Korruption, Rezession und Intrigen: Brasiliens Regierungskrise

Das Land ist einer tiefen Rezession, doch Politik findet wegen der Lähmung durch das Rousseff-Verfahren kaum noch statt. Die politische Klasse ist diskreditiert, gegen rund 60 Prozent der 594 Mitglieder von Abgeordnetenhaus und Senat gibt es Anklagen oder Ermittlungen.
Titelbild
Brasilien in der KriseFoto: Mario Tama/Getty Images
Epoch Times12. Mai 2016
Brasiliens Politik steckt in einer der tiefsten Krisen seit dem Übergang zur Demokratie 1985. Ein Überblick.

PETROBRAS-SKANDAL: Seit rund zwei Jahren laufen Ermittlungen (Operation „Lava Jato“), die ein über zehn Jahre lang praktiziertes Korruptionsnetz aufgedeckt haben. Bei Dutzenden Auftragsvergaben des staatlich kontrollierten Ölkonzerns Petrobras an Bauunternehmen sollen Schmiergelder geflossen sein. Nach Schätzungen kann sich der Schaden auf 6,1 Milliarden Reais (1,5 Mrd Euro) belaufen. Gegen über 50 Politiker wird ermittelt – auch der Opposition. Präsidentin Dilma Rousseff war von 2003 bis 2010 Aufsichtsratschefin von Petrobras.

DIE PERSONALIE LULA: Rousseff wollte Vorgänger Luiz Inácio Lula da Silva zur Stützung der Regierung zum Kabinettschef machen. Doch es gibt Vorwürfe gegen ihn, ein Baukonzern habe ihn im Zusammenhang mit einem Apartment geschmiert. Ein Bundesrichter legte sein Veto gegen sein Aufrücken in die Regierung ein, da Lula hier eine Teil-Immunität genießen würde. Der Eindruck entstand, Rousseff wolle ihn vor den Fängen der Justiz schützen, was den Widerstand gegen sie verstärkte.

JUSTIZ VS. REGIERUNG: Der von Curitiba aus die Ermittlungen führende Richter Sérgio Moro ist für die Regierung zum Feindbild geworden. Er veröffentlichte einen Telefonmitschnitt zwischen Lula und Rousseff, der sich so interpretieren lassen kann, dass sie ihn mit dem Ministeramt schützen will. Juristen kritisierten Moro dafür scharf, da Rousseff als Präsidentin besonderen Schutz genießt und gegen sie nicht ermittelt wird. Moro wird von Rousseffs Gegnern gefeiert, auf Demos ist sein Bild zu sehen. Kritiker werfen ihm vor, parteiisch zu sein, gerade bei den Ermittlungen gegen die linke Arbeiterpartei.

CHAOS IM PARLAMENT: Parlamentspräsident Eduardo Cunha soll der Prozess gemacht werden, er soll fünf Millionen Dollar Schmiergeld kassiert haben. Dennoch war er es, der das Amtsenthebungsverfahren gegen Rousseff forcierte. Und er ließ wichtige Reformen blockieren – obwohl seine Partei der demokratischen Bewegung (PMDB) bis März mit Rousseff koalierte. Er wurde vom Obersten Gerichtshof suspendiert, da er sein Amt zur Behinderung von Ermittlungen gegen ihn benutzt habe. Interimsnachfolger Waldir Maranhão ließ erst das Parlamentsvotum über Rousseffs Amtsenthebung annullieren, widerrief dies aber wieder.

REZESSION UND BLOCKADE: Das Land ist einer tiefen Rezession, doch Politik findet wegen der Lähmung durch das Rousseff-Verfahren kaum noch statt. Die politische Klasse ist diskreditiert, gegen rund 60 Prozent der 594 Mitglieder von Abgeordnetenhaus und Senat gibt es Anklagen oder Ermittlungen – viele Bürger sind das Postengeschacher leid. Der Staatsapparat ist aufgebläht, es gibt 31 Bundesministerien. Währenddessen ist die Arbeitslosenzahl auf über elf Millionen gestiegen, der starke Fall des Ölpreises macht die Finanzierung der Sozialprogramme immer schwieriger. Der Bundesstaat Rio de Janeiro ist fast pleite, die Versorgung gerade in Krankenhäusern teils prekär.

(dpa)


Epoch TV
Epoch Vital
Kommentare
Liebe Leser,

vielen Dank, dass Sie unseren Kommentar-Bereich nutzen.

Bitte verzichten Sie auf Unterstellungen, Schimpfworte, aggressive Formulierungen und Werbe-Links. Solche Kommentare werden wir nicht veröffentlichen. Dies umfasst ebenso abschweifende Kommentare, die keinen konkreten Bezug zum jeweiligen Artikel haben. Viele Kommentare waren bisher schon anregend und auf die Themen bezogen. Wir bitten Sie um eine Qualität, die den Artikeln entspricht, so haben wir alle etwas davon.

Da wir die Verantwortung für jeden veröffentlichten Kommentar tragen, geben wir Kommentare erst nach einer Prüfung frei. Je nach Aufkommen kann es deswegen zu zeitlichen Verzögerungen kommen.


Ihre Epoch Times - Redaktion