mRNA im Nasenspray soll Erkältungen verhindern

Ein mRNA-haltiges Nasenspray soll Menschen vor Erkältungen schützen. Das in Deutschland entwickelte Medikament ist jetzt in der klinischen Testphase.
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Ein neues mRNA-haltiges Nasenspray soll virale Infektionen verhindern oder abmildern.Foto: iStock
Von 18. Januar 2024

Die Firma Ethris in Planegg bei München entwickelt ein mRNA-basiertes Nasenspray, das vor viralen Infektionen schützen soll. Dadurch könnten schwere Erkältungen und ernsthafte Erkrankungen verhindert werden. Nach eigenen Angaben führt Ethris gegenwärtig eine klinische Phase-I-Studie mit 88 Teilnehmern in Großbritannien durch. Dabei wird Sicherheit und Verträglichkeit des neuen Wirkstoffs am Menschen überprüft.

Einer der Mitbegründer des Biotechnologieunternehmens ist Dr. Carsten Rudolph. Gegenüber der „Welt“ erklärte er, dass eine wöchentliche Anwendung des Nasensprays nicht nur vor Corona-Infektionen schützen könne. Auch andere Atemwegsviren würden durch den Einsatz des Nasensprays bekämpft. Zielgruppen für das neue Präparat seien Personen mit einem geschwächten Immunsystem, darunter insbesondere auch ältere Menschen.

Im Grundsatz basiert das Produkt mit der Bezeichnung ETH47 auf einem ähnlichen Konzept wie die COVID-19-Impfstoffe von Pfizer oder Moderna: Es verpackt eine Nukleinsäure, nämlich die mRNA, die Informationen für ein bestimmtes Gen enthält, in Lipidnanopartikel, um sie in Körperzellen zu transportieren. In den Zellen fungiert die mRNA dann als Bauplan für Proteine, die von den Zellen selbst hergestellt werden.

Chemische Modifikationen verlängern Haltbarkeit der mRNA

Ethris hat einen innovativen Ansatz entwickelt, um ihren Wirkstoff nicht mehr durch Injektion, sondern durch die Anwendung eines Nasensprays zu verabreichen. Diese Methode vereinfacht die Anwendung erheblich, wodurch eine eigenständige und regelmäßige Nutzung auch bei Kindern und älteren Personen in Betracht gezogen werden könne. Ähnlich wie bei herkömmlichen Nasensprays wird das Medikament über einen Sprühmechanismus auf die Schleimhaut der Atemwege aufgebracht.

Die neue RNA-Technologie von Ethris setzt als Wirkstoff modifizierte mRNA ein, die durch chemische Veränderungen stabilisiert wurde. Gemäß Angaben des Unternehmens erfolgt dadurch ein verlangsamter Abbau der mRNA, die gleichzeitig weniger Immunreaktionen auslösen soll. Ein weiterer Vorzug dieser Technologie bestehe darin, dass das RNA-Produkt auch bei höheren Temperaturen gelagert werden könne.

Der Einsatz chemisch modifizierter mRNA bilde eine entscheidende Grundlage für die COVID-19-Impfungen. Die Forscher Katalin Karikó und Drew Weissman wurden kürzlich mit dem Nobelpreis für Medizin für ihren Beitrag zu dieser Entwicklung ausgezeichnet. Jedoch zeigte sich erst nach dem weltweiten Einsatz dieser neuen Technologie, dass diese chemischen Manipulationen der mRNA nicht nur deren Haltbarkeit im Körper erheblich steigerten, sondern auch zu unerwarteten Fehlern bei der Proteinsynthese führen können.

Neue Wege der mRNA-Medikamente

Bei konventionellen Impfungen werden abgetötete oder abgeschwächte Erreger oder aber einzelne Proteine eingesetzt, die eine schützende Immunreaktion hervorrufen sollen. Bekanntermaßen enthielten die Wirkstoffe von Pfizer und Moderna mRNA-Moleküle, die als Bauanleitung für das virale Spike-Protein dienten. Dieses in den Zellen produzierte Spike-Protein soll spezifische Immunzellen aktivieren und so eine schützende Immunität gegen SARS-CoV-2 induzieren.

Im Gegensatz dazu enthält die mRNA im Nasenspray von Ethris keine Anleitung für virale Proteine, sondern für körpereigene Botenstoffe, sogenannte Interferone. Das sind Signalmoleküle, die Zellen dazu anregen, sich gegen virale Infektionen zu verteidigen. Als Reaktion auf eine Virusinfektion produzieren verschiedene Zellen des Immunsystems sowie bestimmte Zellen in den Schleimhäuten solche Interferone. Dadurch kann die Virusvermehrung unterdrückt werden und Immunzellen können dazu angeregt werden, durch Viren infizierte Zellen abzutöten.

mRNA-Nasenspray ist keine Impfung

Aufgrund seines Wirkmechanismus ist die Anwendung des Nasensprays von Ethris keine Impfung. Vielmehr handelt es sich um eine antivirale Therapie, die darauf abzielt, das Immunsystem generell zu aktivieren, um verschiedene Virusinfektionen zu verhindern oder sie bereits in einer frühen Phase abzumildern.

Gemäß einer EU-Richtlinie aus dem Jahr 2009 gilt ein Wirkstoff, der eine Nukleinsäure, sei es DNA oder RNA, enthält, als gentherapeutisches Medikament. Die einzige Ausnahme bilden Impfstoffe, die eine Immunität gegen Infektionserkrankungen herbeiführen. Aufgrund dieser Ausnahmeregelung waren für die Zulassung der mRNA-Impfstoffe gegen COVID-19 beispielsweise weder Genotoxizitäts- noch Karzinogenitätsstudien erforderlich. Eine schädigende Wirkung auf das Erbgut und ein Risiko für die Entstehung von Krebs wurde also nicht geprüft.

Das Nasenspray von Ethris erfüllt jedoch nicht die bisher gültige Definition einer Impfung. Es zielt nämlich nicht darauf ab, eine spezifische Aktivierung des Immunsystems gegen einen bestimmten Erreger zu induzieren. Stattdessen wird eine breite antivirale Aktivität des Immunsystems angeregt. Daher muss ETH47 als gentherapeutisches Medikament eingestuft werden und unterliegt entsprechend strengeren Zulassungsanforderungen als die Impfstoffe auf mRNA-Basis.

Prophylaktische antivirale Therapien für vulnerable Gruppen

Wegen zahlreicher auftretender Nebenwirkungen herrscht inzwischen Zurückhaltung, bestimmte Interferone als Therapie gegen Infektionen einzusetzen. Im Gegensatz zu bisherigen Strategien soll das von Ethris bevorzugte Interferon-Lambda allerdings weniger Nebenwirkungen auslösen als die bisher verwendeten Interferone vom Typ Alpha oder Beta.

Die prophylaktische oder sehr frühe Anwendung antiviraler Medikamente gegen Atemwegserkrankungen bei besonders gefährdeten Personen wird unter Fachleuten und Medizinern intensiv diskutiert. Die Befürworter argumentieren, dass die Virusvermehrung bereits einsetzt, bevor schwere Erkältungssymptome auftreten. Bei Menschen mit geschwächtem Immunsystem könnte demnach eine Therapie nach Ausbruch der Erkrankung vielleicht zu spät sein, so die Warnung.

Nach einer Studie im „New England Journal of Medicine“ konnte eine frühe Behandlung mit Interferon-Lambda die Häufigkeit von Krankenbehandlungen unter COVID-19-Patienten signifikant reduzieren. Eine Übersicht verschiedener Studien, die einen möglichen klinischen Effekt von Interferonen gegen COVID-19 untersuchten, konnte hingegen keinen eindeutigen Nutzen derartiger Therapien feststellen.

Gerade im Zusammenhang mit COVID-19-Infektionen wurden auch mögliche negative Effekte von Interferon-Lamda beobachtet. So wurde zum Beispiel festgestellt, dass die Sterblichkeit von COVID-19-Patienten mit erhöhten Interferon-Lambda-Werten einhergeht. Im Tierversuch hat die Bildung des Botenstoffes auch zu Schäden an den Lungenzellen geführt, wodurch die Anfälligkeit für Infektionen sogar erhöht wurde.

Regelmäßige Gentherapie in Selbstbehandlung

Auch in anderer Hinsicht stellt das mRNA-Nasenspray eine neue Richtung bei der Medikamenten-Entwicklung dar. Alle bisher zugelassenen gentherapeutischen Medikamente richten sich gegen schwere Erkrankungen und werden entsprechend nur unter ärztlicher Aufsicht angewendet. Das Nasenspray von Ethris hingegen ist für die unkomplizierte und regelmäßige Anwendung durch Patienten auch ohne ärztliche Überwachung konzipiert.

Dabei ergeben sich eine Reihe neuer Fragen. Bei der Verwendung von Nasensprays kommt es zu einer hohen Variabilität hinsichtlich der inhalierten Wirkstoffe. Wie genau eine Dosierung der in Aerosolen verabreichten mRNA unter diesen Voraussetzungen sein kann, ist schwer abzuschätzen. Es dürfte aber sicher sein, dass abhängig von der individuellen Handhabung auch das Lungenvolumen der Patienten einen Einfluss auf die jeweils verabreichte Wirkstoffmenge hat.

Es bleibt auch noch vollkommen unklar, welche Auswirkungen eine regelmäßige Anwendung des gentherapeutischen Medikaments oder die dadurch wiederkehrende zwangsweise Bildung von Interferon-Lambda haben wird. Mögliche Risiken durch die kontinuierliche Verabreichung von Lipidnanopartikeln über die Atemwege sind bisher weitgehend unerforscht. Vorstellbare Risiken wären auch unerwünscht auftretende Immunreaktionen gegen den eingesetzten Wirkstoff.

Studien, die eine Beurteilung von Wirksamkeit oder möglichen Nebenwirkungen des mRNA-Nasensprays erlauben würden, sind bisher nicht veröffentlicht. Eine Anfrage zu bisher gesammelten Erkenntnissen über pharmakologische Aspekte oder mögliche immunologische Reaktionen nach Anwendung von ETH47 ließ Ethris bislang unbeantwortet. Nach Abschluss der klinischen Phase-I-Studie, deren voraussichtliche Dauer vermutlich einige Monate beträgt, dürfte es möglich sein, zumindest einen Teil dieser kritischen Punkte zu klären.



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