Hauptstadt unter Raketenbeschuss: Heftige Gefechte in Berg-Karabach – Präsident spricht von „letzter Schlacht“

Trotz internationaler Appelle zur Beendigung der Gewalt sind die erbitterten Kämpfe um die Kaukasusregion Berg-Karabach am Samstag fortgesetzt worden.
Titelbild
Eine Frau entfernt Glasscherben aus einem Fenster in einem Wohnhaus, das anscheinend am 3. Oktober 2020 während der anhaltenden Kämpfe zwischen Armenien und Aserbaidschan um die umstrittene Region Berg-Karabach in der Hauptstadt Stepanakert beschädigt wurde.Foto: -/AFP über Getty Images
Epoch Times3. Oktober 2020

Die Hauptstadt der selbst ernannten Republik Berg-Karabach ist am Sonntag erneut Ziel von Angriffen geworden. Am Morgen heulten in Stepanakert Alarmsirenen, kurz danach wurde die Stadt von Explosionen erschüttert, wie AFP-Reporter berichteten.

Die russische Nachrichtenagentur Interfax meldete unter Berufung auf das Außenministerium der selbst ernannten Republik, Stepanakert stehe unter „Raketenbeschuss“. Bereits am Freitag hatte die Armee Aserbaidschans durch schweres Artilleriefeuer mehrere Gebäude in der Stadt zerstört.

Die Bewohner suchten Zuflucht in Kellern und Unterständen, um sich vor den Angriffen in Sicherheit zu bringen. In der Nacht zum Sonntag brach in Stepanakert die Stromversorgung zusammen. Nach Angaben des örtlichen Außenministeriums hatten die aserbaidschanischen Angriffe „eine Einrichtung der Stromversorgung“ getroffen.

Die Gefechte zwischen Armenien und Aserbaidschan um Berg-Karabach waren vor einer Woche neu entbrannt; es sind die heftigsten Kämpfe seit 1994. In der Nacht zum Samstag wurden armenische Angriffe auf 19 aserbaidschanische Dörfer gemeldet, woraufhin die aserbaidschanische Seite einen „Gegenschlag“ angekündigt hatte.

Berichte über Opferzahlen sind unvollständig, beide Konfliktparteien sprechen von tausenden getöteten Kämpfern auf Seiten des Gegners.

Berg-Karabachs Präsident Araik Harutjunjan will selbst gegen Armee kämpfen

Armenien meldete am siebten Tag des Konflikts den Tod von 51 weiteren pro-armenischen Kämpfern. Zuvor hatte die Regierung in Eriwan von „heftigen Gefechten“ an der Frontlinie gesprochen. Die Truppen der überwiegend armenischen Region Berg-Karabach hätten einen „großangelegten Angriff“ der aserbaidschanischen Armee gestoppt. Berg-Karabachs Präsident Araik Harutjunjan sprach von einer „letzten Schlacht“, die für die Region begonnen habe.

Harutjunjan kündigte sogar an, selbst gegen die aserbaidschanische Armee kämpfen zu wollen. „Die Nation und das Mutterland sind bedroht“, sagte er vor Journalisten in Stepanakert. Gekleidet in einen Tarn-Anzug fügte er hinzu: „Die Zeit ist gekommen, dass die gesamte Nation zu einer mächtigen Armee wird. Dies ist unsere letzte Schlacht, die wir mit Sicherheit gewinnen werden.“

Auch Armeniens Regierungschef Nikol Paschinjan betonte am Samstag die Bedeutung der aktuellen Kämpfe um Berg-Karabach. „Meine lieben Landsleute, Brüder und Schwestern, wir stehen vor dem vielleicht entscheidendsten Moment in unserer Geschichte“, schrieb er am Samstag auf Facebook.

Am Freitag hatte die Armee Aserbaidschans durch schweres Artilleriefeuer mehrere Gebäude in Stepanakert zerstört. Viele Bewohner waren am Samstag noch damit beschäftigt, die Trümmer wegzuräumen. „Ich ging aus meinem Haus, fünf oder zehn Minuten später machte es Bumm, eine Explosion. Zum Glück war niemand mehr zu Hause“, sagte der 65-jährige Nelson Adamian.

In der Nacht zu Samstag soll wiederum Armenien 19 aserbaidschanische Dörfer beschossen haben, die aserbaidschanischen Truppen würden mit einem „Gegenschlag“ antworten und hätten gegnerische Positionen eingenommen, berichtete die aserbaidschanische Armee.

Ein Mitglied eines Rettungsdienstes auf dem Gebiet eines Grasfeuers, das durch eine Bombe ausgelöst wurde, die am 2. Oktober 2020 in der Nähe in Stepanakert, Berg-Karabach, einschlug. Foto: Brendan Hoffman/Getty Images

Anzahl der Opfer unbekannt

Seit Beginn der Kämpfe am vergangenen Sonntag gibt es bisher nur unvollständige Berichte über die Opferzahlen. Demnach starben bisher mindestens 242 Menschen in Berg-Karabach, darunter mehr als hundert pro-armenische Kämpfer sowie insgesamt über 30 Zivilisten auf beiden Seiten.

Die Angaben sind vermutlich aber viel zu niedrig; die Regierung in Baku meldet bisher keine Armeeopfer. Auch gab es Berichte über fast 30 Tote unter pro-türkischen Kämpfern aus Syrien, die offenbar an der Seite Aserbaidschans kämpfen.

Nach Angaben von Armenien starben seit Ausbruch des Konflikts mehr als 3.000 aserbaidschanische Soldaten. Die Regierung in Baku behauptet wiederum, bisher mehr als 2.300 armenische Soldaten getötet zu haben.

Das armenische Verteidigungsministerium teilte mit, dass die gegnerische Seite ihre Truppen verstärkt habe. Die armenischen Soldaten würden jedoch „heroischen Widerstand“ leisten. Die armenischen Truppen seien an einer Stelle der Front zum „Gegenangriff“ übergegangen.

Rückzug als Bedingung für Waffenstillstand

Aserbaidschans Präsident Ilham Alijew sagte in einem Interview mit dem Fernsehsender Al Jazeera, dass der Rückzug der armenischen Streitkräfte aus den „besetzten Gebieten“ seines Landes eine „Vorbedingung“ für einen Waffenstillstand sei. Der Konflikt um Berg-Karabach müsse jetzt gelöst werden. „Wir können nicht weitere 30 Jahre verstreichen lassen“, sagte Alijew.

Nachdem in den vergangenen Tagen mehrere ausländische Staaten die Konfliktparteien  zur Zurückhaltung aufgerufen hatten, warnte der Iran am Samstag davor, in sein Hoheitsgebiet einzudringen. „Jegliches Eindringen in das Gebiet unseres Landes durch eine der Konfliktparteien ist inakzeptabel“, erklärte das iranischen Außenministerium.

Grund für die Warnung seien Mörsergranaten, die seit Montag in iranischen Dörfern entlang der Landesgrenze zu Berg-Karabach eingeschlagen seien, berichtete die staatliche Nachrichtenagentur Irna.

Berg-Karabach wird mehrheitlich von Armeniern bewohnt, welche die Region und angrenzende Gebiete unter ihrer Kontrolle haben. Die ehemaligen Sowjetrepubliken Armenien und Aserbaidschan liefern sich seit Jahrzehnten einen erbitterten Konflikt um die Region im Südkaukasus, wobei Berg-Karabach Aserbaidschan zugeteilt wurde. Die selbsternannte Republik Berg-Karabach wird international nicht anerkannt und gilt völkerrechtlich als Teil Aserbaidschans. (afp/sua)



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