Baerbock-Reise und Zuspitzung: Hisbollah schießt mit Panzerabwehrraketen auf israelische Wohnhäuser

Baerbock kündigte an, mit 15 Millionen Euro die reguläre Armee Libanons zu unterstützen. Ziel ist, „wirksam Kontrolle“ über die Grenze zwischen dem Libanon und Israel auszuüben – um die Hisbollah einzudämmen.
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Die deutsche Außenministerin Annalena Baerbock begleitet ihren libanesischen Amtskollegen Abdallah Bou Habib (r.) am 10. Januar 2024 in Beirut.Foto: JOSEPH EID/AFP über Getty Images
Von 10. Januar 2024

Während ihres Besuchs im Libanon rief Bundesaußenministerin Annalena Baerbock (Grüne) die schiitische Miliz Hisbollah und Israel dazu auf, den Konflikt nicht weiter zu eskalieren. Sie warnte davor, dass eine Ausweitung des Konflikts „eine Katastrophe für die beiden Länder“ wäre und betonte die Notwendigkeit einer umfassenden militärischen Zurückhaltung.

Einen Tag vor der Anhörung des Internationalen Gerichtshofs zu Genozid-Vorwürfen gegen Israel im Gaza-Krieg hat sich Baerbock hinter den Verbündeten gestellt. Sie sehe in Israels militärischem Vorgehen im Gazastreifen keine Absicht zum Völkermord, sagte die Grünen-Politikerin bei ihrem Besuch im Libanon.

Es sei Fakt, dass Völkermord per definitionem die Absicht voraussetze, Angehörige einer nationalen, ethnischen, rassischen oder religiösen Gruppe wegen ihrer Zugehörigkeit zu dieser Gruppe ganz oder teilweise zu vernichten. „Diese Absicht kann ich bei Israels Selbstverteidigung gegen eine bewaffnete Terrororganisation der Hamas nicht erkennen“, sagte die Grünen-Politikerin.

Israel muss sich erstmals wegen des Vorwurfs von Völkermord vor dem Internationalen Gerichtshof verantworten, Südafrika verklagte das Land. Um den Vorwurf zu belegen, ist es erforderlich, die Absicht zum Genozid nachzuweisen.

15 Millionen für die reguläre Armee

Zusätzlich kündigte die Ministerin in der libanesischen Hauptstadt Beirut an, Libanons Armee mit weiteren 15 Millionen Euro zu unterstützen. Der Wunsch nach einer Stärkung der libanesischen Armee sei von beiden Regierungen, denen Israels und des Libanon, an sie herangetragen worden, sagte Baerbock.

Von der Hisbollah forderte sie einen Rückzug aus der Grenzregion zu Israel, wie es von der UN-Resolution 1701 gefordert wird. Gleichzeitig formulierte sie Erwartungen an Israel und warnte davor, den Konflikt in Gaza mit der Hamas als Vorwand zu nutzen, um einen weiteren regionalen Krieg zu provozieren.

„Die libanesischen Streitkräfte müssen eine zentrale Rolle spielen können bei der Umsetzung der Resolution 1701“, sagte Baerbock. Die reguläre Armee müsse „wirksam Kontrolle“ über das Gebiet ausüben können, um „bewaffnete Milizen und Terrororganisationen einzudämmen“.

Die Pufferzone seit Ende 2006 ist eine Hochburg der Hisbollah

UN-Resolution 1701 sieht vor, dass Libanons Armee im Süden des Landes an der Grenze zu Israel eine demilitarisierte Zone errichtet und überwacht. Derzeit ist die Region eine Hochburg der Hisbollah. Die Pufferzone war mit dem Ende des zweiten Libanon-Krieges 2006 im Südlibanon eingerichtet worden.

Mit der Resolution wurde der Einsatz libanesischer Hisbollah-Milizen südlich des Litani-Flusses, dem Grenzgebiet zu Israel, verboten. Das libanesische Militär sollte im Südlibanon stationiert werden. Die israelischen Truppen wiederum mussten sich hinter die blaue Linie – die Grenze – zurückziehen.

Israel fordert den Rückzug der Hisbollah gemäß der Resolution 1701 nördlich des Litani-Flusses, der etwa 30 Kilometer von der Grenze entfernt liegt. Bisher hat die Hisbollah dem nicht zugestimmt.

Neu ist: Panzerabwehrraketen als Scharfschützenwaffe gegen Wohnhäuser

Die vom Iran unterstützte und mit der Hamas verbündete Hisbollah feuert aus dem Südlibanon täglich Geschosse auf Israel ab. Nach einem Bericht der israelischen Zeitung „Haaretz“ setzt die Hisbollah dabei ungewöhnlich viele Panzerabwehrraketen gegen Wohnhäuser ein.

Diese Waffen wurden eigentlich zur Bekämpfung gepanzerter Fahrzeuge entwickelt. Sie haben zwar nur eine relativ geringe Reichweite, können dafür aber sehr präzise ins Ziel gelenkt werden. Die Verwendung von Panzerabwehrraketen gegen Wohnhäuser, eingesetzt durch Scharfschützen, ist beispiellos. Es gibt bisher kaum eine Verteidigung dagegen.

Die israelische Armee habe große Probleme, diese Waffen abzufangen, schrieb die Zeitung weiter. Hunderte Häuser in den seit Wochen evakuierten grenznahen Orten in Nordisrael wie Metula, Manara oder Avivim seien bereits von Geschossen aus dem Libanon getroffen oder von den Druckwellen israelischer Artillerie beschädigt worden. Die Menschen hätten Angst und könnten nicht in ihre Heimatorte zurück.

Die gezielten Tötungen eines Hisbollah-Kommandeurs und des Hamas-Vizechefs im Libanon in den Tagen vor Baerbocks Besuch ließen die Furcht vor einer kriegerischen Eskalation wachsen. Die mit Iran verbündeten Terrororganisationen Hamas und Hisbollah eint das Ziel, Israel vernichten zu wollen.

UN-Beobachtermission UNIFIL stärken

In Beirut besuchte die deutsche Außenministerin die UN-Mission UNIFIL. Sie erklärte: „Je mehr Unterstützung die UN-Beobachtermission UNIFIL in diesen Zeiten erhält, desto effektiver können wir die libanesische Armee unterstützen, und umso stärker wird unser gemeinsamer Beitrag zur Deeskalation sein.“ Die Zusammenarbeit zwischen UNIFIL und der libanesischen Armee spiele eine zentrale Rolle.

UNIFIL überwacht bereits seit 1978 das Grenzgebiet zwischen Israel und dem Libanon und gilt als eine der ältesten aktiven UN-Beobachtermissionen.

Derzeit sind etwas mehr als 10.000 Soldaten an dieser Mission beteiligt, darunter etwa 200 deutsche Soldaten. Das Mandat erlaubt die Entsendung von bis zu 300 deutschen Soldaten. Libanon ist seit 2016 Partnerland der Ertüchtigungsinitiative der Bundesregierung.

Die zusätzlichen Maßnahmen werden sich hauptsächlich auf die militärische Infrastruktur konzentrieren. Dies soll die libanesische Armee in die Lage versetzen, ihre Verpflichtungen aus der UN-Sicherheitsratsresolution 1701 zu erfüllen.

Die 15 Millionen Euro sollen unter anderem für den Treibstoffkauf und mittelfristige Maßnahmen wie die Stärkung der Landgrenzüberwachung verwendet werden. Diese Aufstockung erfolgt in enger Abstimmung mit internationalen Partnern, insbesondere den USA, Frankreich und Großbritannien, und wurde auch mit Israel abgestimmt.

Diplomaten fürchten eine Ausweitung der Kämpfe auf andere Regionen

Die aktuellen Entwicklungen im Zusammenhang mit dem Gaza-Konflikt lassen Diplomaten besorgt sein, dass der Konflikt zwischen Israel und der Hamas im Gazastreifen auf die umliegende Region übergreifen könnte. Besonders der instabile Libanon gilt als gefährdet.

US-Außenminister Antony Blinken befindet sich derzeit ebenfalls in der Region. Ähnlich wie Baerbock rief auch er Israel zur Zurückhaltung im Umgang mit dem Libanon auf. Bei seinem Treffen mit Palästinenserpräsident Mahmud Abbas sicherte Blinken die Unterstützung der USA für konkrete Schritte hin zu einem palästinensischen Staat zu.

Blinken bestätigte die langjährige Position der USA, dass ein palästinensischer Staat neben Israel existieren sollte, „wobei beide in Sicherheit und Frieden leben“. Dies erklärte der Sprecher des US-Außenministeriums, Matthew Miller.

Blinkens Konvoi erreichte am 10. Januar Ramallah im besetzten Westjordanland, wo es Proteste gegen die Palästinenser und Blinken gab. Abbas bezeichnete den Gazastreifen als einen wesentlichen Teil des palästinensischen Staates und betonte, dass es inakzeptabel sei, die Pläne der Besatzungsbehörden zur Trennung oder Teilung des Gazastreifens zu akzeptieren.

Blinkens Reise führte bereits durch die Türkei, Saudi-Arabien, die Vereinigten Arabischen Emirate und Israel. Ein Vertreter des US-Außenministeriums gab an, dass Blinken überraschend am 10. Januar auch das Golfemirat Bahrain besuchen werde, um mit König Hamad über die Vermeidung einer regionalen Eskalation zu sprechen.

Großangriff der Huthi auf die Handelsschifffahrt

Die vom Iran unterstützten Huthi-Rebellen haben den jüngsten Großangriff im Roten Meer für sich reklamiert. In einer Mitteilung der militanten Gruppe hieß es, die Attacke sei eine Vergeltungsaktion für die Tötung mehrerer Kämpfer durch das US-Militär Ende Dezember.

Die Bundesregierung hat den Angriff der Huthi-Miliz im Jemen auf Schiffe im Roten Meer scharf verurteilt. Ein Sprecher des Auswärtigen Amtes äußerte sich dazu am Mittwoch in Berlin und erklärte: „Die Attacke stellte nach jetziger Kenntnis den umfangreichsten Angriff der Huthis auf den internationalen Schiffsverkehr seit Mitte Oktober dar.“

Er betonte weiter: „Die anhaltenden Angriffe zeigen, dass die Huthis klar auf Eskalation gegenüber der internationalen Handelsschifffahrt sowie gegenüber den Schiffen unserer Partner und Verbündeten in der Region setzen.“ Das sei „illegal, inakzeptabel und zutiefst destabilisierend“. Der Appell der Bundesregierung sei, dass die Angriffe sofort aufhören müssten.

Nimmt Deutschland an der Mission im Roten Meer teil?

In Bezug auf einen möglichen Marine-Einsatz im Roten Meer teilte der Sprecher mit, dass die EU-internen Prüfungen noch im Gange seien. Er fügte hinzu: „Als Bundesregierung stehen wir bereit, uns an einer Mission im Roten Meer zu beteiligen und sind dazu weiter im engen Kontakt mit dem Europäischen Auswärtigen Dienst und den anderen Mitgliedstaaten in der EU.“

Am Dienstag wurden nach Angaben der USA 18 Drohnen und drei Raketen bei dem Huthi-Angriff von Einheiten der USA und Großbritanniens abgefangen.

Großbritanniens Verteidigungsminister Grant Shapps drohte den Huthi-Rebellen mit Konsequenzen. Das Marineschiff „HMS Diamond“ habe gemeinsam mit US-Kriegsschiffen über Nacht den „bisher größten Angriff“ abgewehrt, teilte Shapps am Morgen auf der Plattform X mit. Es seien mehrere Angriffsdrohnen zerstört worden, die auf die „Diamond“ und auf Handelsschiffe zugesteuert seien.

Etwa zehn Prozent des gesamten Welthandels laufen über das Rote Meer. Der Suezkanal verbindet das Mittelmeer mit dem Roten Meer und bietet damit die kürzeste Verbindung auf dem Seeweg zwischen Asien und Europa. Die Alternativstrecke um das südafrikanische Kap der Guten Hoffnung verlängert die Transporte um zehn bis 14 Tage.

(Mit Material der Agenturen)

 



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