Iran: Staatstrauer und Drohungen – Auswärtiges Amt fordert zu sofortiger Ausreise auf

Im Nahen Osten wächst die Furcht vor einer Ausweitung des Gazakrieges. Im Iran kam es zu einem Anschlag, im Libanon wurde der Vize-Chef der Hamas getötet. Das Auswärtige Amt ruft alle trotz Reisewarnung im Libanon verbliebenen deutschen Staatsangehörigen auf, „auf schnellstem Wege auszureisen“.
Am Todestag des mächtigen iranischen Generals Ghassem Soleimani sind in dessen Heimatstadt Kerman bei zwei Explosionen mehr als 100 Menschen in den Tod gerissen worden.
Am Todestag des früheren iranischen Generals Soleimani sind in dessen Heimatstadt Kerman bei zwei Explosionen 95 Menschen getötet worden.Foto: Uncredited/Tasnim News Agency/AP/dpa
Epoch Times4. Januar 2024

Nach einem Bombenanschlag im Iran mit 95 Toten und der Tötung von Hamas-Vizechef Saleh al-Aruri im Libanon wächst die Furcht vor einer Ausweitung des Gazakriegs. Bei der Explosion zweier Bomben im südiranischen Kerman kamen am Mittwoch nach iranischen Staatsmedien 95 Menschen ums Leben, mehr als 210 weitere seien verletzt.

Derweil drohte die mit der Hamas verbündete pro-iranische Hisbollah im Libanon mit Vergeltung für die Tötung von al-Aruri am Vortag. Der Chef der libanesischen Hisbollah-Miliz Hassan Nasrallah sagte: „Wenn der Feind einen Krieg gegen den Libanon beginnt, werden wir uns an keine Regeln mehr halten.“

Bombenanschlag im Iran

Am 3. Januar kam es im Iran zu einem Bombenanschlag in der Nähe des Grabs von Kassem Soleimani. In der Stadt Kerman im Süden Irans, in der zahlreiche Menschen an den vierten Todestag des Generals erinnerten, ereigneten sich zwei Explosionen. Nach Berichten iranischer Staatsmedien seien 95 Menschen getötet worden, zunächst war von 103 Menschen die Rede. Die Explosionen ereigneten sich, als Menschenmassen durch die Straßen der Provinzhauptstadt zu Soleimanis Grabstätte pilgerten.

Der Anschlag vom Mittwoch ereignete sich in der Nähe der Saheb-al-Saman-Moschee, in der sich Soleimanis Grab befindet. Am Mittwochabend versammelte sich eine Menschenmenge am Anschlagsort und rief „Tod Israel“ und „Tod den USA“.

Die Führung in Teheran stufte den Anschlag als Terrorakt ein und erklärte den Donnerstag „zu einem Tag der öffentlichen Trauer im ganzen Land“. Zunächst reklamierte keine Gruppe die Tat für sich. Aufgrund der starken staatlichen Kontrolle der Medien im Iran wird die Glaubwürdigkeit der offiziellen iranischen Nachrichtenagentur Irna im In- und Ausland oft angezweifelt.

Iran kündigten entschiedene Reaktion an

Irans Staatsführung verurteilte die Attacke aufs Schärfste. Religionsführer Ajatollah Ali Chamenei und Präsident Ebrahim Raisi kündigten eine entschiedene Reaktion an.

„Mit Gottes Erlaubnis wird die Hand der göttlichen Rache zur rechten Zeit und am rechten Ort erscheinen“, schrieb Raisi auf X, ehemals Twitter. Innenminister Ahmad Wahidi veröffentlichte Erkenntnisse der ersten Ermittlungen, nachdem er die Anschlagsorte besucht hatte. Unter anderem seien die Überreste der beiden Sprengsätze untersucht worden, die im Abstand von nur wenigen Minuten detoniert waren.

Der iranische Präsident Ebrahim Raisi erklärte, es bestehe „kein Zweifel, dass die Urheber dieses feigen Akts bald identifiziert und bestraft werden“. Irans geistliches Oberhaupt Ayatollah Chamenei machte die „bösen und kriminellen Feinde der iranischen Nation“ verantwortlich und kündigte eine „scharfe Reaktion“ an.

US-Regierung: „In keiner Weise beteiligt“

Die USA haben jegliche Verantwortung für den Anschlag zurückgewiesen. „Die Vereinigten Staaten waren in keinerlei Weise beteiligt, und jegliche Andeutung des Gegenteils ist lächerlich“, sagte am Mittwoch in Washington der Sprecher des Außenministeriums, Matthew Miller. Er fügte hinzu, seine Regierung habe auch „keinen Grund zu der Annahme“, dass Israel mit dem Vorfall zu tun habe.

Der iranische Präsidentenberater Mohammad Dschamschidi machte Israel und die USA trotzdem für den Anschlag mit knapp 100 Toten nahe dem Grab des Generals Kassem Soleimani verantwortlich. „Washington sagt, die USA und Israel hätten keine Rolle bei dem Terroranschlag in Kerman, Iran, gespielt. Wirklich?“, schrieb Dschamschidi am Mittwoch im Onlinedienst X, ehemals Twitter. Die „Verantwortung für dieses Verbrechen“ liege „bei den USA und dem zionistischen Regime und der Terrorismus ist nur ein Werkzeug“.

Der russische Präsident Wladimir Putin verurteilte „den Terrorismus in all seinen Formen aufs Schärfste“. „Die Ermordung friedlicher Menschen, die einen Friedhof besuchen, ist schockierend in ihrer Grausamkeit und ihrem Zynismus“, erklärte Putin nach Angaben des Kreml in einem Schreiben an Raisi und Irans geistliches Oberhaupt Ayatollah Ali Chamenei. Moskau und Teheran hatten zuletzt ihre wirtschaftlichen und politischen Beziehungen verstärkt.

Trotz ihres gespannten Verhältnisses zum Iran verurteilte auch die EU den Anschlag. Das Auswärtige Amt reagierte im Onlinedienst „zutiefst betroffen“ auf „diesen Terrorakt“, bei dem auch viele Kinder gestorben seien. Auch UN-Generalsekretär António Guterres verurteilte den Anschlag nachdrücklich.

EU-Außenbeauftragter Josep Borrell drückte der Regierung im Iran sein Mitgefühl aus. Er habe „diesen Terroranschlag auf das Schärfste verurteilt“ und seine „Solidarität mit dem iranischen Volk ausgedrückt“, schrieb Borrell am Mittwochabend nach einem Telefonat mit dem iranischen Außenminister Hossein Amir-Abdollahian in Online-Netzwerken. Er habe Amir-Abdollahian sein „Beileid nach den schrecklichen Bombenanschlägen“ übermittelt.

Hamas droht mit Vergeltung für Tod von Vize-Chef: „Werden uns an keine Regeln mehr halten“

Einen Tag zuvor war in einem Vorort der libanesischen Hauptstadt Beirut die Nummer zwei der Hamas getötet worden. Laut einem über die vorläufigen Ermittlungen informierten libanesischen Sicherheitsbeamten wurden Saleh al-Aruri und sechs weitere Hamas-Funktionäre mit israelischen Lenkraketen getötet, andere Quellen sprachen von einer israelischen Drohne.

Saleh al-Aruri gilt als einer der Planer des Hamas-Angriffs auf Israel am 7. Oktober. Er feierte das Massaker an Zivilisten zusammen mit anderen Führungskräften der Hamas, wie auf Videos zu sehen war. In den vergangenen Jahren leitete al-Aruri die Terror-Aktivitäten der Hamas aus dem Ausland, meist aus Syrien, der Türkei und dem Libanon. Die USA hatte ein Kopfgeld von fünf Millionen Dollar für Informationen, die zur Ergreifung des Top-Terroristen führen würden, ausgesetzt.

Ende November gab Israels Premier Benjamin Netanjahu bekannt, dass er den Mossad beauftragt habe, alle Hamas-Anführer auszuschalten, „wo immer sie sich aufhalten“. Mit dem gezielten Angriff auf al-Aruri zeigt sich, dass zum einen der israelische Geheimdienst über sehr gute Informationen verfügt – sie wussten sogar, dass sich al-Aruri im dritten Geschoss eines Hauses aufhielt, welches angegriffen wurde.

Zum anderen macht Israel deutlich, dass Netanjahus Ansage umgesetzt wird und sich Hamas-Anführer auch im Ausland nicht sicher fühlen können.

Was macht nun die Hisbollah?

Die mit der Hamas verbündete Hisbollah im Libanon, die wiederum vom Iran unterstützt wird, drohte mit Vergeltung. Sie werte al-Aruris „Ermordung“ als „schweren Angriff auf den Libanon“, der nicht ungestraft bleibe.

Der Chef der libanesischen Hisbollah-Miliz, Hassan Nasrallah, verurteilte die Tötung des Vize-Hamas-Chefs Saleh al-Aruri in Beirut als ungeheuerliche israelische Aggression. Es handle sich um ein „großes, gefährliches Verbrechen, zu dem wir nicht schweigen dürfen“, sagte er am Mittwochabend in seiner ersten Stellungnahme.

Israel sei geschwächt, erklärte Nasrallah in der im Fernsehen übertragenen Rede. Selbst mit Gottes Willen werde Israel nicht in der Lage sein, seine Kriegsziele zu erreichen. „Wenn der Feind einen Krieg gegen den Libanon beginnt, werden wir uns an keine Regeln mehr halten“, sagte Nasrallah.

„Nasrallah befindet sich in einer Zwickmühle“, kommentiert Michael Young, Libanon-Experte vom Carnegie Middle East Center, „aber die Verpflichtung der Hisbollah, eine Eskalation zu einem maximalen Niveau zu verhindern, ist eine strategische Entscheidung, keine taktische.“ Ob der Libanon, in dem die Hisbollah auch agiert, voll in den Krieg einsteigen will, sei fraglich.

„Zuzulassen, dass der Libanon für al-Aruri zerstört wird ist nicht etwas, dass die Hisbollah-Fraktion in ihrer eigenen Gemeinschaft rechtfertigen kann und schon gar nicht gegenüber anderen gesellschaftlichen Gruppen“, schreibt Young.

Tatsächlich greift die Hisbollah Israel vom Südlibanon aus täglich an

Israel äußerte sich nicht zu den Vorwürfen. Armeesprecher Daniel Hagari betonte, Israel bleibe „konzentriert auf den Kampf gegen die Hamas“, sei aber zugleich „in hohem Maße auf jedes Szenario“ vorbereitet.

Tatsächlich greift die Hisbollah seit Beginn des Krieges im Gazastreifen vor drei Monaten Israel nahezu täglich vom Südlibanon aus an. Die israelische Armee reagiert auf die Angriffe mit verstärkten Luftangriffen im Libanon und in Syrien.

Bislang beschränkten sich die Gefechte auf die Grenzgebiete im Südlibanon. International wächst die Sorge, dass sich nach dem ersten Angriff auf die libanesische Hauptstadt seit Kriegsbeginn der Krieg auch auf den Libanon ausweiten könnte.

„Eine Eskalation an der Grenze zwischen Israel und Libanon ist nicht auszuschließen“, erklärte das Auswärtige Amt im Onlinedienst X. Es rief alle trotz Reisewarnung im Libanon verbliebenen deutschen Staatsangehörigen auf, „auf schnellstem Wege auszureisen“.

Ein Jugendlicher schwenkt ein Schild mit einem Bild von Qasem Soleimani während eines Marsches zum Jahrestag seiner Ermordung am 1. Januar 2024 in Bagdads westlichem Vorort Shuala in der Nähe des internationalen Flughafens Bagdad. Foto: AHMAD AL-RUBAYE/AFP über Getty Images

Hintergrund: Die Rolle von Soleimani

Von systemtreuen Regierungsanhängern wird Soleimani als Märtyrer verehrt. Der General befehligte die Al-Kuds-Brigaden, die für Auslandseinsätze zuständige Abteilung der iranischen Revolutionsgarden und galt in seiner Heimat als Held des Iran-Irak-Krieges.

Laut Beobachtern war Soleimani einer der wichtigsten Drahtzieher in der Region – ihm wird die politische und militärische Ausrichtung des Iran in Syrien, im Irak und im Jemen zugeschrieben. Trump sagte damals, er habe den Drohnenangriff als Reaktion auf eine Reihe von Angriffen auf US-Stützpunkte im Irak angeordnet.

In den Tagen nach seinem Tod versammeln sich im Iran Millionen zu Trauerkundgebungen für den General. Eine im Jahr 2018 veröffentlichte Umfrage hatte für Soleimani im Iran eine Beliebtheitsrate von 83 Prozent ergeben – sie lag damit höher als bei dem damaligen Präsidenten.

Im Juli 2023 hatte das iranische Geheimdienstministerium laut der offiziellen Nachrichtenagentur Irna erklärt, es habe eine „Spionageorganisation mit Verbindungen zu Israel“ zerschlagen. Diese habe „Terroreinsätze“ geplant, unter anderem eine Explosion an Soleimanis Grab. (afp/dpa/dts/red)

 

 



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