Der rosa Vordruck hat ausgedient – Freud und Leid des E-Rezepts

Keine Zettelwirtschaft, einfache Handhabung. Die Vorteile des E-Rezepts liegen scheinbar auf der Hand. Doch ganz so einfach, wie es sich anhört, ist die flächendeckende Umsetzung des E-Rezepts zum 1. Juli nicht.
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Nach dem gelben Krankenschein hat nun auch der Rosa-Vordruck für Rezepte ausgedient.Foto: Adam Berry/Getty Images
Von 1. Juli 2023

„Wenn Sie Geld überweisen, füllen Sie dann noch einen Überweisungszettel aus und bringen ihn zur Bank? Warum bringen wir dann noch Papierrezepte zu unseren Apotheken?“ Mit diesen Worten wirbt das Bundesministerium für Gesundheit für das elektronische Rezept, kurz E-Rezept, das ab dem 1. Juli bundesweit verfügbar sein soll. Damit höre nicht nur die „Zettelwirtschaft“ auf, sondern sorge für vereinfachte Abläufe bei Ärzten und in Apotheken. Doch es gibt auch Kritik.

Bereits seit Sommer 2022 werden E-Rezepte in Deutschland ausgestellt. Ab 1. September 2022 war deren Einlösung in Apotheken und die Abrechnung mit der Krankenkasse möglich.

Statt des rosafarben Vordrucks, der üblicherweise vom Arzt an den Patienten übergeben wurde, werden die Rezeptinformationen auf einem sicheren Server abgespeichert, erklärt IT-Spezialist Johannes Pleil von der AOK Plus. Auf diesen könnten nur Ärzte und Apotheker zugreifen. Wenn der Patient dann zur Apotheke geht, wird das Rezept dort mithilfe der elektronischen Gesundheitskarte (eGK) abgerufen. Die Eingabe einer PIN ist nicht nötig.

 „Katastrophale“ Kommunikation mit Gesundheitsministerium

Wie die Kassenärztliche Bundesvereinigung (KBV) auf Twitter mitteilte, bestehe zwar ab 1. Juli grundsätzlich die Möglichkeit, das E-Rezept über die elektronische Gesundheitskarte in der Apotheke einzulösen, aber das gehe nur, wenn diese mit der notwendigen Technik ausgerüstet sind. Die Kassenärztliche Vereinigung Berlin kommentierte dies mit den Worten:

„Stimmt! Auch wenn das E-Rezept ab morgen über die eGK theoretisch eingelöst werden kann, lief die Kommunikation seitens des BMG [Bundesministeriums für Gesundheit] katastrophal.“ Die Praxisverwaltungssysteme würden nicht überall die Funktion gewährleisten und viele Apotheken hätten auch noch nicht die notwendige Technik. Bis Ende Juli solle das E-Rezept jedoch bei rund 80 Prozent der Apotheken einlösbar sein.

Laut MDR ist bislang nur jede fünfte Arztpraxis für das E-Rezept ausgerüstet.

Pro und Contra von Ärzten und Apotheken

Der Schneeberger Allgemein- und Notfallmediziner Georg Illing sieht gleich mehrere Vorteile im E-Rezept. Einerseits sei es bequemer für den Patienten, andererseits werde die Verordnungssicherheit durch das E-Rezept erhöht.

Skeptisch sieht es Hausarzt Christoph Lembens aus Mainz. Auch wenn aus seiner Sicht langfristig kein Weg an dem E-Rezept vorbeiführe, bleibe noch die Frage, ob die Technik einwandfrei funktioniere. „Wir haben zum Beispiel nach Monaten noch immer Probleme mit der elektronischen Arbeitsunfähigkeitsbescheinigung“, kritisiert der Mediziner, der die Einführung des E-Rezepts als „Hauruck-Verfahren“ bezeichnete.

Technische Probleme gibt es auch bei der Bremer Apothekerin Adelheid Drünert. Theoretisch könne sie E-Rezepte einlösen. „Es gibt bloß ab und zu immer noch Übertragungsprobleme, dass dann irgendwas wieder nicht funktioniert“, schildert Drünert.

Aus Sicht des Apothekers Andreas Schädlich aus Schneeberg hingegen punktet das E-Rezept. Das zuweilen schwierige Entziffern der verordneten Medikamente aufgrund der schweren Lesbarkeit gehöre endlich der Vergangenheit an. Außerdem könne das E-Rezept im Vergleich zu dem früheren Vordruck nicht mehr nass werden oder verloren gehen.

Kritiker geben zu bedenken, dass es keine Rückfalllösung gibt, wenn das Internet einmal ausfällt. Ebenso könne die Chipkarte verloren gehen, sodass ein Dritter das Rezept einlösen könne. Insoweit solle man bei Verlust umgehend seine Krankenkasse informieren.

Mehr Aufwand als Nutzen?

Marcel Weigand, Digital-Experte bei der Unabhängigen Patientenberatung Deutschland, sieht noch weitere Aspekte, die es zu verbessern gilt. So sei zwar der elektrische Medikationsplan der Versicherten auf ihrer elektronischen Gesundheitskarte hinterlegt, wenn es jedoch zu Änderungen komme, werde der Datensatz auf der Chipkarte nicht automatisch aktualisiert. In einem medizinischen Notfall könnten die Ärzte dann mit veralteten Informationen agieren – „eventuell zum Schaden des Patienten“, so Weigand.

Des Weiteren könne der elektronische Medikationsplan nur in die elektronische Patientenakte kopiert, aber dort nicht verändert werden. Es werde dem Patienten auch die Möglichkeit genommen zu prüfen, ob frei verkäufliche Medikamente mit den verordneten zu gefährlichen Wechselwirkungen führen können.

Die Patienten hätten derzeit keine Lesemöglichkeit der im E-Rezept verordneten Medikamente – „wenn wir aber vom mündigen Patienten und patient empowerment [Ermächtigung der Patienten] sprechen, müssen wir den Menschen mehr Transparenz und Einblick in ihre eigenen Gesundheitsdaten gewähren“, schildert Weigand.

Im Rahmen der E-Rezept-App sei auch kein Abgleich des elektronischen Medikationsplans, des Notfalldatensatzes und der elektronischen Patientenakte möglich. „Im Ergebnis hat ein Patient vier verschiedene Informationen zu seiner Medikation. So kann die Arzneimitteltherapiesicherheit kaum verbessert werden“, kritisiert der IT-Fachmann.

Statt eine Abholung des E-Rezepts mittels elektronischer Versichertenkarte gebe es noch andere Ansätze, wie man die Sicherheit der Arzneimitteltherapien verbessern könne. Das zeige ein Blick ins Ausland, so Weigand. Dort würden Patienten die Medikamente mit ihrer Versichertenkarte oder Personalausweis in der Apotheke abholen. „Eine E-ID wäre dafür nicht notwendig.“

Dass bereits die Einführungsphase mehr als schleppend verlaufen ist, geht aus den Zahlen des Deutschen Hausärzteverbands hervor. Seit den ersten Testläufen vor zwei Jahren wurden nur 2,16 Millionen E-Rezepte eingelöst. Jährlich stellen Arztpraxen jedoch rund 450 Millionen Rezepte aus. Ab 2024 soll es nur noch E-Rezepte geben.

Ausnahmen vom E-Rezept

Laut Barmer sind Ärzte derzeit grundsätzlich verpflichtet, den Patienten ein E-Rezept auszustellen. Nur in Ausnahmefällen soll die Papierform möglich sein, die dann als 2D-Code ausgedruckt wird. Verordnungen hingegen, die unter das Betäubungsmittelgesetz fallen, sind ebenso wie „echte“ Rezepte, die mit der Herstellung eines Medikaments verbunden sind, vom E-Rezept ausgenommen.

Moment gibt es das E-Rezept nur für gesetzlich Krankenversicherte, für Privatversicherte soll dies erst in der Zukunft umgesetzt werden.



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