Legalisierung von Cannabis vorerst vom Tisch – Gegenwind aus den Reihen der SPD

Über das geplante Gesetz zur Legalisierung von Cannabis wird 2023 nicht mehr abgestimmt. Dies hat – zur Überraschung der Koalitionspartner – die Fraktionsspitze der SPD veranlasst. Experten wittern Bedenken aufgrund völkerrechtlicher Verträge und EU-Bestimmungen.
Ärztevertreter sorgen sich vor allem,  dass legal erworbenes Cannabis an unter 18-Jährige weitergegeben werden könnte. Laut Bundeszentrale für gesundheitliche Aufklärung haben elf Prozent der Jungen zwischen zwölf und 17 Jahren und acht Prozent der Mädchen schon einmal gekifft.
Aufgrund interner Bedenken innerhalb der SPD wurde der Entwurf für das Cannabis-Gesetz vorerst auf Eis gelegt. Symbolbild.Foto: Fabian Sommer/dpa
Von 6. Dezember 2023

Am Ende überraschte der Schritt auch die eigenen Koalitionspartner. Noch am Montag, 4. Dezember, hatte die Vorsitzende des Gesundheitsausschusses im Bundestag, Dr. Kirsten Kappert-Gonther (Grüne), die Beschlussfassung über das geplante Cannabisgesetz (CanG) für Dezember angekündigt. Wenig später wurde deutlich: Die Aufsetzung der finalen Lesung wird nicht stattfinden. Der zuständige SPD-Gesundheitspolitiker Dirk Heidenblut teilte dies auf Instagram mit.

Erste Stufe der Cannabis-Legalisierung sollte zum 1. April greifen

Ursprünglich sollte das Gesetz in der 50. Kalenderwoche zur letzten Klärung in den Gesundheitsausschuss kommen. In derselben Woche sollte es zur finalen Verabschiedung im Bundestag kommen. Zuvor waren noch einige Bestimmungen über Mindestabstände zu Schulen, Eigenkonsum und Nachbarschaftsrecht verändert worden.

Die Säule 2, die eine kontrollierte Abgabe an Erwachsene zu Genusszwecken vorsah, sollte ab dem 1. April 2024 gelten. Doch nicht nur sie könnte nun als Aprilscherz enden. Auch die Säule 1, die Regelung zu Eigenanbau und gemeinschaftlicher Zucht in Vereinen, steht vorerst vor dem Aus. Sie soll zum 1. Juni in Kraft treten.

Am Ende war es die Spitze der SPD-Fraktion selbst, die dafür gesorgt hatte, dass das Thema in diesem Jahr nicht mehr auf die Tagesordnung kommt. Kappert-Gonther nannte die Entscheidung „außerordentlich bedauerlich“. Sie macht deutlich, dass aus Sicht des Ausschusses eine Aufsetzung möglich gewesen wäre.

Gegenwind von SPD-Innenministern der Länder

Dabei waren die Argumente allseits längst ausgetauscht. Befürworter der Legalisierung verweisen auf die Legalität wirkungsähnlicher Rauschmittel, Entlastung der Polizei von Bagatellaufgaben oder die mögliche Austrocknung des Schwarzmarktes. Zudem könnte eine Abgabe über staatlich lizenzierte Stellen Einnahmen in den Staatshaushalt spülen.

Gegner verweisen demgegenüber auf die jetzt schon zu beobachtenden psychischen Langzeitwirkungen bei den häufig jungen Konsumenten. Zudem sei ein Unterbleiben der Weitergabe an Minderjährige beispielsweise auf Partys kaum kontrollierbar. Die geplante Fassung des Gesetzes hätte einen legalen Konsum von drei Joints pro Tag ermöglicht, was vor allem bei jungen Erwachsenen zum Problem werden könne.

Am Ende kam auch von Innenministern aus den Reihen der SPD Gegenwind. Hamburgs Innensenator Andy Grote machte darauf aufmerksam, dass eine liberale Drogenpolitik den Markt für das organisierte Verbrechen nicht zwingend austrockne. Das Beispiel der Niederlande zeige, dass der Markt sogar größer werde – bei geringerem Risiko der Strafverfolgung. Zwar geht es im organisierten Verbrechen dort regelmäßig um härtere Drogen. Bereits die sogenannten Coffee-Shops dürfen ihre Joints dort zwar an Besucher abgeben. Die Beschaffung des Stoffs als solche oder ein Anbau ist jedoch nicht gestattet.

„Zu keinem Zeitpunkt eine Einigung mit SPD-Innenpolitikern“

Wie nun SPD-Innenexperte Sebastian Fiedler dem „Spiegel“ mitteilt, haben sich offenbar auch Innenpolitiker der Bundestagsfraktion gegen den Entwurf gestellt. Es habe „zu keinem Zeitpunkt eine Einigung mit den Innenpolitikern der SPD-Fraktion“ gegeben, äußerte Fiedler. Er übte Kritik an Lockerungen von Mindestabständen und am geplanten unkontrollierten Eigenanbau. Allein ist er mit seiner Meinung nicht:

„Wenn jetzt über das Gesetz zur Cannabislegalisierung abgestimmt werden würde, gäbe es einen erheblichen Anteil an Nein-Stimmen aus der SPD-Fraktion. Darunter meine eigene.“

Auch der innenpolitische Sprecher der Fraktion, Sebastian Hartmann, äußerte sich kritisch. Die Formulierung im Koalitionsvertrag werfe „eine Vielzahl von Fragen auf, die fachpolitisch gut beantwortet werden müssen“.

Dennoch heißt es aus der Fraktion, man sei „zuversichtlich, das Gesetz im neuen Jahr im Bundestag zeitnah zu verabschieden“. Das im Koalitionsvertrag vereinbarte Vorhaben befinde sich „auf der Zielgeraden“.

Grauzone für Cannabis-Legalisierung aufgrund von EU- und UN-Verträgen

Ates Gürpinar von der Linken sieht demgegenüber ein Einknicken der SPD vor dem „Kulturkampf der Rechten“ als Grund für den Rückzieher. Auf X fordert er die Ampel auf, das Vorhaben durchzuziehen.

Die „Legal Tribune Online“ hingegen hält ein vollständiges Scheitern der Cannabis-Legalisierung für denkbar. Sie verweist auf Grauzonen aufgrund EU-rechtlicher und völkervertragsrechtlicher Verpflichtungen, die einen solchen Schritt als problematisch erscheinen ließen.

So soll das Schengener Durchführungsübereinkommen sicherstellen, dass ein Verbringen in einem Land legaler Betäubungsmittel in ein anderes unterbunden wird, in dem ein Verbot gilt. Außerdem gibt es einen EU-Rahmenbeschluss zur Bekämpfung des illegalen Drogenhandels von 2004. Dieser führt explizit auch Cannabis als illegale Droge auf – und verpflichtet die Mitgliedstaaten zum Untersagen jeglicher gewerblichen Aktivitäten damit außerhalb wissenschaftlicher und medizinischer Zwecke.

Eine ähnliche Verpflichtung sehen auch drei UNO-Abkommen aus den Jahren 1961, 1971 und 1988 vor. Deren Vertragsparteien sind sowohl Deutschland selbst als auch die EU. Deshalb wären möglicherweise auch ein Austritt und Wiedereintritt mit Vorbehalt keine Lösung, um das Ampel-Vorhaben auf sichere Beine zu stellen. Im äußersten Fall drohte Deutschland ein Vertragsverletzungsverfahren aus Brüssel.

(Mit Material von dts)



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