Frontex: Deal über 526 Millionen Euro mit Reisebüro unter Betrugsverdacht in letzter Minute gescheitert

Die EU-Grenzschutzagentur Frontex soll ein polnisches Reiseunternehmen ausgewählt haben, um für 526 Millionen Euro die Dienstreisen ihrer 3.000 Beschäftigten zu organisieren. Dabei wurde zuvor bereits ein Vertrag mit dem Anbieter wegen laufender Betrugsermittlungen beendet.
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Frontex Hauptquartier in Warschau, Polen.Foto: Wojtek Radwanski/AFP via Getty Images
Von 12. April 2024

Bisher waren es vor allem Vorwürfe im Zusammenhang mit Einsätzen an den EU-Außengrenzen, die ein unvorteilhaftes Licht auf die Arbeit der Grenzschutzagentur Frontex geworfen haben. Dazu gehören unter anderem Untätigkeit angesichts in Seenot geratener Flüchtlinge im Mittelmeer oder die Duldung illegaler Pushbacks durch Grenzschützer von Mitgliedstaaten. Nun geht es um mögliche Nachlässigkeiten hinsichtlich des wirtschaftlichen Gebarens.

Erst in letzter Minute soll der seit März 2023 im Amt befindliche Exekutivdirektor Hans Leijtens einen Deal mit einem polnischen Reisebüro verhindert haben. Dieses habe sich schon zuvor einmal um einen Vertrag mit Frontex bemüht. Allerdings scheiterte dieses Ansinnen, nachdem Betrugsermittlungen gegen das Unternehmen bekannt geworden waren.

Anbieter sollte komplette Abwicklung der Dienstreisen für Frontex übernehmen

Gegenstand der ins Auge gefassten Zusammenarbeit sollte die Übernahme von Buchungsdiensten für Frontex und ihre Angehörigen sein. Wie die „Welt“ und „Politico“ berichten, ging es um die Durchführung von „qualitativ hochwertigen Reisedienstleistungen“.

Offenbar sollte ein professioneller Dienstleister mit der Abwicklung aller erforderlichen Veranlassungen im Zusammenhang von Dienstreisen betraut werden – etwa zur Durchführung von Schulungen oder Übungen. Von Flugreservierungen über Hotelbuchungen und Visa-Anträgen sollte der externe Partner die gesamte Abwicklung übernehmen.

Für die Reisetätigkeiten sollte ein Budget von 526 Millionen Euro zur Verfügung stehen. Die Ausschreibung endete im Februar 2023, anschließend sollte ein polnisches Reisebüro den Zuschlag erhalten. Den Dokumenten zufolge, die den Medien zur Verfügung standen, hätte keine der weiteren Bewerber die Dienste zu den angegebenen Konditionen anbieten können.

Trotz bereits bekannter Unwägbarkeiten neuerlich zur Ausschreibung zugelassen

Was allerdings keine Erwähnung fand, ist der Umstand, dass gegen das polnische Unternehmen bereits Ermittlungen der Europäischen Staatsanwaltschaft und der Anti-Betrugs-Behörde OLAF liefen. Die Zusammenarbeit von Frontex mit dem polnischen Reisebüro begann im Dezember 2019.

Damals kam es zum ersten Vertrag über die Bereitstellung von Reisebuchungsdiensten für die in Warschau ansässige EU-Institution, die die Außengrenzen der Europäischen Union bewacht und etwa 3.000 Mitarbeiter beschäftigt.

Diese ursprüngliche Zusammenarbeit wurde ausgesetzt, als ein für Frontex arbeitender Ermittler für Wirtschaftskriminalität die EU-Institution auf einen möglichen Betrug durch das Reisebüro aufmerksam machte. Ein entsprechendes Schema, das sich das Unternehmen habe einfallen lassen, gehe auch auf Kosten von Frontex. Die Grenzschutzagentur habe dadurch bereits einen Schaden in fünfstelliger Höhe erlitten.

Dennoch wurde das Reisebüro für eine neuerliche Ausschreibung im Dezember 2022 zugelassen – und erhielt prompt den Zuschlag. Später konnte die eigene Rechtsabteilung eruieren, dass es auch in Polen selbst Ermittlungen gegen den Reisedienstleister gebe.

Rechtsabteilung von Frontex warnte vor „eklatanten Unregelmäßigkeiten“

Die Rechtsabteilung von Frontex schlug im November 2023 Alarm. Einen Monat später unterfertigte Leijtens einen „Nicht-Bewilligungsbescheid“ und ließ die gesamte Ausschreibung annullieren. Zuvor hatte es in einem internen Dokument geheißen, dass die EU-Haushaltsordnung dieses Vorgehen zwingend erforderlich mache, wenn „die Unregelmäßigkeiten eklatant sind“. Im vorliegenden Fall sei davon auszugehen.

Frontex musste sich bereits vor der Reisebüro-Affäre im Kontext des eigenen Finanzgebarens unangenehme Fragen durch die Presse gefallen lassen. Von Dezember 2021 bis Februar 2022 arbeitete man mit einer Reiseagentur in Estland zusammen, die Dienstreisen im Umfang von 240 Millionen Euro organisieren sollte. Zweifel an den ausreichenden Kapazitäten der Agentur führten zum vorzeitigen Ende der Kooperation.

Zudem gab es in den Jahren 2022 und 2023 weitere Berichte über sorglosen Umgang von Frontex mit Steuergeldern. So schrieb der „Spiegel“ über die Errichtung von teuren Sportanlagen für Frontex-Angehörige im spanischen Ávila. Diese habe die Grenzschutzagentur bauen lassen – und nun würden sie kaum genutzt.

Im Vorjahr machte die „Welt“ auffallend hohe Reisekosten von Frontex-Angehörigen zum Thema. So habe man für die Unterbringung von Mitgliedern der ständigen Reserve anlässlich von Schulungen den Höchstsatz für Hotelbuchungen in Kroatien bezahlt – obwohl diese in einfachen Absteigen untergebracht waren. Von Frontex hieß es damals, der Betrag bewege sich noch „im Rahmen der Vorgabe“.



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