Ökonomie und Medizin: Warum Ärzte endlich öffentlich protestieren – Gelbe Karte für ökonomisierte Gesundheits-Politik

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Die Gelbe Karte gegen die ökonomisierte Gesundheitspolitik zeigten Ärzte, Psychologen, Physiotherapeuten und PflegefachkräfteFoto: Deutsche Schmerzgesellschaft
Von 4. November 2014

500 „Gelbe  Karten“ – die sonst nur im Fußball übliche Verwarnung – werden mit persönlicher Unterschrift an Gesundheitsminister Gröhe geschickt. Im Interesse ihrer Patienten und getrieben vom eigenen Gewissen um die ethischen Standards, unter denen sie einmal zum Wohle der Patienten angetreten sind, gab es am Wochenende einen bemerkenswerten Protest beim Präsidentensymposium des Deutschen Schmerzkongresses 2014 in Hamburg.

Der Kongress widmete sich in diesem Jahr mit der „Ökonomisierung ärztlichen Handelns“, einem besonders brisanten Thema, und endete in dieser bemerkenswerten Aktion. Ärzte, Psychologen, Physiotherapeuten und Pflegefachkräfte zeigten der Politik die „Gelbe Karte“ und warnen eindringlich vor den Folgen der ökonomisierten Medizin.

Immer häufiger geraten besonders Ärzte in Situationen, in denen ökonomische Vorgaben und ureigene ärztliche Entscheidungen miteinander konkurrieren, heißt es dazu in einer Presseerklärung der Deutschen Schmerzgesellschaft.

Werden die Qualität der Patientenversorgung und das vertrauensvolle Arzt-Patienten-Verhältnis ernsthaft bedroht? Geht es nur noch um Abrechenbarkeit und Fallpauschalen? Professor Giovanni Maio, einer der führenden Medizinethiker unserer Zeit, und Dr. Rolf Malessa, einer der beiden Präsidenten des Kongresses, analysierten diese Fragen.

Maio entlarvte die Konsequenzen einer ökonomisierten Medizin als systematische Aberziehung ärztlicher Tugenden. Eine erschütternde Feststellung in einem eigentlich reichen Land.

Anschließend wurde Malessa in seinen Ausführungen ungewöhnlich deutlich: gerade in der Schmerzmedizin offenbare sich exemplarisch die ganze Misere. Hier erhielten chronisch kranke Patienten mit hohem Leidensdruck häufig eine Unzahl von diagnostischen und therapeutischen „abrechenbaren medizinischen Leistungen“, oft ohne vorausgehende gründliche körperliche Untersuchung und ausführliche Beratung. Die Folge seien häufig auch Operationen, zum Teil sogar mehrfach hintereinander, trotz fragwürdiger Indikation. Die ökonomisierte Medizin manipuliere aber nicht nur Chirurgen, sondern alle Ärzte.

Der Gesundheitsmarkt mit Renditeaussichten

Vielleicht macht gerade die Schmerzmedizin die Ärzte besonders sensibel für schmerzhafte Prozesse innerhalb der Medizin, die unter dem vermeintlichen Druck der Finanzierbarkeit stattfinden, und die doch eher eine Frage der Gewinnmaximierung privater Investoren betreffen. „Einen Gesundheitsmarkt zu schaffen unter Beteiligung der Privatwirtschaft, war und ist natürlich ohne Renditeaussichten von 15 Prozent und mehr ‚verständlicherweise‘ nicht zu haben.“ Das stellte Malessa in seinem Vortrag mit unüberhörbarem Sarkasmus fest.

Er nannte auch Ross und Reiter: „Wer aber ist dafür verantwortlich, dass Geschäftsführungen ohne jegliche medizinische Fachkenntnis in diesem Gesundheitssystem überhaupt die Gelegenheit bekommen, derart autark in die Patientenversorgung einzugreifen?"

"Verantwortlich dafür ist eine Gesundheitspolitik, die bis heute eine zunehmende Ökonomisierung der Medizin zulässt, ohne gleichzeitig dafür zu sorgen, dass grundsätzlich Eingriffe in die Patientenversorgung nur unter direkter ärztlicher Verantwortung oder gewichtigem ärztlichen Mitbestimmungsrecht erfolgen dürfen."

"Das nenne ich fahrlässig!, liebe Kolleginnen und Kollegen!"

"Wirtschaftliche Medizin war das gute Ziel, aber die Ökonomisierung der Medizin wurde das Produkt.“

Malessa warb dafür, den Patienten und der gesamten Bevölkerung diese unangenehmen und durchaus selbstkritischen Wahrheiten offen mitzuteilen. Damit und dadurch wolle er belegen, dass Ärzte das in sie gesetzte Vertrauen tatsächlich verdienen.

Seiner Aufforderung, als Ausdruck dieser Absicht, der Politik die „Gelbe Karte“ zu zeigen, folgte das Auditorium mit überwältigender Mehrheit über alle Fachgrenzen hinweg.

Die sehr deutliche Rede mit statistischen Zahlen von Dr. Rolf Malessa, Chefarzt der Klinik für Neurologie und Klinische Neurophysiologie des Sophien- und Hufeland-Klinikum Weimar, kann man HIER LESEN



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