dem Backen und in der Quellzeit von Mehl und Wasser, der sogenannten Autolyse, entwickeln sich all die wundervollen Aromen und auch die Struktur des Brotes. Und „der Sauer“ entsteht, der das Brot wesentlich länger haltbar sein lässt.

Viel zu verlockend, um es altbacken werden zu lassen. Und das passiert ohnehin viel langsamer. Weizenbrote bleiben bei richtiger Lagerung mindestens fünf Tage lang frisch, Roggenbrot neun Tage lang. Also werden große Mengen an Brotresten vermieden. Foto: Epoch Times/Silke Ohlert

„Macht so einen Spaß, da mit dabei zu sein“

Florian Domberger weiß um die Schwierigkeit, mit so außerordentlich lebendigen Prozessen wie der Fermentation zu arbeiten. Doch sieht er, dass sich in Deutschland und gerade auch in Berlin viele Köche wieder darauf einlassen. „Das schmeckt man“, freut sich Domberger.

Die Liste der Restaurants und Cafés, die das Brot-Werk beliefert, ist lang, darunter so renommierte wie das Nobelhardt und Schmutzig, welches auch dieses Jahr wieder auf die Liste der 50 besten Restaurants der Welt gesetzt wurde, oder das Hallmann und Klee, bei denen Sarah Hallmann vom Gault Millau zur Gastronomin des Jahres ausgewählt wurde.

„Wenn Sie es unternehmerisch machen, müssen Sie damit Geld verdienen und das Produkt muss einfach spitze sein“, sagt Domberger, der als Kaufmann sein Unternehmen gründete, nicht als Handwerker. Bierbrauen habe für ihn auch zur Disposition gestanden, aber mit Brot habe er sich damals, um 2014, mehr Gewinn versprochen.

Und so erzählt er weiter von seinen ersten Versuchen mit dem Sauerteig. Die Brote waren flach wie Kuhfladen und grünlich schimmernd, aber brachten beim Hineinbeißen genau das Geschmackserlebnis, welches er suchte und das nur der Sauerteig bietet.

Backen habe er dann bei Björn Wiese in Eberswalde gelernt, einer Bäckerei seit drei Generationen. Beide verbindet bis heute eine „außerordentlich angenehme, strategische Partnerschaft“, so Domberger, und ein beständiges, gegenseitiges Lernen. Das Brot-Werk wird von der Bäckerei Wiese mit dem in der Uckermark selbst angebauten Roggen beliefert. Diese wiederum ist inzwischen auch dazu übergangen, ihr Brot nur noch aus Mehl, Wasser, Salz und vor allem Zeit herzustellen.

Verständige Kundschaft

„Wir backen nicht wesentlich besser als andere Bäckereien, aber vor allem anders. Mit dem konventionellen Backhandwerk in Deutschland haben wir die handwerklichen, motorischen Tätigkeiten gemeinsam. Biochemisch machen wir etwas komplett anderes“, erzählt Domberger weiter.

Und das haben die Kunden gemerkt, denn sie seien mitgegangen, auch wenn die Qualität am Anfang sehr schwankend gewesen sei. „Ihr probiert hier etwas, ihr seid besser als die anderen, ihr gebt euch mehr Mühe, ihr erklärt auch mehr als alle anderen“, habe die Kundschaft ihnen rückgemeldet.

Entscheidend sei die Qualität des Ausgangsmaterials. So beziehen sie heute ihr Dinkelmehl von der Organisch-Biologischen Erzeugergemeinschaft Hohenlohe. Durch den Sauerteig werde das Brot nicht trocken, habe aber einen herrlich nussigen Geschmack.

Das sogenannte Stollenmehl für Semmeln, Kuchen, Brezeln und das Beutebrot liefert ihnen die Rolle-Mühle aus dem Erzgebirge. Denn die Mehlmischung der 150 Jahre alten Mühle mit ihrem hohen Klebergehalt bietet reichlich Triebkraft, nicht nur für Stollen. Auch der Roggen von Wiese werde dort vermahlen.

Nach wie vor schwankt die Produktion der Semmeln von 30 bis 40 Prozent. „Als Produkt sind Semmeln wie eine Diva. Sie schmecken immer gut, aber mal sind sie hoch und voluminös, wunderbar. Und dann wieder flach wie ein Papsthut, wenn man den richtigen Zeitpunkt zum Backen um ein paar Minuten verpasst hat“, beschreibt Domberger.

Anfragen großer Bio-Ketten habe es auch schon gegeben, doch entschied sich Domberger dagegen und zugunsten des direkten Kontaktes zum Kunden.

Vanessa See, verheiratet mit Florian Domberger, gründete mit ihm zusammen 2016 das Brot-Werk, um ihrer Familie und den Kunden gutes Brot anzubieten. Diesen kann sie in sechs verschiedenen Sprachen erklären, welche Qualitäten traditionell hergestelltes Brot besitzt. Foto: Epoch Times/Silke Ohlert

Ausbildung hat große Priorität

„Unsere Ausbildung funktioniert sehr gut, das heißt der Wissenstransfer von den erfahrenen Bäckern zu den unerfahrenen Novizen funktioniert sehr, sehr gut“, weiß Florian Domberger.

Und dies funktioniert wohl so gut, da die Beziehungen untereinander stimmen. Alle Mitarbeiter, die an diesem Tag in der Backstube sind, betonen das gute Arbeitsklima. Dabei besteht die Belegschaft überwiegend aus Quereinsteigern, Frauen und Männern unterschiedlichen Alters, aus Ländern rund um die Welt.

Für Djamila Ghanem heißt das, ihre Anforderungen an sich selbst hochzulegen – das Beste zu geben, um hohe Qualität erreichen zu können. Das heiße nicht, fehlerfrei zu sein. Sondern eben neu zu starten und aus den Fehlern zu lernen. Dieses Selbstverständnis beim Domberger Back-Werk lasse sie auch schon fünf Jahre dabei sein.

Das heißt, „es kommen Leute, die wirklich Lust haben, gutes Brot zu machen, die das machen, was sie machen wollen und entsprechend gut drauf sind“, konstatiert Nikolai Verhoeven, der nachhaltiges Management studiert hat und jetzt im kaufmännischen Bereich unterstützt. Wenn das Betriebsklima gut sei, fördere sich das gegenseitig – wie ein Sauerteig eben, der wächst und blubbert.

Für Benjamin Tugwell, einen der zwei Betriebsleiter, ist das herausragende Moment die Vielfältigkeit der Aufgaben: Ausbildung, Produktion, Entwicklung. „Es gibt keinen langweiligen Moment hier, es ist immer sehr interessant und ich kann es voller Leidenschaft betreiben.“

Arbeitskräftemangel ist bei Domberger Brot-Werk ein Fremdwort. Im Schnitt erreiche sie so gut wie jeden Tag eine Bewerbung.

Mobil und autark

2022 verschwand durch Schließung pro Tag eine Bäckerei in Deutschland, schreibt Lutz Geißler in einem Nachtrag zu seinem offenen Brief an den Brotbotschafter des deutschen Bäckerhandwerks, Lars Klingbeil (nachzulesen auf ploetzblog.de). Das bedeutet für manche Teile Brandenburgs nur noch Brot aus dem Supermarkt.

Dem hilft Florian Domberger ab mit seiner mobilen Bäckerei, auch Brotwüsten-Expeditionsfahrzeug genannt. Dieses komplett autarke Backmobil kaufte er dem Schweizer Militär ab und erfreut damit jetzt die Menschen in Brandenburg durch traditionell hergestelltes gutes Sauerteigbrot und leckere Seelen, Spitzle, Büürli, Vinschgerl, Theresienzopf, Rohrnudeln (alles Spezialitäten aus Süddeutschland, Schweiz und Österreich) oder dem Uckermarker Butter-Zucker-Kuchen.

Auch für Fortbildungen und in Schulen ist das Brot-Werk mit der mobilen Bäckerei unterwegs. Überhaupt rückt die Wissensvermittlung für Florian Domberger immer mehr in den Vordergrund.

Das, was mit seinem Brot-Werk gesprossen ist, soll inhaltlich in eine größere Verbreitung gebracht werden. So die Zukunftsvisionen in drei Jahren, denn dann bräuchten sie ihn im Berliner Brot-Werk nicht mehr. Das funktioniere gut.

Florian Domberger in einem seiner vier Verkaufsstandorte, in denen vor den Augen der Kunden gebacken wird. Foto: Marianne Rennella



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