SWR-Journalistin darf nach Israel-Post nicht mehr moderieren: Journalismus oder Aktivismus?

Die SWR-Mitarbeiterin Helen Fares zeigte in einem Instagram-Post, wie sie mit einer App Produkte mit Israel-Bezug boykottiert. Der Sender reagierte und entband die Syrerin ihrer Moderationspflichten. Nicht nur die Debatte um Antisemitismus in den öffentlich-rechtlichen Medien, auch die Diskussion um Aktivismus im Journalistenberuf ist erneut angestoßen.
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SWR-Moderatorin Helen Fares hat mit einem Boykottaufruf für Israelische Produkte für Kontroversen gesorgt.Foto: Gerald Matzka/Getty Images for Netflix
Von 11. April 2024

Die SWR-Moderatorin Helen Fares demonstrierte in einem Instagram-Post, wie sie mithilfe einer App Produkte mit Israel-Bezug im Supermarkt prüft. Sie rief zum Boykott auf. Der Sender reagierte und entband die Syrerin ihrer Moderationspflichten, da sie „Neutralität in ihren Social-Media-Aktivitäten vermissen“ lasse. Für Fares, die sich inzwischen äußerte, sei der Boykott eine legitime Form des politischen Protests.

Der „Südwestrundfunk“ (SWR) hat sich Anfang der Woche von der Moderatorin Helen Fares getrennt. Diese Entscheidung erfolgte vor dem Hintergrund von Bedenken bezüglich der Neutralität und Glaubwürdigkeit der Sendung. Fares hat das Twitch-Format „MixTalk“ als eine von mehreren SWR-Moderatoren präsentiert. Sie ist auch in anderen Bereichen als Moderatorin, Podcasterin und Psychologin tätig und nennt sich auf ihrer eigenen Website „Syrerin in Almanya“. Dort beschreibt sie sich auch als „Aktivistin“. Nach eigenen Angaben möchte sie dazu beitragen, dass Menschen nachsichtiger und liebevoller mit ihren Ressourcen umgehen, sowohl menschlichen als auch natürlichen.

Via App „No Thanks“ Boykott israelischer Produkte

Der Aufleger war, dass Fares ein Video auf ihrem Instagram-Kanal mit 112.000 Followern gepostet hatte, in dem sie, durch einen Supermarkt laufend, die App „No Thanks“ testet. Mit dieser können Barcodes gescannt werden und wenn das Produkt auf einer bestimmten Boykott-Liste auftaucht, leuchtete es rot auf: „No Thanks! Nein, danke!“

Die App überprüft anhand der Artikelnummern, ob Produkte in den Supermarktregalen mit Israel in Verbindung stehen. Sie wurde von einem Palästinenser entwickelt, um den Boykott israelischer Produkte zu unterstützen.

Fares demonstriert im Video die App anhand eines Getränkes des Herstellers Alpro. Die Moderatorin stellte den Drink zurück ins Regal, nachdem sie gesehen hatte, dass der Eigentümer von Alpro „echt richtig in die israelische Wirtschaft investiert“.

Firmen wie Mars und Milka, Barbie und Bayer, aber auch Nestlé oder Kaufland stehen ebenfalls auf der Warnliste der BDS-Kampagne. Die Abkürzung steht für „Boycott, Divestment and Sanctions“ – eine internationale Kampagne, die den Staat Israel wirtschaftlich, kulturell und politisch isolieren will.

Trennungsgrund Aktivismus statt Neutralität

Nachdem dieses Video für Aufruhr in den sozialen Medien gesorgt hatte, trennte sich der SWR von der Moderatorin: Sie werde fortan nicht mehr das digitale Dialogformat „MixTalk“ vom SWR moderieren. Der Grund sei die wiederholte Äußerung extremer politischer Positionen auf ihrem privaten Social-Media-Account, so der Sender.

Ferner habe man Frau Fares darauf hingewiesen, „dass für Moderatorinnen und Moderatoren eines Debattenformats zum Schutz der Unabhängigkeit und Glaubwürdigkeit der Sendung eine Pflicht zur Neutralität gelte“. Diese Neutralität habe Frau Fares in ihren Social-Media-Aktivitäten vermissen lassen. Die Unabhängigkeit des SWR und jeder einzelnen Mitarbeiterin und jedes einzelnen Mitarbeiters dürfe durch Social-Media-Aktivitäten nicht beeinträchtigt oder in Zweifel gezogen werden.

Damit hatte die Anstalt auf zahlreiche Proteste reagiert, denn das Alpro-Video hatte viel Aufmerksamkeit erreicht und Aufregung ausgelöst:

ÖRR Antisemitismus Watch @Antisemiticblog teilte Fares‘ Video mit dem Kommentar: „Für den @SWRpresse arbeitet eine Antisemitin“ und „‚Kauft nicht bei Juden‘ in der 2024er-Version“.

Dann nahm ÖRR Antisemitismus Watch noch die App unter die Lupe, die Fares in ihrem Video benutzte, und stellt fest: „Die BDS-App, die die Antisemitin und Ex-SWR-Moderatorin Helen Fares beworben hat, fordert zum Boykott von Google auf. Jedoch ist die App auch im GOOGLE Play Store verfügbar.“

Hinzu komme auch noch die Aufforderung des App-Gründers, per Paypal zu spenden, obwohl Paypal auf der Liste seiner App steht. Nachfolgend ruft der ÖRR Antisemitismus Watch noch zum Boykott der App auf, indem es auffordert, diese bei Google als „unangemessen“ zu melden.

BDS beschreibt sich selbst als eine gewaltfreie Bewegung unter palästinensischer Führung, die sich dafür einsetzt, dass Israel die „Okkupation und Kolonisierung allen arabischen Landes“ beendet, das „Grundrecht seiner arabisch-palästinensischen Bürger auf volle Gleichheit“ anerkennt und „das Recht der palästinensischen Flüchtlinge auf eine Rückkehr in ihre Heimat und zu ihrem Eigentum gemäß UN-Resolution 194 schützen und fördern“ soll.

SWR-Moderatorin verbreitet BDS-Ideologie

Der Zentralrat der Juden lobte die Entscheidung des SWR mit den Worten in der „Jüdischen Allgemeinen“:

Die betreffende Journalistin hat ihre Popularität als Moderatorin einer öffentlich-rechtlichen Rundfunkanstalt genutzt, um die BDS-Ideologie zu verbreiten. Der SWR hat schnell entschieden, dass er diese Hetze gegen Israel in Zukunft nicht mittragen will. Das ist ein richtiger und konsequenter Schritt.“

Der baden-württembergische Antisemitismusbeauftragte Michael Blume hatte sich Anfang der Woche gemeinsam mit den israelitischen Religionsgemeinschaften von Baden und Württemberg für eine komplette Beendigung des Arbeitsverhältnisses von Helen Fares ausgesprochen. Eine Entbindung Fares‘ von den Moderationspflichten sei nicht genug, denn „Antisemitismus ist verschwörungsmythologischer Hass und gerade im Journalismus weder harmlos noch Privatsache“, sagte Blume gegenüber der „Jüdischen Allgemeinen“.

Fares: Israel zu boykottieren nicht antisemitisch

Fares, vorerst vom Moderationsjob freigestellt, verteidigte sich, indem sie noch ein weiteres Video auf ihrem Instagram-Kanal hochlud, wie zuvor auch in englischer Sprache:

„Wir sind nicht antisemitisch, weil wir boykottieren, Produkte von Unternehmen zu kaufen, die Israel unterstützen. Ein Land, das sich vor dem Internationalem Gerichtshof wegen Genozid verantworten muss, weil es Zehntausende von Menschen abgeschlachtet hat“, sagt die 29-Jährige in einem Video auf ihrem Profil.

Das Video hat sie zusammen mit dem Instagram-Kanal „Jüdische Stimme“ gepostet. Dieser bezeichnet sich als „jüdische Organisation, die sich für Frieden und Gerechtigkeit im Nahen Osten einsetzt“.

Auch „Tausende jüdische Menschen“ unterstützten die sogenannte Boykott-Kultur, mit der Druck auf die israelische Regierung aufgebaut werden solle, ihr Vorgehen zu ändern, so Fares in ihrer Videobotschaft. „Die jüdischen Menschen nicht wahrzunehmen, die für Frieden, Solidarität und Schutz stehen – das ist antisemitisch.“ Es sei wichtig, sich gegen Menschenrechtsverletzungen und Völkermord auszusprechen, unabhängig von der politischen Sensibilität des Themas, sagt die 29-Jährige.

SWR vor rechten Brillen eingeknickt?

Sie selbst, so Fares, sei wegen ihrer Stellungnahme bedroht und beleidigt worden, zudem habe sie ihren Job verloren. Ihre Entlassung sei „nicht aufgrund meiner Aussagen“ geschehen, sondern weil der SWR, „ein öffentlich-rechtlicher Sender, der die Meinungsfreiheit schützen müsste“, eingegangene Briefe von „rechten Menschen nicht handhaben konnte“. Kurz: Die Entscheidung des SWR sei vorwiegend der Nachgiebigkeit des Senders gegenüber rechten Trollen geschuldet.

Fares weiter: „Die deutschen Medien versuchen, alle Stimmen zum Schweigen zu bringen, die sich für Palästina einsetzen – deshalb müssen wir noch mehr und noch lauter unsere Stimme erheben.“

Am 10. April 2024, re-postete Fares noch einmal das Video mit dem Kommentar: „Dieses Video ist für diejenigen, die wissen wollen, was wirklich passiert ist. Nochmals: Dies ist eine Erinnerung daran, die israelische Regierung nicht mit der Vertretung des gesamten jüdischen Volkes zu verwechseln.“

Journalismus versus Aktivismus steht zur Diskussion

Das Thema Aktivismus in der journalistischen Berichterstattung hat damit weitere Relevanz bekommen.

Ist Helen Fares mit ihrem Engagement ein Einzelfall oder repräsentiert sie eine neue Generation von Journalisten, die Journalismus und Aktivismus nicht mehr trennen wollen? Diese Frage wird innerhalb der Medienlandschaft kontrovers diskutiert. Isolde Fugunt, Leiterin der katholischen Journalistenschule ifp, betont gegenüber dem öffentlich-rechtlichen „Deutschlandfunk“ die Unterschiede zwischen Aktivismus und Journalismus. Dennoch sei die Grenze zwischen beiden Bereichen in der heutigen Zeit zunehmend verschwommen, insbesondere auf Social Media.

Ein Beispiel, das diese Debatte, und wie unscharf die Trennlinien zwischen Journalismus und Aktivismus geworden sind, illustriert, ist die Berichterstattung über den Klimawandel. Die Auswahl der Begriffe und die Art der Berichterstattung sind zunehmend Gegenstand hitziger Diskussionen. „Einige Journalistinnen und Journalisten plädierten beispielsweise dafür, den Begriff Klimawandel gar nicht mehr zu benutzen, weil dieser zu verharmlosend sei“, heißt es im „Deutschlandfunk“.

Ebenso wichtig ist die Frage, ob Journalisten ihre persönlichen Überzeugungen öffentlich vertreten dürfen und in welcher Form. Der SWR schreibt dazu:

Der SWR hat klare Regeln für den Umgang mit Äußerungen auf Social Media: Auch wenn Journalistinnen und Journalisten selbstverständlich eine politische Meinung haben können, darf die Unabhängigkeit des SWR und jeder einzelnen Mitarbeiterin und jedes einzelnen Mitarbeiters durch Social-Media-Aktivitäten nicht beeinträchtigt oder in Zweifel gezogen werden.“
Diese Richtlinie trägt einen Widerspruch in sich. Oder ist tatsächlich gemeint, Mitarbeiter dürften eine politische Meinung haben, sollten diese aber nicht öffentlich äußern?

Journalisten stehen mehr denn je vor der Herausforderung, ihre persönlichen Überzeugungen transparent zu machen, ohne die Glaubwürdigkeit ihrer Arbeit zu gefährden.



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