Studie: Handys reduzieren Aufmerksamkeit und Leistung – selbst wenn sie nicht da sind

Während Handys im Bundestag zwar unerwünscht, aber weiterhin erlaubt sind, wird der Ruf nach einem Verbot in Schulen immer lauter. Eine neue Studie aus Deutschland stützt diese Forderung.
Auch im Bundestag spielen Handys eine große Rolle. vordere Reihe v.l.n.r.: Finanzminister Christian Lindner, Wirtschaftsminister Robert Habeck und Bundeskanzler Olaf Scholz, hintere Reihe v.l.n.r.: Landwirtschaftsminister Cem Özdemir, Verteidigungsminister Boris Pistorius und Generalstabschef Wolfgang Schmidt vor der Debatte über den Bundeshaushalt 2024 im Bundestag am 5. September 2023. Foto: JOHN MACDOUGALL/AFP via Getty Images
Auch im Bundestag spielen Handys eine große Rolle. Vordere Reihe v.l.: Finanzminister Christian Lindner, Wirtschaftsminister Robert Habeck und Bundeskanzler Olaf Scholz, hintere Reihe v.l.: Landwirtschaftsminister Cem Özdemir, Verteidigungsminister Boris Pistorius und Generalstabschef Wolfgang Schmidt vor der Debatte über den Bundeshaushalt 2024 im Bundestag am 5. September 2023.Foto: JOHN MACDOUGALL/AFP via Getty Images
Von 2. Oktober 2023

Kommunizieren, im Internet surfen oder spielen. Für viele ist das Handy im Alltag unentbehrlich. Auch ein Blick in die Parlamente zeigt: Viele Abgeordnete hören nicht zu, sondern beschäftigen sich mit ihren Smartphones. Selbst auf der Regierungsbank ist diese Haltung weitverbreitet, was Bundestagspräsidentin Bärbel Bas im Oktober 2022 dazu bewogen hat, eine „Handy-Enthaltsamkeit“ im Deutschen Bundestag anzumahnen.

„Man muss sich bewusst machen, wie das bei Bürgerinnen und Bürgern ankommt, wenn auf der Regierungsbank oder im Parlament permanent mit dem Handy gearbeitet wird“, so die SPD-Politikerin. Ein Verbot, wie von vielen Bürgern gefordert, könne sie jedoch im Bundestag nicht durchsetzen.

In den Schulen hingegen wird ein Handyverbot immer wieder thematisiert, und das aus gutem Grund, wie eine neue Meta-Analyse aus Deutschland zeigt. Forscher warnen vor dem sogenannten Brain-Drain-Effekt. Dieser geht zurück auf die gleichnamige Studie aus dem Jahr 2017. Sie belegte als erste, „dass allein die Anwesenheit des Smartphones sowohl die Aufmerksamkeit als auch die Gedächtnisleistung reduziert“, erläutert Prof. Dr. Klaus Zierer, Lehrstuhlinhaber für Schulpädagogik von der Universität Augsburg.

Wie so oft in der psychologischen Forschung konnten diese Ergebnisse nicht eins zu eins repliziert werden, sodass sich die Frage stellt, ob es den Brain-Drain-Effekt nun wirklich gibt oder nicht. Dieser Forschungsfrage ging deshalb eine Arbeitsgruppe unter Zierers Leitung in einer kürzlich veröffentlichten Meta-Analyse „Does the Brain Drain Effect Really Exist?“ nach.

22 Studien bestätigen Brain-Drain-Effekt

Hierfür suchten sie internationale Studien, die sich mit diesem Effekt befassten. Sie fanden 22 solcher Studien, die im Ergebnis bestätigen, was Ward und Kollegen bereits 2017 festgestellt hatten: Die bloße physische Präsenz des Smartphones beeinflusst die kognitive Leistungsfähigkeit ihrer Besitzerinnen und Besitzer, wenn auch unterschiedlich. Gedächtnisleistungen und Aufmerksamkeit sind stärker betroffen als das Erledigen einfacher Leistungstests, beispielsweise Buchstabieren.

Interessant war für die Forscher, zu erfahren, dass kulturelle Unterschiede in den Studien festzustellen sind. In Asien beispielsweise sind die negativen Effekte noch stärker ausgeprägt als in Nordamerika und Europa. Ein Grund für divergierende Ergebnisse sieht Zierer in sich immer mehr anbahnenden und ausbreitenden Abhängigkeitsmechanismen.

Menschen, die bereits viel Zeit mit ihrem Smartphone verbringen, sind von der Abwesenheit des Smartphones mittlerweile sogar mehr gestresst als von der Anwesenheit“, so Zierer.

Forscher empfehlen Nutzung mit Augenmaß

Das Ergebnis der Meta-Analyse ist vor allem für Bildung und Erziehung hochrelevant, da Kinder und Jugendliche Smartphones besonders intensiv nutzen.

Die Augsburger Forscher kommen in dieser Frage zu einer klaren Empfehlung: Der Gebrauch digitaler Medien muss aus pädagogischen Gründen reguliert, kontrolliert und begleitet werden. Medienerziehung müsse deshalb zwei Perspektiven umfassen:

„Zum einen müssen insbesondere Kinder vor einer inhaltlich und zeitlich unkontrollierten Nutzung von Smartphones geschützt werden“, so die Forscher. Dafür seien auch generelle Verbote, insbesondere in Schulen, hilfreich, wie es zuletzt die UNESCO in ihrem Global Education Monitoring Report (2023) angesprochen habe. Hierbei sei vor allem an die Grundschule, aber auch an die Unterstufen der weiterführenden Schulen zu denken.

„Zum anderen müssen schulische Konzepte entwickelt werden, die Jugendliche an die Nutzung von Smartphones mit Augenmaß heranführen und dabei ein hohes Maß an Selbstreflexion und Eigenverantwortung in den Mittelpunkt stellen.“

Dies erfordere auch seitens der Lehrpersonen nicht nur technische Kenntnisse, sondern vor allem auch Wissen über das Ablenkungspotenzial von Smartphones und deren Einfluss auf Gedächtnis, Aufmerksamkeit und allgemeine kognitive Leistungen.

„Es wäre unverantwortlich, die naive Nutzung digitaler Medien unreflektiert in pädagogische Kontexte zu übertragen“, betont Zierer.

CDU-Positionspapier für Handyverbot an Schulen

Damit befeuert die Studie die Diskussionen nach einem Handyverbot, wie zuletzt von der CDU gefordert. Wie die „Süddeutsche Zeitung“ berichtete, spricht sich die Union in einem Positionspapier dafür aus, dass Grundschulen ein „privates Handynutzungsverbot“ umsetzen. Weiterführende Schulen hingegen sollen selbst Maßnahmen ergreifen, um eine private Handynutzung im Unterricht auszuschließen.

Zuvor hatte Schleswig-Holsteins Bildungsministerin Karin Prien handyfreie Räume für Kinder gefordert – sowohl zu Hause als auch in Schulen und innerhalb der Gesellschaft überhaupt. Gegenüber „Bild“ betonte sie: „Insgesamt sitzen auch Erwachsene zu viel am Handy und Tablet. Das färbt auf die Jüngsten ab.“



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