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Nationale Gerichte zum Schweigen bringen

„Rechtsstaat“ auf Europäisch: Brüssel will Bundesverfassungsgericht entmachten

Das Bundesverfassungsgericht in Karlsruhe hat Bundesregierung und Bundestag jüngst bescheinigt, das EZB-Urteil vom Mai des Vorjahres umgesetzt zu haben. Die EU-Kommission will die Infragestellung des EuGH dennoch mittels eines Vertragsverletzungsverfahrens ahnden.

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Der Europäische Gerichtshof.

Foto: iStock

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Lesedauer: 4 Min.

Im Mai dieses Jahres hat das Bundesverfassungsgericht zwei Anträge auf Erlass einer Vollstreckungsanordnung für unzulässig erklärt, die auf eine gerichtliche Überprüfung des Staatsanleihen-Kaufprogramms (PSPP) der Europäischen Zentralbank (EZB) gerichtet waren. Bundesregierung und Bundestag, so die Richter, hätten das Urteil des Höchstgerichts in Karlsruhe vom Vorjahr ordnungsgemäß umgesetzt, so die Begründung.
Zufrieden zeigte sich die Europäische Kommission über diesen Persilschein für die Zentralbank jedoch nicht. Aus ihrer Sicht stellte es bereits einen unzulässigen Schritt vonseiten des Bundesverfassungsgerichts dar, eine Vorabentscheidung des Europäischen Gerichtshofs (EuGH) überhaupt auf Konformität mit der deutschen Verfassung zu kontrollieren.

Bundesverfassungsgericht besorgt um die Haushaltshoheit

Deshalb will die Kommission unter Ursula von der Leyen jetzt ein Vertragsverletzungsverfahren gegen Deutschland einleiten – um dem deutschen obersten Gericht ein für alle Mal die Lust zu rauben, von seiner Normenkontrollbefugnis einer unabhängigen Verfassungsgerichtsbarkeit an der aus Sicht Brüssels falschen Stelle Gebrauch zu machen.
Mittels des Verfahrens will Brüssel erzwingen, dass deutsche Gerichte künftig nicht mehr dem Gedanken nähertreten, europäisches Recht im Allgemeinen und EuGH-Urteile im Besonderen auf Vereinbarkeit mit der deutschen Verfassung zu prüfen. Es solle nationalen Höchstgerichten der Mitgliedstaaten nicht mehr zustehen, dem EuGH zu bescheinigen, das Gebaren der EZB nicht ausreichend kontrolliert und bestehende Kompetenzkonflikte zwischen nationalem und EU-Recht nicht berücksichtigt zu haben.
Das Bundesverfassungsgericht hatte damals argumentiert, die EZB sei nicht gewählt und agiere unabhängig. Dennoch würden, obwohl sich die EU nicht zu einem Bundesstaat entwickelt habe, dieser Institution über Konstruktionen wie PSPP oder Europäischen Stabilitätsmechanismus (ESM) erhebliche Befugnisse eingeräumt. Diese hätten potenziell so gravierende Auswirkungen auf die Haushalte der Mitgliedstaaten, dass deren souveräne Haushaltshoheit infrage gestellt werden könnte.

Nationale Gerichte zum Schweigen bringen

Die Spannungen, die sich aus dieser Praxis mit den Souveränitätsrechten der Mitgliedstaaten ergeben könnten, seien nicht in hinreichender Weise rechtstechnisch gelöst worden. Aus diesem Grund verlangte das BVerfG von der EZB im Mai des Vorjahres, binnen dreier Monate zu begründen, warum ihre Anleihekäufe „verhältnismäßig“ seien. Zudem wurde Bundesregierung und Bundestag aufgetragen, auf das Gebaren der EZB ein Auge zu werfen.
Sollte diesem Begehren nicht entsprochen werden, hätte das BVerfG feststellen können, dass es für eine weitere Beteiligung der Deutschen Bundesbank an der EZB-Politik der „Qualitativen Lockerung“ keine ausreichende verfassungsmäßige Grundlage gäbe. Von dieser ins Fenster gestellten Rute machte Karlsruhe am Ende nicht Gebrauch: Das BVerfG attestierte Bundestag und Bundesregierung, dem Begründungsauftrag in hinreichendem Maße nachgekommen zu sein.
Die EU-Kommission will dennoch nun ein Exempel statuieren und über das Vertragsverletzungsverfahren das Bundesverfassungsgericht für die Zukunft in Angelegenheiten, die auf europäischer Ebene schon eine Regelung erfahren hätten, zum Schweigen bringen. Auf diese Weise soll verhindert werden, dass Verfassungsgerichte anderer Mitgliedstaaten ebenfalls europäische Gestaltungsansprüche an den Vorgaben nationaler Verfassungen messen.

Recht brechen, um andere an möglichem Rechtsbruch zu hindern?

Vor allem befürchtet man, dass diese Praxis in Staaten wie Polen oder Ungarn Schule machen könnte – und damit solchen, denen aus Brüssel wiederholt vorgeworfen wird, Probleme mit dem Rechtsstaat zu haben und die Gewaltenteilung zu missachten. Um das zu verhindern, will Brüssel nun selbst die Gewaltenteilung in Deutschland außer Kraft gesetzt sehen: Diese verhindert bis dato nämlich, dass die Bundesregierung dem Bundesverfassungsgericht Vorgaben machen kann, wie seine Entscheidungen auszufallen hätten.
Die Kommission erklärt, es sei „die Sache der deutschen Staatsorgane, zu denen auch das Bundesverfassungsgericht gehört, die angemessene Antwort zur Behebung der Vertragsverletzung zu finden“. Am Ende muss aus Brüsseler Sicht in jedem Fall das Ergebnis stimmen. Manche Nutzer sozialer Medien sehen sich an die Ansage von Schutzgeldeintreibern an ihre Opfer erinnert, auf welche Weise auch immer bis zu einem genannten Stichtag den von ihnen geforderten Geldbetrag aufzubringen.
Reinhard Werner schreibt für die Epoch Times zu Wirtschaft, gesellschaftlichen Dynamiken und geopolitischen Fragen. Schwerpunkte liegen dabei auf internationalen Beziehungen, Migration und den ökonomischen Folgen politischer Entscheidungen.

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