Cholesterin: Gesundheitsrisiko oder medizinische Fehlinterpretation?

Ein zu hoher Spiegel an Cholesterin steigert das Risiko für Herzinfarkte und Schlaganfälle. Dieser Standpunkt hat sich für einige Menschen als grundlegende Ernährungsrichtlinie etabliert. Allerdings postulieren immer mehr Ärzte und Forscher, dass es sich bei „schlechtem" Cholesterin möglicherweise um eine medizinische Fehlinterpretation handelt.
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Cholesterintest. Symbolbild.Foto: iStock
Von 31. Juli 2023

Fleisch, Eier und Butter: Wer seinen Cholesterinspiegel senken möchte, sollte möglichst wenig von diesen Lebensmitteln konsumieren. So oder ähnlich steht es bei zahlreichen Ernährungsratgebern. Und warum sollte man Cholesterin senken? Seit Jahren gilt dieser Wert als maßgeblicher Indikator für das Risiko einer Reihe von Erkrankungen wie Herzkreislaufstörung und Arteriosklerose – einer Verkalkung der Arterien.

Einige Ärzte und Forscher sehen diesen Zusammenhang skeptisch. Jüngere Studien deuten darauf hin, dass ein hoher Cholesterinwert nicht zwangsläufig zu den befürchteten Gesundheitsproblemen führen muss. Andererseits beobachte man bei nicht wenigen Herzinfarktpatienten, dass sie einen völlig unauffälligen Cholesterinspiegel aufwiesen, erklärte Dr. James DiNicholantonio, Herz-Kreislauf-Forscher aus Kansas, USA, gegenüber der Epoch Times. Es dürfte sich also um ein komplexes Zusammenspiel von unterschiedlichen Faktoren handeln.

Denkbar sei auch, dass nicht das Cholesterin selbst, sondern vielmehr die Anzahl der Partikel, die dieses Fettmolekül zu den Zellen transportiert, einen höheren Risikofaktor darstellen. Es hat den folgenden Hintergrund: Da Cholesterin – ähnlich wie Fett – nicht in Wasser beziehungsweise in Blut löslich ist, muss es sich an wasserlösliche Proteine binden.

Aus der Verbindung entstehen sogenannte Lipoproteine. Diese werden in unterschiedliche Kategorien unterteilt. Dazu gehören das Low Density Lipoprotein (LDL) und das High Density Lipoprotein (HDL). Beide Typen enthalten das gleiche Cholesterin. Sie unterscheiden sich lediglich durch ihre Träger.

„Gutes“ und „schlechtes“ Cholesterin: Ein Mythos?

Wissenschaftler gehen davon aus, dass LDL-Cholesterin in die Blutgefäße eindringt und Atherosklerose verursachen kann, weshalb es weit verbreitet auch als „schlechtes“ Cholesterin bezeichnet wird.

Im Gegensatz dazu können HDL-Partikel in atherosklerotische Plaques eindringen. Dort absorbieren sie das eingeschlossene Cholesterin, was die weitere Bildung von Plaques verhindert und Herzerkrankungen vorbeugt. Daher gilt HDL-Cholesterin als „gut“.

Ernährungswissenschaftler Jonny Bowden hält die Unterscheidung zwischen „gutem“ und „schlechtem“ Cholesterin für nicht haltbar. Er und Dr. Stephen Sinatra diskutierten diesen Punkt in ihrem Bestseller „The Great Cholesterol Myth“ (zu Deutsch: Der große Cholesterin-Mythos).

Bowden verglich die Messung der LDL-Partikel mit dem Zählen von Autos im Straßenverkehr. Sind viele Fahrzeuge unterwegs, steigt das Risiko für Staus und Unfälle. Das Cholesterin hingegen sei vergleichbar mit den Passagieren, die in den Autos sitzen. Diese allein können kein vollständiges Bild von der Verkehrslage abgeben. Eine hohe Gesamtzahl von Passagieren könnte auf ein hohes Verkehrsaufkommen hinweisen, muss es aber nicht. Denn der Verkehr könne auch bei geringeren Passagierzahlen überlastet sein. Worauf es ankäme, sei die Anzahl der Autos – spricht die Anzahl der LDL-Partikeln.

Eine persönliche Beobachtung

Der Bestsellerautor gab ein persönliches Beispiel: „Mein LDL-[Cholesterin]-Wert lag bei 100, vielleicht 110 Milligramm/Deziliter, also sehr, sehr nahe am Idealwert“, erzählte Bowden. Doch als er die Anzahl seiner LDL-Partikel testen ließ, zeigte sich ein ganz anderes Bild. Trotz eines niedrigen LDL-Cholesterinspiegels hatte er viele kleine, dichte LDL-Partikel in seinem Blut, was auf ein hohes Risiko für Herz-Kreislauf-Erkrankungen hindeutete.

Bereits frühere Studien stützen seine Aussagen. Eine Analyse aus dem Jahr 2009 zeigt, dass hohe LDL-Cholesterinwerte bei 40 Prozent der Fälle auf ein höheres Risiko für Herz-Kreislauf-Erkrankungen hindeuteten. Betrachtet man jedoch die Konzentration von Apolipoprotein B – ein Bestandteil der LDL-Partikel –, zeigt sich bei 7 von 10 Fällen ein höheres Krankheitsrisiko.

Ein komplexes Zusammenspiel von Faktoren

Herz-Kreislauf-Erkrankungen können auch durch eine Vielzahl von anderen Faktoren verursacht werden. Dazu gehört unter anderem das Alter. Mit fortschreitendem Alter können die Blutgefäße und ihre Innenwände Schäden erleiden, die zu Entzündungen führen. Diese Entzündungen können wiederum den LDL-Partikelwert erhöhen und die Entwicklung von Atherosklerose begünstigen.

Auch die Insulinresistenz wird zunehmend als ein wichtiger Faktor erkannt. Sie steht in starker Verbindung mit Typ-2-Diabetes.

Kardiologe Dr. Robert Dubroff berichtete in diesem Zusammenhang von seiner Erfahrung: Vor einigen Jahren übernahm er einen Patienten, der trotz mehrfacher Herzoperationen und intensiver Medikation mit Statinen immer wieder Herzprobleme hatte. Er bemerkte, dass bei diesem Patienten andere wichtige Gesundheitsindikatoren – wie ein erhöhter Blutzuckerspiegel, Übergewicht und hohe Triglyceridwerte – ignoriert worden waren.

Dr. Dubroff empfahl dem Patienten daher, seinen Lebensstil zu ändern, indem er sich gesünder ernährte, Gewicht verlor und regelmäßig körperlich betätigte. Das Ergebnis war bemerkenswert. Obwohl sich der Cholesterinspiegel des Patienten nicht veränderte, blieb er in den folgenden zehn Jahren, in denen Dr. Dubroff ihn betreute, frei von weiteren Herzproblemen.

Mit Blick auf alle möglichen Ursachen für Herzkrankheiten stellte Professor Kevin Maki von der Indiana University fest: „Es ist nicht entweder oder, sondern sowohl als auch.“ LDL-Cholesterin, Partikelkonzentration und Insulinresistenz sind allesamt Faktoren. Nur durch die Beachtung all dieser Faktoren lässt sich das Risiko von Herzinfarkten und anderen Erkrankungen einschätzen.

Dieser Artikel erschien zuerst auf theepochtimes.com unter dem Titel „Bad Cholesterol May Not Be So Bad“ und ersetzt keine medizinische Beratung. Bei Gesundheitsfragen wenden Sie sich bitte an Ihren Arzt.



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