Wenn der Staat den Rentnern in die Tasche greift

Die „Altersarmut explodiert“, warnt die Linke. Mit den gestiegenen Energie- und Verbraucherkosten hat dies aber nichts zu tun, weiß Reiner Korth, Bundesvorsitzender des Vereins für Direktversicherungsgeschädigte.
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Der Frust bei Rentnern sitzt tief. Trotz erfüllter Arbeitspflicht bleibt oft nur wenig übrig (Symbolbild).Foto: iStock
Von 3. Oktober 2022

Hier ein Eis, dort ein Besuch im Zoo oder die Finanzierung des Klavierunterrichts – wer kennt sie nicht aus seinen Erinnerungen, die spendablen Großeltern, die ihre Kinder und Enkel gern unterstützten? Derartige Ausgaben waren für sie selbstverständlich, da sie aufgrund ihrer hart verdienten Rente ein gutes Auskommen im Lebensalter hatten. Doch diese Bilder gehören mehr und mehr der Vergangenheit an.

Dass das Einkommen mit dem Eintritt ins Rentenalter sinkt, ist hinlänglich bekannt. Schon jetzt und auch in Zukunft droht den Rentnern ein tiefer Griff in die Tasche – und zwar seitens des Staates, wie der Bundesvorsitzende des Vereins für Direktversicherungsgeschädigte (DVG), Reiner Korth, gegenüber Epoch Times erklärte.

Jeder Sechste über 65 Jahre ist von Altersarmut bedroht. Das geht aus einer Auswertung des Statistischen Bundesamtes hervor. Der Fraktionsvorsitzende der Linken, Dietmar Bartsch, warnt davor, dass die „Altersarmut explodiert“. Von stabilen Renten könne keine Rede sein.

Wie „Bild“ berichtete, haben 8,2 Millionen Männer und 10,3 Millionen Frauen Ende des Jahres 2021 Altersrente bezogen. Nach Abzug von Kranken- und Pflegeversicherung blieben den Männern durchschnittlich 1.227 Euro, bei den Frauen waren es lediglich 807 Euro. Ähnlich hoch wie die Durchschnittsrente der Frauen liegen die Hartz-4-Bezüge für alleinstehende Erwachsene, die aus einem Regelsatz von 449 Euro sowie einem Zuschuss für Kaltmiete und Heizkosten berechnet werden – so ein Vergleich von Reiner Korth.

„Wohin soll das noch führen, wenn du 35 Jahre arbeitest und dann eine Rente auf Harzt-IV-Niveau beziehst? Dann ist es nicht verwunderlich, wenn die Leute zu Hause auf dem Sofa liegen und ihr Geld lieber vom Amt holen“, kritisiert er gegenüber Epoch Times. Wenn alle arbeitsfähigen Bürger ihre Arbeitskraft nicht mehr zur Verfügung stellen, wie solle sich dann der Staat finanzieren?

Mehr Rentner über Freibetrag

Aber das ist nicht das einzige Dilemma, dem Rentner gegenüberstehen. Auch die von der Deutschen Rentenversicherung als „deutliche“ Rentensteigerung bezeichnete Erhöhung zum 1. Juli 2022 um 5,35 Prozent (alte Bundesländer) und 6,12 Prozent (neue Bundesländer) dürfte so manchen Rentner vor ein Problem stellen.

„Letztendlich führen diese Rentenerhöhungen wieder dazu, dass 100.000 Rentner, die bisher keine Steuererklärung abgeben mussten, jetzt über den Steuerfreibetrag kommen“, erklärt Korth.

Für den Veranlagungszeitraum 2021 gilt ein Grundfreibetrag für 9.744 Euro, für Eheleute 19.488. Für 2022 wurde der Grundfreibetrag auf 10.347 Euro erhöht, für Eheleute gilt das Doppelte. Liegt der Gesamtbetrag der Einkünfte über dem Grundfreibetrag, dann bleibt den Rentnern der Gang zum Finanzamt nicht erspart.

„Durch die Rentenerhöhung  2022 rutschen rund 100.000 Rentner erstmals in die Steuerpflicht. Das bringt dem Staat nach Berechnungen des Bundeswirtschaftsministeriums etwa 870 Millionen Euro zusätzlich in die Kasse“, schildert Korth. „Dadurch relativieren sich die Rentenerhöhungen. So wie der Staat an den steigenden Energiepreisen verdient, verdient er auch an der Rentenerhöhung“. Nach seiner Schätzung verpufft der Effekt der Rentenerhöhung bei etwa einem Drittel der Rentner.

Rentner doppelt zur Kasse gebeten

Doch es gibt noch einen weiteren wesentlichen Aspekt, den sich der DVG auf die Fahne geschrieben hat. Ein Thema, das kaum in der Öffentlichkeit diskutiert wird und das für die Rentner mit enormen finanziellen Einbußen verbunden ist.

„Wer sein Rentenpolster vorsorglich mit Spareinlagen durch Direktversicherungen aufbessern will, wird bei Rentenbezug unfreiwillig zur Kasse gebeten“, weiß Korth zu berichten. „Dann nimmt der Staat dir noch einmal 19 Prozent Krankenkassenbeiträge weg.“ Wie kommt das? Schuld daran ist die hohe Abgabenlast für Rentner, sagt Korth. Was er damit meint, erklärt er an einem Beispiel.

Wer 1984 eine Versicherung zur Altersvorsorge mit einer 40-jährigen Laufzeit abgeschlossen hat, muss aufgrund einer 2004 nachträglich eingeführten Gesetzesänderung bei Auszahlung den vollen Betrag zur Kranken- und Pflegeversicherung bezahlen – also sowohl den Arbeitnehmer- als auch den Arbeitgeberanteil. Damit gehen den Rentnern schon vorab 19 Prozent ihrer Ersparnisse verloren.

Das gilt auch dann, wenn im ursprünglichen Vertrag vor 2004 die Beiträge zur Kranken- und Pflegeversicherung bereits entrichtet wurden.

Für viele Rentner wird dies eine herbe Enttäuschung werden – für andere, wie Korth sagt, ist es bereits Realität. Immerhin sind nach seinen Angaben etwa sechs Millionen Verträge zur Altersvorsorge betroffen.

Sonderfall Riester-Rente

Als damals die Riester-Rente eingeführt wurde, musste der Arbeitgeber darauf Krankenkassenbeiträge abführen, erinnert sich Korth. Da die Bürger hier relativ schnell erkannt hätten, dass die Riester-Rente ein Minusgeschäft sei, seien neue Vertragsabschlüsse immer mehr zurückgegangen.

„Da die Riester-Rente ein Anliegen der SPD war, hat die Bundesregierung 2018 eine Richtlinie geschaffen“, erklärt er weiter. Seither ist die Riester-Rente ein Exot unter den Altersvorsorge-Modellen. Kranken- und Pflegeversicherungsbeiträge müssen darauf nicht gezahlt werden, die Steuern hingegen bleiben bestehen, wie bei den anderen Renten auch.

Zwei-Klassen-Gesellschaft

Die Tatsache, dass der Staat Einnahmen aus der Altersvorsorge generiert und dies erst Jahrzehnte später – nämlich beim Eintritt ins Rentenalter – bekannt wird, stößt dem DVG-Bundesvorsitzenden mächtig sauer auf: „Der Staat holt sich zu viel zurück und plündert die Rentner regelrecht aus. Wir werden um unsere Ersparnisse betrogen. Das ist eine Riesensauerei.“

Während die Politiker gern mit Brutto-Renten werben, falle der Netto-Betrag viel geringer aus. In Deutschland erhalten Rentner derzeit lediglich 49,4 Prozent ihres früheren Nettoeinkommens. In den 1960er-Jahren waren es ähnlich wie bei den Beamten noch rund 70 Prozent, so Korth.

Im Vergleich zu den Beamtenpensionen sind die Rentenbezüge immer weiter geschrumpft, während die Abgaben gleichzeitig gestiegen sind. „Über die Jahre hat der Staat die Berechnungsformel geändert“, schildert der DVG-Chef. Begründet werde dies mit leeren Rentenkassen oder den „Babyboomern“ – den geburtenstarken Jahrgängen der 1950er- und 1960er-Jahre, die nach und nach in Rente gehen.

Deutsche Durchschnittsrentner auf Platz 22

Verglichen mit den rund 1,4 Millionen Beamten, deren Pension laut Statistischem Bundesamt durchschnittlich bei 3.160 Euro brutto liegt, kommen Rentner im Durchschnitt deutlich schlechter weg.

Ein weltweiter Vergleich der Durchschnittsrentner der OECD aus dem Jahr 2019 zeigte, dass Deutschland auf europäischer Ebene nur Platz 22 belegt und damit weit hinter dem Rentenniveau der Türkei (93,8 Prozent), Italien (91,8 Prozent), Luxemburg (90,1 Prozent) und Österreich (89,9 Prozent) zurücklag.

Rentenniveau sinkt weiter

Doch mit den 49,4 Prozent ist die unterste Grenze des Rentenniveaus noch nicht erreicht. Bis zum Jahr 2035 soll es stufenweise auf 45,8 Prozent (netto vor Steuern) sinken, heißt es im Rentenversicherungsbericht 2021.

Aus diesem Grund fordert der 2015 gegründete Verein für Direktversicherungsgeschädigte, dass dieser Missstand in der Rentenpolitik endlich beendet wird. Als Lobbyverband setzt sich die gemeinnützige Interessenvertretung für eine Gesetzesänderung und die Belange der Rentner ein. Rund 4.000 Mitglieder zählt der Verein, bei dem vor allem Aufklärung ganz oben steht. Denn auch die nachrückenden Generationen müssen um die Renten-Politik wissen, findet Korth. Die Angst vor der Armut habe inzwischen auch die Mittelschicht erreicht.

Dieser Artikel erschien zuerst in der Epoch Times Wochenzeitung, Ausgabe Nr. 64, vom 1. Oktober 2022.

 



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