„Der Krieg gegen die Drogen ist gescheitert“ – Bern will Kokain legalisieren

In der Schweizer Bundeshauptstadt Bern soll ein kontroverses Pilotprojekt den legalen Verkauf von Kokain für den Freizeitgebrauch ermöglichen. Das wäre vorerst der Gipfel der sich weltweit zunehmend liberalisierenden Drogenpolitik. In Deutschland hingegen ist der Versuch von Gesundheitsminister Lauterbach (SPD), die „Einstiegsdroge“ Cannabis teilweise zu legitimieren, vorerst verschoben.
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Bald legal in der Schweiz?Foto: iStock/ Kzenon
Von 29. Dezember 2023

Cannabis gilt bei Kritikern einer liberalen Drogenpolitik oder gar Legalisierung von Drogen als Türöffner für eine spätere Drogen-Karriere. Seit diesem Jahr ist die „Einstiegsdroge“ in mehreren Städten der Schweiz im Rahmen eines Pilotprojektes in Apotheken erhältlich. Erstmals soll auch in der Hauptstadt Bern mit Kokain eine sogenannte harte Droge legalisiert werden.

Der Vorstoß der Kokain-Legalisierung hat bereits im Berner Parlament Unterstützung gefunden, dieses hat grünes Licht für ein Pilotprojekt gegeben. Es zielt darauf ab, den Verkauf von Kokain für den Freizeitgebrauch zu legalisieren – eine Initiative, die nicht nur in der Schweiz kontrovers diskutiert wird, sondern auch international eine Liberalisierung der Drogenpolitik widerspiegelt. Das Projekt ist jedoch aktuell mit dem Widerstand der Stadtregierung der Schweizer Bundeshauptstadt konfrontiert und würde gegebenenfalls eine Änderung des Landesrechts erfordern.

Schweiz: Eine der höchsten Kokainkonsum-Raten in Europa

Während – wie „Sucht Schweiz“ berichtet – weltweit Rekordmengen an Kokain beschlagnahmt werden, steigt in der Alpenrepublik die Anzahl derjenigen, die sich wegen Kokainproblemen behandeln lassen wollen. Eva Chen (Alternative Linke), Mitglied des Berner Gemeinderats, vertritt von daher die Haltung: „Der Krieg gegen die Drogen ist gescheitert, und wir müssen uns mit neuen Ideen befassen.“ Gemessen an den im Abwasser nachgewiesenen Mengen illegaler Drogen weist die Schweiz eine der höchsten Kokainkonsum-Raten in Europa auf.

Durch die repressive Drogenpolitik der Schweiz würden Handel und Konsum in den Untergrund getrieben, argumentierte Chen. „Dadurch hat man keine Kontrolle – und auch keine Möglichkeit für Präventionsmaßnahmen.“ Damit soll jetzt Schluss sein, mit diesem Meilenstein in Richtung Legalisierung.

Im Frühsommer 2023 hatte die Alternative Linke einen Pilotversuch für den kontrollierten Kokainverkauf in Bern eingebracht, dem das Stadtparlament zugestimmt hatte. Nicht nur die Linke in der Schweizer Hauptstadt, sondern auch die FDP in Zürich unterstützt diese Bestrebungen.

Liberale zur Drogenlegalisierung: Erfahrungswerte sammeln

„Einen Pilotversuch könnte ich mir durchaus auch in unserer Stadt vorstellen“, so Përparim Avdili, Präsident der Stadtzüricher FDP. Für ihn wäre das ein guter Versuch, um Erfahrungswerte sammeln zu können.

Die Züricher FDP bekommt von den Baseler Parteifreunden Schützenhilfe, die sich in einem Positionspapier ebenfalls deutlich für den legalen Umgang mit harten Drogen ausspricht: „Ausgehend von der Freiheit des Menschen, sich selber zu schädigen, sollen Drogen grundsätzlich nicht verboten, sondern legalisiert, kontrolliert und besteuert werden, um dem Leid bringenden Schwarzmarkt die Grundlage zu entziehen.“

Verharmlosung von Gefahren und neue Steuereinnahmen

Befürworter einer Liberalisierung der Drogenpolitik argumentieren, dass solche Schritte eine bessere Präventionsarbeit ermöglichen und außerdem neue Einnahmequellen für den Staat in Form von Steuern erschließen. Die Gegner warnen hingegen vor einer massiven Verharmlosung des Drogenkonsums und befürchten, dass gerade junge Menschen dann vermehrt zu Drogen greifen würden.

Zudem gilt nicht als erwiesen, ob der Schwarzmarkt für Kokain durch den legalen Verkauf tatsächlich ausgetrocknet werden kann. Das gibt Boris Quednow, leitender Psychologe/Forschungskoordinator der Klinik für Psychiatrie, Psychotherapie und Psychosomatik der Universitätsklinik Zürich zu bedenken. Die Schweiz habe zwar die Drogenszene in den Griff bekommen durch medizinische Behandlungen, so der Experte, es sei aber etwas fundamental anderes, ein medizinisches Problem zu behandeln, als einen kontrollierten Verkauf für gesunde Personen zum hedonistischen Gebrauch einzuführen.

Drogen für Eigengebrauch gehen in der Schweiz bereits klar

Im Sommer 2023 gab es in der Schweiz ein Urteil des Bundesgerichts, das in gewisser Weise der Entwicklung der Drogenlegalisierung den Weg bereitet hat oder zumindest als Signal verstanden werden kann:

Die Polizei darf seitdem kleine Mengen von illegalen Drogen für den Eigengebrauch nicht mehr beschlagnahmen. Obwohl das Bundesgericht dieses wegweisende Urteil im Zusammenhang mit Cannabis gefällt hat, ist klar, dass es auch im Fall von härteren Drogen angewendet wird. Wer mit einer „kleinen Menge“ Kokain unterwegs ist, muss sich seitdem nicht mehr vor der Polizei verstecken.

Die Stiftung „Sucht Schweiz“ begrüßte das Urteil und rechnete sogar mit einer positiven Wirkung, denn die Süchtigen, die zumeist mit den kleinen Mengen des Stoffes unterwegs seien, hätten so ein Problem weniger, müssten die Strafverfolgungsbehörden nicht mehr fürchten. Zudem könne ihnen besser geholfen werden.

Internationale „Liberalisierung“ der Drogenpolitik

Der internationale Trend geht hin zu einer liberaleren Handhabung der Drogen-Thematik. Der US-Bundesstaat Oregon beispielsweise entkriminalisierte im Jahr 2021 den Besitz kleiner Mengen Kokain zugunsten einer Drogenbehandlung. In vielen europäischen Ländern, darunter Spanien, Italien und Portugal, gibt es inzwischen keine Gefängnisstrafen mehr für den Besitz von Drogen, einschließlich Kokain. Kanada und Uruguay haben die sogenannte weiche Droge Cannabis zu weiten Teilen legalisiert.

Aber auch Thailand als erstes Land Asiens vollzog eine 180-Grad-Wende seiner rigiden Drogenpolitik, wo vormals kleinste Mengen an „Gras“ schon für drakonische Strafen reichten. Seit Juni 2021 sind Anbau, Verkauf mit Lizenz und Konsum des Rauschmittels so gut wie nicht mehr beschränkt. Die Legalisierung spült jährlich rund eine Milliarde Euro in die Wirtschaft des südostasiatischen Landes.

Auch Deutschland will „Kiffen“ erlauben – und besteuern

In Deutschland arbeitet Bundesgesundheitsminister Karl Lauterbach (SPD) kontinuierlich an der Legalisierung von Cannabis. Gegen dieses langjährige Wunschziel von Links-Rot-Grün gibt es inzwischen massive Widerstände. Gegenwehr kommt dabei längst nicht mehr nur aus der Opposition. Auch Polizei, Lehrer und Ärzte üben immer lautere Kritik an der Freigabe der sogenannten Einstiegsdroge Cannabis.

Unter Federführung der Bundesärztekammer wandten sich kürzlich mehrere Fachverbände an die Fraktionen des Bundestags und forderten in einem Schreiben: „Aus Verantwortung für unser Land – die Cannabis-Legalisierung stoppen!“ Initiator ist die Bundesärztekammer. Zu den Unterzeichnern gehören die Gewerkschaft der Polizei, der Bund Deutscher Kriminalbeamter, der Deutsche Lehrerverband, der Berufsverband für Lehrkräfte und Pädagogen, die Deutsche Gesellschaft für Kinder- und Jugendmedizin, der Berufsverband der Kinder- und Jugendärzte und diverse weitere Fachgesellschaften aus dem medizinischen Bereich. Deren Fazit: Die Cannabis-Legalisierung sei eine „drogenpolitische Bankrotterklärung“.

„Eine Politik, die sich mit abstrusen Ideen gegen jeden Sachverstand durchsetzt!“

Scharfe und dezidierte Kritik äußert auch der Präsident des Berufsverbandes der Kinder- und Jugendärzte, Thomas Fischbach,  an der geplanten Teillegalisierung von Cannabis. „Es ist kein Zufall, dass sich alle Ärzteverbände durch die Bank gegen die Cannabis-Freigabe aussprechen. Eine Politik, die sich mit abstrusen Ideen gegen jeden Sachverstand durchsetzt, macht sich unglaubwürdig. Für mich ist das eine Kapitulation vor der Illegalität“, sagte Fischbach in einem „Welt“-Interview. „Der chronische Cannabisgebrauch macht – salopp gesagt – doof und kann auch Psychosen verursachen.“

Kurzfristig jedenfalls ist die Legalisierung von Cannabis in Deutschland vorerst vom Tisch bzw. verschoben. Über das geplante Gesetz dazu wurde nicht wie geplant am 5. Dezember abgestimmt und konnte somit nicht noch eben 2023 auf den Weg gebracht werden. Veranlasst hat das die Fraktionsspitze der SPD.

Mit einer Umsetzung der „Kiffer-Pläne“ von Lauterbach wird inzwischen – wenn überhaupt – frühestens zum 1. April 2024 gerechnet.



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