„Bosnien ist ein Experiment des Westens, das nicht funktioniert“

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Der bosnische Serbenführer Milorad Dodik.Foto: ATTILA KISBENEDEK/AFP via Getty Images
Epoch Times24. Oktober 2021

Der Krieg liegt 25 Jahre zurück, doch versöhnlich geht es in Bosnien und Herzegowina nicht zu, im Gegenteil: Milorad Dodik, Vertreter der bosnischen Serben in der Dreier-Präsidentschaft des Landes, droht offen mit einer Spaltung des fragilen Staatsgefüges und reißt mit aggressiver Rhetorik alte Wunden wieder auf. Nicht wenige warnen vor einem Wiederaufflammen des Balkankonflikts, der Europa in den 90er Jahren erschütterte.

Seit dem Ende des Bosnienkrieges (1992 bis 1995) ist Bosnien in zwei halbautonome Teilrepubliken aufgeteilt, eine serbische und eine kroatisch-bosnische. Jeder Teil hat seine eigene Regierung und sein Parlament. Zugleich gibt es eine gemeinsame serbisch-kroatisch-bosnische Zentralregierung.

Dodik steht seit Jahren an der Spitze der halbautonomen serbischen Teilrepublik Republika Srpska. Immer wieder hat er mit einer Abspaltung des serbischen Gebiets gedroht. Doch in den vergangenen Monaten scheint sich der Ton des früheren Sozialdemokraten, der sich im Lauf der Jahre zum Ultranationalisten wandelte, verschärft zu haben.

Russland unterstützt Dodiks Vorhaben

Bosnien sei ein „gescheitertes Land“, ein „Experiment des Westens“, das „nicht funktioniert“, sagt der 62-Jährige. Im September verkündete Dodik gar Pläne zur Bildung einer eigenen Armee. Die gemeinsamen staatlichen Institutionen, insbesondere Justiz, Polizei und Geheimdienste, will er verlassen. Auch das zentrale Steuersystem lehnt er ab. „Wir werden all das in Frage stellen“, sagt er. „Es gibt keine Autorität auf dieser Welt, die uns aufhalten kann.“

Stillschweigende Unterstützung erhält Dodik nach eigenen Angaben aus Russland. Trotz wiederholter Warnungen des UN-Gesandten für Bosnien und Herzegowina, Christian Schmidt, leitete er am Mittwoch den ersten Schritt seines Vorhabens ein: Das Parlament des serbischen Gebiets beschloss die Einrichtung einer Arzneimittelagentur, obwohl eine solche Behörde bereits auf nationaler Ebene existiert.

Experten halten den Beschluss für einen Testballon, den Dodik steigen lässt, bevor er wichtigere Einrichtungen in Angriff nimmt. Für die kommende Woche hat der Präsident der Republika Srpska weitere Gesetzesvorhaben angekündigt.

Opposition: Dodiks Pläne „gefährden den Frieden“

Bereits seit Juli ist die Lage in Bosnien und Herzegowina angespannt: die bosnischen Serben boykottieren die Arbeit der zentralen Institutionen aus Protest gegen ein Verbot der Leugnung von Völkermord in dem Balkanstaat. Verhängt hatte es der damalige UN-Gesandte für Bosnien und Herzegowina, Valentin Inzko, kurz vor dem Ende seines Mandats.

Das Verbot zielte auf den serbischen Umgang mit dem Massaker von Srebrenica von 1995 ab. Die serbischen Vertreter in Bosnien sowie Politiker in Serbien streiten in der Regel ab, dass es sich bei dem Massaker an 8000 muslimischen Männern und Jugendlichen um einen Völkermord handelte.

Allerdings gehen Dodiks Pläne auch der serbischen Opposition zu weit. Bosnisch-serbische Oppositionspolitiker werfen ihm vor, „den Frieden zu gefährden“. „Einseitige Entscheidungen, die zum Krieg aufrufen, sind absolut inakzeptabel“, sagt Oppositionsführer Mirko Sarovic.

Dodiks Beteuerungen, sein Handeln werde „die territoriale Integrität Bosniens nicht in Frage stellen“, überzeugen in dem Balkanstaat niemanden. Das Land sei mit der „gefährlichsten Krise seit der Unterzeichnung des Friedensabkommens von Dayton“ konfrontiert, warnt der muslimische Vertreter in der dreiköpfigen Präsidentschaft, Sefik Dzaferovic. Sollte die internationale Staatengemeinschaft nicht einschreiten, werde das Land von seinen „Patrioten verteidigt“.

Tatsächlich reagiert die Weltgemeinschaft bislang relativ zurückhaltend auf Dodiks Gebaren. Die Politikexpertin Tanja Topic warnt: „Wir sollten ihn dieses Mal nicht unterschätzen und glauben, dass er nicht bereit ist, es durchzuziehen.“ Sein aggressives Vorgehen ist ihrer Auffassung nach auch sinkenden Umfragewerten und dem schlechten Abschneiden seiner Partei bei den Kommunalwahlen im vergangenen Jahr geschuldet. (afp/oz)



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