Rechtsprofessor Schwab: „Die Wahrheit auszusprechen, ist niemals ein Dienstvergehen“

Dr. Martin Schwab mit einer Replik auf das Urteil des Bundesverwaltungsgerichts gegen einen pensionierten Bundeswehroffizier. Dieser hatte scharfe Kritik an der Bundesregierung zu Beginn der Corona-Zeit geäußert. Das Gericht verurteilte ihn, weil er sich gegen die freiheitlich-demokratische Grundordnung betätigt hätte, und bewirkte eine Kürzung seiner Ruhestandsbezüge. Doch das Aussprechen der Wahrheit ist kein Dienstvergehen, argumentiert Schwab.
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Professor Dr. Martin Schwab arbeitet an der Fakultät für Rechtswissenschaft an der Universität Bielefeld.Foto: Stephan Kröker/Epoch Times
Von 3. Januar 2024

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Einer schärferen Gangart gegen Kritiker der Corona-Politik in Deutschland hat das Bundesverwaltungsgericht mit seinem im Juni 2023 gefällten Urteil den Weg geebnet. Das betrifft vorwiegend Staatsdiener – auch ehemalige – wie im vorliegenden Fall, den der Rechtsprofessor Dr. Martin Schwab in einem exklusiven Kommentar für Epoch Times analysiert:

Das Bundesverwaltungsgericht (BVerwG) verurteilte am 14. Juni 2023 (2 WD 11.22) einen pensionierten Bundeswehroffizier. Dessen „Vergehen“ war scharfe öffentliche Kritik an der Bundesregierung zu Beginn der Corona-Zeit. Das Urteil blendet wesentliche rechtlich relevante Aspekte aus. Allerdings scheint der Ex-Offizier auch unzulänglich verteidigt worden zu sein.

Angeklagter sprach von diktatorischen Corona-Maßnahmen

Was war passiert? Harte Worte hatte der angeklagte Hauptmann a. D. im April und Mai 2020 auf Facebook gewählt: Die Corona-Maßnahmen seien menschenrechtswidrig und diktatorisch. Für die Übergriffe der Polizei auf Corona-Demonstranten müsse man sich schämen; sie zeigten das Gesicht einer aufkommenden Diktatur.

Das Wort „Diktatur“ kommt in den zwölf beklagten Posts insgesamt sechsmal vor, davon einmal im Zusammenhang mit der „NWO“, einmal mit dem Attribut „weltweit geplant“ und einmal im Zusammenhang mit der Befürchtung, dass „Merkel uns in die nächste Diktatur führt“. Die Verängstigung der Menschen werde, so der Ex-Offizier, von den Machthabern für ihr Streben nach Herrschaft über die Menschen genutzt.

Die Medien befeuerten dies, indem sie die Menschen manipulierten. Der Ex-Offizier appelliert an die Reservisten der Bundeswehr, sie sollten sich versammeln und das Recht und die Freiheit des deutschen Volkes verteidigen, ja sogar jenes Volk aus der Sklaverei befreien.

Zweimal fällt das Wort „verarschen“. Vorgeworfen wird dies zum einen den gewählten deutschen Volksvertretern, zum anderen Bill Gates. Die Regierung Merkel gehöre vor einem Kriegsgericht ohne Pardon zur Rechenschaft gezogen.

Ruhestandsbezüge um zehn Prozent gekürzt

Der rechtliche Maßstab: Dafür verurteilte das BVerwG den Ex-Offizier zu einer Kürzung seiner Ruhestandsbezüge in Höhe von zehn Prozent. Rechtsgrundlage der Verurteilung ist § 23 Abs. 2 Nr. 2 Soldatengesetz. Danach ist es einem Offizier nach seinem Ausscheiden aus dem Wehrdienst untersagt, sich gegen die freiheitlich-demokratische Grundordnung zu betätigen. Nicht jede Kritik an der Regierung erreiche, so das BVerwG, schon diese Deutungshöhe. Denn „weder der Staat noch die Gesellschaft haben ein Interesse an unkritischen Beamten und Soldaten“.

Eine verbotene Betätigung liege andererseits nicht erst dann vor, wenn ein Ex-Offizier die Abschaffung verfassungsstaatlicher Grundprinzipien fordere. Vielmehr beziehe sich sein Treueverhältnis auch „auf den konkreten Verfassungsstaat, seine gegenwärtigen Institutionen und seine demokratisch legitimierten Repräsentanten“.

Aktive Beamte und Soldaten schuldeten daher dem Bundestag und der Bundesregierung Loyalität. Pensionierten Offizieren sei es demgegenüber lediglich verboten, sich feindselig gegen den konkreten Verfassungsstaat zu betätigen. Ein solches verbotenes Verhalten liege vor, wenn er jene Repräsentanten des Staates „diffamiert, ihnen die Legitimation abspricht, ihre Absetzung in verfassungswidrigen Verfahren fordert oder gar zum gewaltsamen Sturz auffordert“.

Für den Bereich der Streitkräfte bestehe darüber hinaus das „Verbot, eigeninitiativ unter Berufung auf eine (vermeintliche) Gefahr gegen die freiheitliche demokratische Grundordnung gegen die zur Feststellung dessen originär zuständige Bundesregierung tätig zu werden“.

BVerwG: Kritik ja, Delegitimierung nein

Vor dem Hintergrund der soeben dargelegten Maßstäbe ist das BVerwG zwar bereit, die scharfe Kritik des Ex-Offiziers an den Corona-Maßnahmen und an den polizeilichen Übergriffen zu akzeptieren. In diesem Zusammenhang lässt es ihm sogar die Bezeichnung „diktatorisch“ durchgehen – als Attribut der Corona-Politik. Auch die Presse dürfe hierbei in einen „verschwörungstheoretischen Kontext“ gestellt werden.

Persönliche Angriffe gegen die Politiker, die diese Maßnahmen verhängt haben, erklärt das BVerwG jedoch für unzulässig. Das gelte insbesondere für den Vorwurf, man lebe bereits jetzt beziehungsweise in naher Zukunft in einer Diktatur: Die vom Ex-Offizier behauptete Absicht, eine solche zu errichten, sei durch nichts belegt und stelle daher eine Diffamierung der damaligen Regierung Merkel dar.

Warum das so zu würdigen sein soll, beschreibt das BVerwG näher. Die Legitimation dieser Regierung werde infrage gestellt und deren Autorität untergraben, weil überzeugte Demokraten, die diesen Vorwurf ernst nähmen, sich die Frage nach einem Widerstandsrecht (Art. 20 Abs. 4 GG) stellen müssten. Die Forderung nach einem Kriegsgericht enthalte den Appell zum Sturz der Regierung außerhalb eines demokratischen Verfahrens; ein solches Gericht sei als Ausnahmegericht nach Art. 101 Abs. 1 Satz 1 GG unzulässig.

Die Vorstellung, es sei unter Ausnutzung der Verängstigung in der Bevölkerung geplant, die Menschen dauerhaft zu unterdrücken, und zu diesem Zweck wirkten Politik, Medien und Kapital zusammen, bezeichnet das BVerwG ausdrücklich als „Verschwörungstheorie“ – ohne zu definieren, was dieser Begriff eigentlich bedeutet.

Fehler von Gericht und Verteidigung

Die Idee, eine vom deutschen Volk gewählte Bundesregierung könnte die ihr verliehene Macht ausnutzen, um die Menschen dauerhaft zu unterdrücken, oder die Corona-Krise sei gar der Startschuss zur Errichtung einer weltweit geplanten Diktatur, sprengt die Vorstellungskraft des BVerwG.

Was aber ist, wenn der Ex-Offizier mit dieser Befürchtung tatsächlich recht hat? Was ist, wenn die Gefahr für die freiheitlich-demokratische Grundordnung tatsächlich von gerade jener Bundesregierung selbst ausgeht, die nach den Worten des BVerwG eigentlich dafür da ist, solche Gefahren abzuwenden?

Wendet sich der Ex-Offizier dann immer noch gegen die freiheitlich-demokratische Grundordnung oder verteidigt er sie nicht vielmehr?

Wie bewertet das BVerwG zum Beispiel das Planspiel „Event 201“, das kurz vor Ausbruch der Corona-Krise die Reaktion von Politik und Medien auf ein neuartiges Coronavirus simulierte (dazu näher Paul Schreyer, Chronik einer angekündigten Krise, 2020)?

Was sagt das BVerwG zum Szenarienpapier The SPARS Pandemic 2025-2028, das bereits 2017 an der Johns Hopkins University entstand? In jüngerer Zeit hat sich Stefan Magnet (Transhumanismus, 2022) mit dem möglichen Phänomen einer totalitären globalen Agenda beschäftigt.

Brigitte Röhrig (Die Corona-Verschwörung, 2023) bemüht sich um die Darlegung, dass – und wie – die Menschen in eine Impfung getrieben wurden, bei deren Zulassung die Behörden die Einhaltung fundamentaler Standards vermissen ließen.

Ungeist einer aufkommenden Diktatur

Nimmt das BVerwG solche Bücher zur Kenntnis, bevor es den Stab über einen Ex-Soldaten bricht, den die Sorge um Freiheit und Demokratie in unserem Land umtreibt? Was sagt das BVerwG zum Bericht des damaligen UN-Sonderberichterstatters für Folter, Nils Melzer, vom 29. März 2022 zur willkürlichen polizeilichen Gewaltanwendung auf Corona-Demonstrationen? – Und dazu, dass die Polizeipräsidentin von Berlin, wie Nils Melzer im „WELT“-Interview vom 19. April 2022 mitteilt, im Angesicht seines erschütternden Berichts nicht das geringste Störgefühl entwickelt?

Wie bewertet das BVerwG den Umstand, dass Angela Merkel vor jeder Ministerpräsidentenkonferenz eine Schar handverlesener Journalisten um sich versammelte und auf die Notwendigkeit harter Maßnahmen einschwor, die dann – wie bestellt – am Tag der jeweiligen Konferenz prominent proklamiert wurde? Und dass die Bundesregierung sich weigert, offenzulegen, welche Journalisten diesem erlesenen Kreis angehörten?

Wie bewertet das BVerwG die orchestrierte mediale Vernichtung des Kritikers Wolfgang Wodarg unmittelbar nach Angela Merkels Lockdown-Fernsehansprache vom 18. März 2020 (näher Martin Schwab, Meinungsfreiheit und wissenschaftlicher Diskurs in der Corona-Krise, 2020)?

Das willkürliche Niederknüppeln friedlicher Demonstranten und der organisierte Gleichklang von Politik und Medien atmen nicht den Geist von Freiheit und Demokratie. Sie atmen den Ungeist einer aufkommenden Diktatur. Genauso, wie es der Ex-Offizier formuliert hatte.

Unzulängliche Verteidigung des Ex-Soldaten

Allerdings zeigt sich hier, dass der Ex-Offizier vermutlich nur unzulänglich verteidigt wurde. Denn alles Vorstehende hätte mittels geeigneter Beweisanträge zu Gehör des BVerwG gebracht werden können. Derartige Anträge hätten, wenn sie gestellt worden wären, im Urteil dokumentiert werden müssen. Ein „Kriegsgericht“ wäre tatsächlich ein unzulässiges Ausnahmegericht.

Das BVerwG blendet aber eine mögliche Deutung dieser Äußerung aus: Welches vorhandene Gericht soll eines Tages das Corona-Unrecht aufarbeiten? In den Worten von Tobias Riegel (Nachdenkseiten vom 3. Juni 2021): „Es ist keine Instanz mehr übrig, die glaubwürdig (und mit wahrnehmbarer Reichweite) nun eine Intervention für eine Rückkehr zur Vernunft unterstützen könnte, ohne sich selber zu belasten.“ Die Forderung nach einem „Kriegsgericht“ ist vor diesem Hintergrund nicht mehr als ein Schrei der Verzweiflung.

Das Urteil des BVerwG ist ein schwerer Schlag für die Meinungsfreiheit. Aber es ist nicht deren Ende. Beamten und Soldaten ist bei ihrer öffentlich geäußerten Kritik zu raten, deren Tatsachengrundlage zu belegen. Denn die Wahrheit auszusprechen, ist niemals ein Dienstvergehen. Und wenn sich beweisen lässt, dass ein Politiker vorsätzlich die Unwahrheit sagt, dürfen auch Beamte und Soldaten ihn öffentlich der Lüge bezichtigen.

Ferner können Politiker, die selbst Andersdenkende verunglimpfen, ihrerseits keine Loyalität erwarten. Ein ungeimpfter Beamter oder Soldat durfte sich auch mit scharfen Worten öffentlich wehren, als Karl Lauterbach am 17. März 2022 im Bundestag verkündete, Ungeimpfte nähmen das ganze Land in Geiselhaft.

Dieser Beitrag stellt ausschließlich die Meinung des Verfassers dar. Er muss nicht zwangsläufig die Sichtweise der Epoch Times Deutschland wiedergeben.


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