Waldlied im Mai – Von Heinrich Hoffmann

Aus der Reihe Epoch Times Poesie - Gedichte und Poesie für Liebhaber
Titelbild
Heut' geh' ich auf einsamen Wegen, mich hält keine Zaubergewalt, da ruf' ich's den Wipfeln entgegen: Hab Dank, du jung grünender Wald!Foto: iStock

Waldlied im Mai

Im jungen grünenden Walde

Sang sonst ich ein Liedlein so gern,
Daß es durch die Wipfel erschallte,
Ein Gruß in weiteste Fern!

Jüngst aber ein solches zu wagen
Da fehlte der keckliche Mut,
Doch hatt‘ ich zu singen und sagen
Viel Schönes in vollester Glut.

Wie klare und klingende Wogen
So wallte es durch mich hin,
Und Lieder gar viele, sie zogen
Mir jubelnd durch Herz und durch Sinn.

Nie war doch der Wald je so prächtig,
Nie war doch die Luft je so rein,
Mein Jubel war fast übermächtig,
Und das Herz für die Lust fast zu klein.

Ich ging mit der liebsten der Frauen
In der grünen Pracht dort herum,
Da konnt‘ ich nur hören, nur schauen;
Das höchste Glück ist ja stumm.

Mir war es, als täte mich führen
Ein Engel im Himmel herum,
Rings um mich ein froh Jubilieren,
Es machte das Glück mich stumm.

Heut‘ geh‘ ich auf einsamen Wegen,
Mich hält keine Zaubergewalt,
Da ruf‘ ich’s den Wipfeln entgegen:
Hab Dank, du jung grünender Wald!

Heinrich Hoffmann   (1809 – 1894)



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