Biden gegen schnellen NATO-Beitritt der Ukraine – Selenskyj könnte Gipfel fernbleiben

In einem Interview mit CNN hat US-Präsident Joe Biden eine Aufnahme der Ukraine in die NATO vor Kriegsende ausgeschlossen. Waffen gibt's aber auch weiterhin, für einen Beitritt ist das Land jedoch nicht reif.
Auf seinem Weg zum Nato-Gipfel im litauischen Vilnius, der am Dienstag beginnt, legt US-Präsident Joe Biden einen Zwischenstopp in London ein.
Auf seinem Weg zum NATO-Gipfel im litauischen Vilnius, der am Dienstag beginnt, legt US-Präsident Joe Biden einen Zwischenstopp in London ein.Foto: Susan Walsh/AP
Von 10. Juli 2023

Für Irritationen in der Ukraine hat ein jüngst auf CNN ausgestrahltes Interview mit US-Präsident Joe Biden gesorgt. Im Gespräch mit Reporter Fareed Zakaria hat der Präsident einen Beitritt des Landes zur NATO ausgeschlossen, bevor der Krieg mit Russland beendet ist. Denkbar wäre allenfalls ein Unterstützungsmodell, das an die Beziehungen zwischen den USA und Israel angelehnt ist.

Biden geht nicht von Einstimmigkeit in der NATO aus

Man werde die Ukraine weiterhin mit Waffen und durch Stärkung der Sicherheit unterstützen, erklärte Biden. Allerdings betonte er auch, dass die Ukraine derzeit für einen Beitritt zur NATO nicht reif sei und dass der Krieg einem solchen im Wege stehe. Er glaube nicht, dass „es in der NATO Einstimmigkeit darüber gibt, ob man die Ukraine jetzt, mitten im Krieg, in die NATO-Familie aufnehmen soll oder nicht“.

Die NATO-Mitglieder hätten sich verpflichtet, ihr komplettes Territorium zu verteidigen – egal, was passiere. Dies hätte im Fall eines ukrainischen NATO-Beitritts Konsequenzen:

Wenn der Krieg weitergeht, dann sind wir alle im Krieg. Wir sind im Krieg mit Russland, wenn das der Fall wäre.“

Ukraine erfülle weitere Bedingungen für NATO-Beitritt nicht

Man müsse der Ukraine „einen vernünftigen Weg aufzeigen, damit sie sich für einen NATO-Beitritt qualifizieren kann“. Aufgrund ihrer „Politik der offenen Tür“ habe man Moskaus Drängen, einen solchen Schritt auszuschließen, nicht nachgegeben.

Dennoch sei es „verfrüht, jetzt eine Abstimmung zu fordern“. Immerhin gebe es auch noch andere Voraussetzungen, die Kiew erfüllen müsse, um dem Bündnis beitreten zu können. Dazu gehörten auch „die Demokratisierung und einige dieser Themen“.

Die jüngste Ankündigung, der Führung in Kiew international geächtete Streumunition zukommen zu lassen, verteidigte Biden. Es sei „eine schwierige Entscheidung“ gewesen. Allerdings habe man es für erforderlich gehalten, weil er überzeugt sei, dass „der Ukraine die Munition ausgeht“.

Selenskyj reagiert auf Aussagen von Biden verstimmt

Biden wird für eine Woche Europa besuchen, am Dienstag, 11. Juli, beginnt der zweitägige NATO-Gipfel in Vilnius. Die Aussagen Bidens könnten zur Folge haben, dass dessen ukrainischer Amtskollege Selenskyj dem Gipfel fernbleibt. Wie das ZDF berichtet, hat dieser gegenüber ABC seine Teilnahme daran geknüpft, dass die Frage einer NATO-Einladung an die Ukraine in Vilnius entschieden werde:

Ich will nicht zum Spaß nach Vilnius fahren, wenn die Entscheidung schon vorher gefallen ist.“

Demgegenüber erklärte Biden, er habe mit Selenskyj eingehend über das Thema gesprochen. Er habe der Ukraine eine Sicherheitspartnerschaft und Kooperation angeboten, wie sie die USA auch mit Israel pflegen.

Kritischerer Blick der USA auch auf die Ukraine?

Die USA unterstützen Israel jährlich mit etwa 3,8 Milliarden US-Dollar, die Jerusalem zu einem großen Teil in Raketen und Militärtechnik investiert. Außerdem gibt es eine enge Zusammenarbeit in den Bereichen Sicherheit und Nachrichtendienste. Der Ukraine haben die USA seit Beginn der russischen Militäroperation Ende Februar 2022 militärische Hilfe im Umfang von mehr als 40 Milliarden US-Dollar bereitgestellt oder zugesagt.

Andererseits hatten die USA in den vergangenen Jahren zunehmend Kritik an der israelischen Regierungspolitik geübt. Dies häufig in einer Art und Weise und in einem Tonfall, der mit Blick auf den Umgang der Ukraine mit Minderheiten im eigenen Land bis dato unbekannt ist.

Auch im Interview mit CNN bekannte sich Biden mit Blick auf Israel zu einer Zweistaatenlösung – und übte Kritik an einigen Partnern in der Regierungskoalition von Ministerpräsident Benjamin Netanjahu. Erst im März hatte das Weiße Haus auch Einschätzungen zu innenpolitischen Angelegenheiten in Israel abgegeben. Dabei ging es um die geplante Justizreform.

Türkei: Modernisierte F-16-Flotte für Ja zum Schweden-Beitritt

Auf dem NATO-Gipfel hofft Biden, in der Frage eines Beitritts Schwedens zum Bündnis voranzukommen. Die Türkei und Ungarn haben diesem noch nicht zugestimmt, wobei Ankara grundsätzliche Hindernisse für eine Zustimmung sieht. Präsident Recep Tayyip Erdoğan betonte erst jüngst wieder, dass Schweden nicht die erforderlichen Schritte im Kampf gegen den Terrorismus setze. Dazu komme die Duldung eines offen zur Schau gestellten antimuslimischen Rassismus.

Biden hofft, die Türkei zu einer Aufgabe ihrer Blockadehaltung bewegen zu können. In diesem Zusammenhang bringt er eine Modernisierung der türkischen F-16-Flotte ins Spiel. Diese könne im Zusammenspiel mit entsprechenden Bemühungen auch für den NATO-Partner Griechenland geschehen. In der Vergangenheit hatte es mehrfach Differenzen mit Ankara bezüglich der Lieferung von Kampfflugzeugen und Sicherheitssystemen gegeben.

Das Weiße Haus selbst oder der Kongress hatten diese behindert. Die Türkei reagierte darauf mit verstärkter militärischer Zusammenarbeit mit Russland im Bereich der Raketenabwehr. Zudem investierte die Regierung Erdoğan massiv in den Ausbau der eigenen Rüstungsindustrie.

Klingbeil: Ukraine nicht in die NATO, solange Krieg andauert

Unterdessen hat sich auch SPD-Chef Lars Klingbeil im Vorfeld des NATO-Gipfels gegen eine Einladung der Ukraine zum Beitritt ausgesprochen. Wie „t-online“ berichtet, vertritt er in dieser Frage eine ähnliche Position wie Biden. Einen Beitritt hält er nicht für möglich, solange dieser eine direkte Verwicklung des Bündnisses in den Krieg bedeuten würde:

Die NATO kann die Ukraine nicht aufnehmen, solange sie im Krieg ist, sonst wären Deutschland und die anderen Bündnisstaaten sofort Kriegspartei.“



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