Ampelstreit vorerst beigelegt: 2,4 Milliarden zum Start 2025

Das Budget für das erste Jahr der Kindergrundsicherung steht endlich fest: Nur 2,4 Milliarden Euro für das Prestigeprojekt von Familienministerin Lisa Paus wird der Bund erstmals 2025 bereitstellen. Paus zeigte sich trotzdem zufrieden. Ein Gesetzentwurf liegt noch nicht vor, Änderungen scheinen noch möglich.
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Das Hickhack um das Geld für die Kindergrundsicherung ab 2025 scheint beendet: Für Familien sollen ab 2025 2,4 Milliarden zusätzlich aus dem Bundeshaushalt fließen.Foto:  Julian Stratenschulte/Symbol/dpa
Von 28. August 2023

Noch vor der Ampelklausur in Meseberg ab dem 29. August haben Bundesfamilienministerin Lisa Paus (Grüne) und Bundesfinanzminister Christian Lindner (FDP) ihren Streit um die Finanzierung der Kindergrundsicherung beigelegt. Der Kompromiss war auf Druck von Kanzler Olaf Scholz (SPD) nach monatelangem, zähem Ringen in der Nacht zum 28. August per Dreierrunde im Kanzleramt vereinbart worden.

Noch liegt zwar kein fertiger Gesetzentwurf vor, die Frage nach dem Budget aber scheint geklärt. Demnach wird die Bundesregierung im ersten Leistungsjahr 2025 2,4 Milliarden Euro Steuergeld zur Verfügung stellen, um die Kinderarmut in Deutschland zu verringern – nur 0,4 Milliarden mehr, als Lindner vor dem Treffen als „Merkposten“ zur Debatte gestellt hatte.

Jährliche Ausgabensteigerungen zu erwarten

Die Kosten könnten nach Aussagen aus „Regierungskreisen“ in den Folgejahren allerdings auf bis zu sechs Milliarden Euro pro Jahr steigen – je nach „Inanspruchnahme der Leistungen“. Das berichtete die Zeitung „Welt“. Ob das den Haushalt der Ampelregierung noch betreffen wird, ist unklar: Im Herbst 2025 soll ein neuer Bundestag gewählt werden.

Nach Angaben von Finanzminister Lindner sind die finanziellen Möglichkeiten des Bundes für das Haushaltsjahr 2025 damit vorerst ausgeschöpft. Sein Zugeständnis von 400 Millionen an Lisa Paus erhöhe nun den „Handlungsbedarf“ weiter, erklärte der FDP-Chef bei einer Pressekonferenz am Vormittag. Lindner erteilte Hoffnungen auf mehr direkte Zuwendungen für sozial Schwache eine Absage:

Weshalb ich die Prognose wage, dass es sich bei der Kindergrundsicherung mit Blick auf die nächsten Jahre um die letzte größere Sozialreform handelt, die noch in den Haushaltsrahmen des Bundes passt.“

Lindner: Kein Anreiz, Arbeit zu vermeiden

Der Finanzminister stellte klar, dass das Vorhaben zugleich „keine generellen Leistungsverbesserungen für Eltern“ bedeuten werde, „die nicht erwerbstätig“ seien. Denn Arbeit sei der „beste Weg“, um „Armut zu überwinden“.

„Deshalb darf von einer Reform der sozialen Unterstützungsleistungen für Familien kein Anreiz ausgehen, nicht sich um Erwerbsarbeit, um Integration und Sprachkenntnisse zu bemühen“, mahnte Lindner.

Paus gibt sich „zufrieden“

Familienministerin Lisa Paus begrüßte die Einigung, obwohl ihre ursprünglichen Forderungen von jährlich bis zu zwölf Milliarden bei Weitem nicht erfüllt wurden. Auch ihre jüngsten Zielvorstellungen – mal war von 3,5 Milliarden die Rede, mal von einem Betrag zwischen zwei und sieben Milliarden Euro – wurden nun gerade mal knapp erreicht.

Paus erklärte sich trotzdem „zufrieden“: „Bis zu 5,6 Millionen armutsbedrohte Familien und ihre Kinder“ bekämen nun „Leistungen schneller, einfacher und direkter“; darunter „Millionen“, die vorher gar nicht wussten, dass sie ihnen zustehen würden. Damit sei die „umfassendste Sozialreform seit vielen Jahren“ gelungen.

Es seien „zum Teil […] wirklich sehr harte Verhandlungen“ gewesen, räumte Paus ein, doch diese hätten sich „gelohnt“. Nach Informationen des „Spiegel“ halte sie aber „einen noch größeren Schritt im Kampf gegen Kinderarmut für nötig“. Gegen den aktuellen Beschluss aber werde es ihrerseits keine Einwände mehr geben. Einzelheiten sollten nun innerhalb der Regierung abgestimmt werden.

SPD-Fraktion drängt auf Präzisierung

Bundessozialminister Hubertus Heil (SPD) lobte die Kindergrundsicherung während der Pressekonferenz als eine „große und wichtige Sozialreform“. „Dass jedes Kind die Chance erhält, aus seinem Leben etwas zu machen“, sei für ihn „eine Frage des Anstands“.

Rolf Mützenich, der Vorsitzende der SPD-Fraktion im Bundestag, sagte im ARD-„Morgenmagazin“ noch vor der Pressekonferenz, dass er „zuversichtlich“ sei, dass der Bundestag auch bald einen „belastbaren Gesetzentwurf“ zu sehen bekomme. Womöglich werde es im Parlament noch zu Änderungen kommen, kündigte Mützenich an: „Wir werden mit Sicherheit noch als selbstbewusstes Parlament, aber auch als selbstbewusste SPD-Fraktion das ein oder andere möglicherweise dann auch am Gesetzentwurf präzisieren“.

Saskia Esken, die Parteivorsitzende der SPD, lobte den Kompromiss zur Kindergrundsicherung mehreren Medienberichten zufolge in der „Rheinischen Post“ als einen „Meilenstein im Kampf gegen Kinderarmut in Deutschland“. Hierzulande lebe „jedes fünfte Kind in Armut“ oder sei „davon bedroht“. Ihnen mangele es „an vielem, was für andere selbstverständlich“ sei. Nun könnten die Kinder „Zukunftsmut fassen […], statt sich mit den finanziellen Sorgen ihrer Eltern herumzuplagen“, so Esken. Anfang April war die SPD-Chefin noch davon ausgegangen, dass der Bund Paus‘ Wünschen folgen und bis zu zwölf Milliarden pro Jahr locker machen würde.

Baerbock erfreut über „wichtigen Tag für Kinderrechte“

Außenministerin Annalena Baerbock (Grüne) lobte die Einigung nach Informationen des Onlineportals „Web.de“ als „wichtigen Systemwechsel“ im Kampf für die Unterstützung und die „Teilhabemöglichkeiten“ der Jüngsten: „Heute ist ein wichtiger Tag für Kinderrechte“. „Endlich werden Kinder, die in Armut aufwachsen, nicht mehr als kleine Erwachsene behandelt und aus dem Hartz-System geholt“, zitiert sie der „Spiegel“. In Zukunft werde „kein Kind […] mehr als Bittsteller behandelt“.

Viele Menschen könnte sich „nicht vorstellen, was es für einen Sechsjährigen bedeutet, zur Einschulung anders als alle anderen Kinder ohne Ranzen zu kommen, weil zu Hause das Geld nicht reicht und der Antrag auf Bildung und Teilhabe über Monate nicht entschieden wurde“, erklärte die Außenministerin. Dieses Problem werde sich „absehbar mit der Kindergrundsicherung zum Glück ändern“. Die neue Vereinbarung werde „perspektivisch“ außerdem der Entlastung von Verwaltungen zugutekommen. Das Kindergrundsicherungsgesetz werde auch Sinn für die „Volkswirtschaft [ergeben], die so dringend Fachkräfte“ brauche.

Linksfraktion und Verbände unzufrieden

Dietmar Bartsch, der Fraktionschef der Linken im Bundestag, bemängelte, dass sich Christian Lindner „auf ganzer Linie“ gegen Paus durchgesetzt habe. „Die Einigung der Ampel hat nichts mit der vernünftigen und notwendigen Idee einer Kindergrundsicherung zu tun“, zitiert ihn der „Spiegel“.

Ebenfalls deutlich negativ bewertete Sabine Andresen, die Präsidentin des Kinderschutzbundes, die Einigung. Es sei zwar gut, dass künftig der Anspruch für einen Kinderzuschlag für erwerbstätige Eltern automatisiert geprüft und die „schwierige Situation von Alleinerziehenden“ stärker berücksichtigt werden solle. „Darüber hinaus bleibt das Konzept aber mutlos und schafft nicht den erhofften Beitrag zu Bekämpfung der Kinderarmut“, sagte Andresen nach Informationen des „Spiegel“.

Auch für den Präsidenten des Deutschen Kinderhilfswerks, Thomas Krüger, sei der Kompromiss „nicht der erhoffte große Wurf, der die Kinderarmut in Deutschland umfassend und nachhaltig beseitigt“.

Hintergrund: Leistungen für Kinder einfacher bereitstellen

Die Kindergrundsicherung gehört zu den Prestigeprojekten der Ampelregierung, insbesondere von Familienministerin Paus. Mit einem neuen Gesetz sollen nach Angaben des „Deutschlandfunks“ (DLF) fünf bislang getrennt gehandhabte Leistungen zusammengefasst werden, nämlich:

  • Monatliches Kindergeld
  • Monatlicher Bürgergeld- oder Sozialhilferegelsatz für Kinder
  • Monatlicher einkommensabhängiger Kinderzuschlag
  • Monatlicher Zuschuss aus dem Bildungs- und Teilhabepaket
  • Halbjährliches Büchergeld für die Schule

Kindergeld wird zum „Kindergarantiebetrag“

Nach dem Willen von Paus sollte es einen Garantiebetrag für alle Kinder geben, in Art und Umfang ähnlich wie das bisherige Kindergeld. Diese Leistung soll deshalb in „Kindergarantiebetrag“ umbenannt werden. Abhängig vom Einkommen sollen bedürftige Familien außerdem Anspruch auf einen Zusatzbetrag haben.

Zentraler Punkt der Reform: Anträge sollen künftig deutlich einfacher und auch digital gestellt werden können. Als zentrale Anlaufstelle soll der „Familienservice der Bundesagentur für Arbeit“ zuständig sein. Die Behörden werden angehalten, potenzielle Empfänger aktiv auf ihre Möglichkeiten hinzuweisen. Das Gesetz soll ab dem 1. Januar 2025 greifen.

Unerwartetes Veto von Paus sorgte für zwei Wochen Ampelärger

Lisa Paus hatte Mitte August ihre Zustimmung zum „Wachstumschancengesetz“ des Finanzministers versagt, um mehr Geld für das Kindergrundsicherungsbudget herauszuschlagen. Ihr unerwartetes Veto hatte den Unmut großer Teile der Ampelregierung provoziert. Nun ist der Weg für die erste Hürde also frei: Die Kindergrundsicherung muss nun zunächst per Kabinettsbeschluss abgenickt werden, bevor es in den Bundestag geht. Auch dem „Wachstumschancengesetz“ steht zumindest innerhalb der Ampel nichts mehr entgegen.



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