Italien darf Rettungsschiffe nicht grundlos kontrollieren

Immer wieder werden Seenotrettungsschiffe in italienischen Häfen kontrolliert. Die Helfer beklagen Schikane. Der EuGH urteilt nun, dass die Behörden konkrete Gründe für Kontrollen nachweisen müssen.
Die Besatzung der Sea-Watch 3 verteilt Rettungswesten an Menschen in einem Schlauchboot, mit dem sie versuchten nach Europa zu gelangen.
Die Besatzung der Sea-Watch 3 verteilt Rettungswesten an Menschen in einem Schlauchboot, mit dem sie versuchten nach Europa zu gelangen.Foto: Nora Boerding/Sea-Watch via AP/dpa
Epoch Times1. August 2022

Italienische Behörden dürfen Rettungsschiffe wie die der deutschen Hilfsorganisation Sea-Watch nicht ohne Anhaltspunkte für eine Gefahr in ihren Häfen kontrollieren. Das geht aus einer Entscheidung des Europäischen Gerichtshofs hervor. Die EU-Regeln zu den Kontrollen eines Hafenstaats seien auch auf Schiffe humanitärer Organisationen anwendbar. So lautet das Urteil der Richter am Montag in Luxemburg (Rechtssachen C-14/21 und C-15/21).

Diese Gründe müssen erfüllt sein

Für eine Kontrolle müssten die Behörden detailliert nachweisen, „dass belastbare Anhaltspunkte für eine Gefahr für die Gesundheit, die Sicherheit, die Arbeitsbedingungen an Bord oder die Umwelt vorliegen“. Allein die Anzahl der Personen an Bord, Rettungsschiffe steuern oft mit Hunderten Flüchtlingen und Migranten die Häfen an, sei für sich genommen kein Grund für eine Überprüfung.

Der EuGH betonte, dass es im Völkerrecht die Pflicht gebe, Personen in Seenot zu helfen. Menschen, die nach einem Rettungseinsatz an Bord seien, müssten bei Sicherheitsüberprüfungen außer Betracht bleiben. „Die Anzahl der Personen an Bord, selbst wenn sie weit über der zulässigen Anzahl liegt, kann daher für sich genommen keinen Grund darstellen, der eine Kontrolle rechtfertigt“, teilte der EuGH mit. Nachdem die Geretteten von Bord gegangenen seien, dürfe der Hafenstaat das Schiff jedoch kontrollieren.

Der Hafenstaat darf Maßnahmen ergreifen

Bei der Begründung einer solchen Kontrolle dürfe auch berücksichtigt werden, dass ein als Frachtschiff zertifiziertes Schiff systematisch als Rettungsschiff im Einsatz sei. Jedoch dürften die Behörden nur Nachweise über Zeugnisse verlangen, die auch im Flaggenstaat nötig sind. Falls eine Kontrolle Mängel ergebe, dürfe der Hafenstaat Maßnahmen ergreifen, die „geeignet, erforderlich und angemessen“ seien.

„Das Urteil ist ein großer Erfolg für uns“, sagte ein Sprecher von Sea-Watch der Deutschen Presse-Agentur. Italien müsse jetzt konkrete Anhaltspunkte für eine Hafenkontrolle vorlegen. Das Mittelmeerland habe zuvor darauf verwiesen, dass die Sea-Watch-Schiffe nicht in der richtigen Kategorie als Rettungsschiffe zertifiziert seien. Der deutsche Flaggenstaat hingegen sieht laut der Organisation eine solche Kategorie für zivile Schiffe überhaupt nicht vor.

Seenotretter beklagen fadenscheinige Begründungen

Seenotretter beklagen immer wieder, dass die italienischen Behörden ihre Schiffe mit fadenscheinigen Begründungen festhalten. Bei dem EuGH-Urteil vom Montag ging es um die unter deutscher Flagge fahrenden Schiffe „Sea-Watch 3“ und „Sea-Watch 4“. Sie fahren regelmäßig ins zentrale Mittelmeer. Dort retten sie Menschen, die auf der Flucht von Nordafrika in Richtung EU in Seenot geraten sind.

Im Sommer 2020 überprüften die italienischen Behörden nach Rettungseinsätzen beide Schiffe, die in Deutschland als Frachter zertifiziert sind. Die Behörden begründen das damit, dass sie nicht als Rettungsschiffe zertifiziert seien und deutlich mehr Personen an Bord aufgenommen hätten als zulässig. Aufgrund technischer und operativer Mängel sahen die Hafenbehörden eine Gefahr für die Sicherheit, die Gesundheit oder die Umwelt und hielten die Schiffe deshalb fest.

Sea-Watch klagte dagegen. Nach dem Grundsatzurteil des EuGH muss nun ein italienisches Gericht in dem konkreten Fall entscheiden. Sea-Watch rechnet damit, dass der Prozess vor dem Gericht in Palermo im Herbst weitergehen könnte. (dpa/red)



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