Mittendrin im Geschehen

Die Fotografin Debbie Egan-Chin muss für ihre Fotos immer zum richtigen Zeitpunkt am richtigen Ort sein und immer im Brennpunkt des Geschehens. Was sie bei manchen Situationen dabei riskieren muss, erzählt uns die Gewinnerin des Fotowettbewerbs im Interview.
Titelbild
„Safe Exit“ (Sichere Rettung) gewann einen Vorzüglichkeitspreis. (Debbie Egan-Chin/New York Daily News)
Epoch Times9. Dezember 2008

Zwei Auszeichnungen des Internationalen Fotowettbewerbs der Epoch Times gingen an Debbie Egan-Chin. Epoch Times sprach mit der Fotografin über ihre Arbeit.

Epoch Times: Können Sie die Geschichte erzählen, wie das Foto „I Miss You Dad“ entstanden ist?

Debbie Egan-Chin: Das ist eine rührende Geschichte. Das kleine Mädchen heißt Alexa. Ihre Mutter war im fünften Monat mit ihr schwanger, als ihr Vater, ein Feuerwehrmann, am 11. September 2001 am World Trade Center gestorben ist. Also dieses kleine Mädchen hat ihren Vater nie gesehen, da er vor ihrer Geburt gestorben ist.

Dieses Foto habe ich am 10. September 2008 gemacht. In einem Garten neben dem Haus haben sie eine kleine Gedankestätte eingerichtet. Auch andere Leute, die ihre Familienangehörigen am 11. September verloren haben, konnte ich dort treffen.
Als sie mir das Bild zeigte, sagte ich so etwas wie: „Oh, ist das Dein Vater?“ Ich habe mich zu ihr hingekniet, um das Bild richtig sehen zu können, und dann hat sie ihren Kopf zum Bild herabgesenkt mit diesem Ausdruck in ihren Augen. Es war faszinierend für mich. Wissen Sie, ich mag es, wenn die Momente, die ich fotografiere, real sind.

Epoch Times: Was für Gefühle vermittelt Ihnen dieses Bild? Was bedeutet es für Sie persönlich?

Egan-Chin: Es geht hier eben um Emotionen und um die Situation. Wir alle haben solche Gefühle gegenüber unseren Vätern – aber in dieser Situation ist es einfach tragisch, sie liebt ihren Vater, hat ihn aber nie getroffen.

Epoch Times: Und wie ist es mit Ihrem anderen Photo, „Safe Exit“ (Sichere Rettung)?

Egan-Chin: Die beiden Bilder stammen aus ganz verschiedenen Situationen. „Sichere Rettung“ ist von einem Auftrag für die „spot news“ (Kurznachrichten). Was ich für meine Arbeit mache, ist prinzipiell mit dem Auto herumzufahren und auf die Polizei und die Feuermelder zu achten. Es muss einem gelingen, zur selben Zeit vor Ort zu sein wie der Rettungsdienst. Bei diesem Job kann man nicht einfach zu spät kommen.

Das Bild „Sichere Rettung” ereignete sich bei einem Auftrag, bei dem es um eine Geiselnahme ging. Es waren auch Kinder betroffen, ein Pächter kam mit dem Grundherrn in Streit, bei dem der Grundherr plötzlich die Waffe gegen seinen Pächter gezogen hatte. Dem Mann mit der Pistole ist die Flucht gelungen, bevor die Polizei das Haus umstellt hatte. Daher heißt es „Sichere Rettung“ – es wurde glücklicherweise niemand verletzt.

Wir waren trotzdem alle überrascht, da wir dachten, dass es um zwei Männer und möglicherweise eine Frau ging – dann sahen wir jedoch das Baby.

Ich habe mich für diese Aufnahme beinahe verhaften lassen, da ich die Polizeiabsperrung durchbrechen musste und einfach die Straße abwärts gerannt bin. Sie haben mir zugeschrieen:„Gehen Sie zurück! Gehen Sie zurück!” Ich entgegnete: „Aber da ist doch ein Baby! Ich muss einfach zu ihm laufen.“

Dabei hatte ich keinerlei Erwartungen, ich bin einfach instinktiv dort hingerannt, wo ich etwas gehört hatte, um näher am Brennpunkt zu sein.

Epoch Times: Was für eine Botschaft wollten Sie mit den Elementen des Bildes übertragen, als sie das Foto gemacht haben?

Egan-Chin: Ich wollte einfach so nahe wie möglich am Geschehen sein. Ich hatte erwartet, dass sie den Mann mit der Pistole in Handschellen legen und ihn nach draußen abführen würden, aber nicht, dass sie ein neugeborenes Baby aus dem Haus tragen. Und wie der Feuerwehrmann dem Baby unter seinem Mantel Zuflucht und Schutz gab – es war nämlich recht kalt draußen. Er hatte das Baby sicher unter seinem Mantel, es war einfach ein wundervoller Augenblick.

Epoch Times: Und was wurde mit den Polizisten, die zu Ihnen gerufen hatte, hinter die Absperrung zurückzutreten?

Egan-Chin: Nun, ich trug einen Presseausweis bei mir – und da waren all diese Kameras…

Eigentlich habe ich mir gedacht, dass sich das Ganze einen halben Wohnblock straßenabwärts abspielen würde, und ich dachte mir „Wow! Sie bringen die Kinder aus dem Hintereingang heraus“. Plötzlich wurde mir klar, dass ich mich genau vor dem Vordereingang befand, ich war von einer Sekunde auf die andere vom Sondereinsatzkommando umstellt. So musste ich unter der Absperrung durchkriechen und die Straße abwärts rennen. In diesem Moment hatten alle Polizisten ihre Gewehre im Anschlag und schrieen: „Sie müssen sich in Sicherheit bringen“.

Ich wurde fast schon zwischen zwei Polizisten hindurch geschoben, habe mein Bild gemacht, und sie schrieen, „Treten Sie zurück, treten Sie zurück!“ – aber dann hatte ich auch schon mein Bild gemacht.

Epoch Times: Als ich Fotografie gelernt habe, sagte mir einer meiner Lehrer, dass man als ein Fotograf etwas wagen muss, man kann nicht passiv sein. Was meinen Sie dazu?

Egan-Chin: Ich kann ihm nur zustimmen. Was mir den Mut für diese Aufnahmen gibt – ich verspüre richtig eine Verantwortung und die Berechtigung, mitten im Geschehen zu sein.

In den verschiedenen Situationen, denen ich in meinem Alltag begegne, gibt es immer viele Leute, die rufen, „Sie können hier keine Fotos machen. Es ist hier nicht erlaubt, Bilder zu machen. Machen Sie keine Bilder!“ Ich muss mir das jeden Tag anhören.

Der große Zuspruch für den Fotowettbewerb 2008 ermutigte die Epoch Times, für 2009 eine Fortsetzung anzubieten. Ab Dezember können wieder Fotos eingereicht werden. Weitere Infos unter: http://photocompetition.epochtimes.com/english/

Das Interview führte Joshua Philipp

Erschienen in The Epoch Times Deutschland Nr. 49/08



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