Krisengespräche in Genf: Keine Annäherung in Sicht

Die USA und Russland diskutieren über europäische Sicherheit – ohne die EU.
Titelbild
Die stellvertretende US-Außenministerin Wendy Sherman (links) und der stellvertretende russische Außenminister Sergej Rjabkow (rechts) posieren am 10. Januar 2022 in der ständigen Vertretung der USA in Genf.Foto: DENIS BALIBOUSE/POOL/AFP via Getty Images
Von 17. Januar 2022
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Russland verfügt über das größte Atomwaffenarsenal der Welt und die stärksten konventionellen Streitkräfte in Europa. Seine Militäreinheiten sind derzeit in der Ukraine, Georgien und Moldawien stationiert und sorgen für weltweite Bedenken darüber, was Russland vorhat.  

Nachdem Russlands Präsident Wladimir Putin aus den Rüstungskontrollverträgen ausgestiegen ist, erwecken die 100.000 Soldaten an der Grenze zur Ukraine den Eindruck, als ob er für eine größere Invasion eines unabhängigen, souveränen Landes bereit wäre. Und er geht noch einen Schritt weiter und fordert rechtsverbindliche Sicherheitsgarantien – für Russland.

Verhandlung oder Invasion?

Am 17. Dezember 2021 veröffentlichte das russische Außenministerium Entwürfe für ein Abkommen mit den Vereinigten Staaten über Sicherheitsgarantien und eine Vereinbarung zwischen Russland und den NATO-Mitgliedstaaten über Sicherheitsmaßnahmen (hier in einer inoffiziellen deutschen Übersetzung des Ostinstituts Wismar).

Ohne Zweifel stehen diese Verträge in Verbindung mit der Konzentration russischer Streitkräfte in der Nähe der ukrainischen Grenze. Professor Joachim Schramm vom Ostinstitut Wismar erklärt, dass die Verträge als Vorbereitung für Verhandlungen zwischen den USA und Russland dienen könnten. 

Jedoch könne man „darin auch ein Manöver sehen, das von dem eigentlichen Ziel der Vorbereitung einer Invasion oder zumindest einer abgestuften Eskalation des aus russischer Sicht festgefahrenen Konfliktes ablenken soll“, so der Professor. Zudem könnte der Aufmarsch in der Ukraine auch darauf hindeuten, dass Russland sich einer Erweiterung der NATO auf das Gebiet der Ukraine ernsthaft widersetzen will.  

Russland besteht unter anderem auf eine Garantie der NATO, dass sie sich nicht weiter nach Osten ausdehnt und dass die Ukraine nicht in das Bündnis aufgenommen wird. Darüber hinaus fordert Russland ein Verbot der Stationierung ernsthafter Offensivwaffen, einschließlich Atomwaffen.

Die Reaktion der Europäer und der Vereinigten Staaten auf diese Texte war eine Verwirrung, die Putin in die Hände spielte, analysiert die Denkfabrik für internationale Angelegenheiten, „Carnegie Europe“. Der Kreml verlangte dazu Gespräche mit den USA, die für den 10. Januar angesetzt waren.

Der Chef der EU-Außenpolitik, Josep Borrell, bestand zwar darauf, dass die EU an den Gesprächen beteiligt wird, Russland lehnte dies jedoch ab – und US-Präsident Joe Biden hat sich nicht dazu geäußert. Dies sei ein taktischer Fehler Washingtons und Berlins gewesen, so die Denkfabrik. Beide hätten auf eine einheitliche Westfront drängen müssen. 

„Politik der offenen Tür“

Vertreter der USA, Europas und der NATO treffen sich nun diese Woche zu mehreren Gesprächen in Genf, Brüssel und Wien. Schon vor den Gesprächen warnte der zu den Gesprächen entsandte stellvertretende Außenminister Sergei Rjabkow, dass die Vereinigten Staaten die Sicherheitsforderungen des Kremls „nicht verstehen“ würden. Die USA äußerten Zweifel daran, ob es Russland mit der Deeskalation der Ukraine-Krise „ernst“ sei.

„Wir gehen nicht mit ausgestreckter Hand dorthin, wir gehen mit einer klar formulierten Aufgabe, die zu den von uns formulierten Bedingungen gelöst werden muss“, sagte Rjabkow gegenüber der russischen Nachrichtenagentur „RIA Novosti“. Nach Angaben von „The New York Times“ soll jedoch auf beiden Seiten großer Pessimismus geherrscht haben, dass eine diplomatische Lösung in Reichweite sei.

Die ersten Krisengespräche am 10. Januar in Genf haben keine neuen Erkenntnisse gebracht. Die USA warnten den Kreml erneut vor einem russischen Einmarsch in die Ukraine. Zugleich betonte die stellvertretende US-Außenministerin Wendy Sherman, dass die NATO ihre „Politik der offenen Tür“ fortsetzen werde. 

Rjabkow versicherte überdies, Russland habe „keine Intentionen, die Ukraine anzugreifen“. Er bezeichnete die Lage nach den Gesprächen als „nicht hoffnungslos“.

Einseitige Forderungen

In erster Linie geht es bei diesen Aktionen – wie der Aufmarsch oder die Forderungen – darum, die Vereinigten Staaten, die NATO und Europa auf die Probe zu stellen, analysiert „Carnegie Europe“.

Es gehe darum, die Ära nach dem Kalten Krieg umzukehren, indem Russland seinen militärischen und politischen Einfluss von vor 1989 in der Ukraine, Georgien und anderen Ländern der Region wieder geltend macht. 

Genau das ist auch Gegenstand der russischen Vertragsentwürfe. „Die verblüffend einseitig zugunsten Russlands ausgestalteten Vertragsentwürfe gehen so sehr von einer Maximalposition aus“, schreibt „NZZ“, „dass es schwerfällt, sich produktive Verhandlungen mit den USA und den NATO-Staaten auf dieser Grundlage vorzustellen.“

Das Ziel Moskaus ist es, von den Vereinigten Staaten und der NATO unverzüglich rechtliche Sicherheitsgarantien zu erhalten, obwohl Russland im Artikel 3 der Vereinbarung direkt fordert, dass sich die Parteien nicht als Gegner betrachten sollen.

Forderungen „unannehmbar“ und „inakzeptabel“

Die Entwürfe sind in „ihrer vorliegenden Fassung unannehmbar“, schreibt Professor Schramm, weil nur die alleinigen Sicherheitsinteressen Russlands ausreichend Berücksichtigung finden würden, nicht aber die der östlichen NATO-Partner und gar nicht die Interessen der Ukraine.

Im Artikel 4 des Vertragsentwurfs will Russland, dass sich die USA verpflichten, eine weitere Osterweiterung der NATO auszuschließen. Auch sollen sie auf die Aufnahme von Staaten in das Bündnis verzichten, „die früher Mitglieder der Union der Sozialistischen Sowjetrepubliken waren“.

Weiter wird gefordert, dass die USA keine Militärstützpunkte in Ländern errichten, die früher zur Sowjetunion gehörten und derzeit kein Mitglied in der NATO sind. Auch sollen sie keine gemeinsamen militärischen Aktivitäten veranstalten. Dazu kommt, dass sich mit Artikel 6 die Vertragsparteien dazu verpflichten sollen, keine landgestützten Mittel- und Kurzstreckenraketen außerhalb ihres Staatsterritoriums oder in Gebieten ihres Staatsterritoriums zu stationieren. 

Welche Reaktion erwartet Russland von den USA? Das sei unklar, meint Professor Schramm. Eine schlichte Zurückweisung in Verbindung mit einer Fortsetzung der Integration der Ukraine in NATO-Strukturen würde laut Schramm die Entschlossenheit Russlands auf die Probe stellen, dessen Interessen notfalls auch mit Gewalt durchzusetzen.

Auch die „Brookings Institution“ bezeichnet die Bestimmungen in beiden Vertragsentwürfen als „inakzeptabel“. Die Denkfabrik aus Washington stellt zudem die Frage, ob seitens von Russland eine Zurückweisung sogar erwünscht sei. Die Art und Weise der Formulierung und die rasche Veröffentlichung würden darauf hindeuten. Mit großen Streitkräften in der Nähe der Ukraine könnte Moskau dies als weiteren Vorwand für militärische Maßnahmen gegen seinen Nachbarn anführen, so das Institut.

Wenn sie jedoch einen ernsthaften Austausch anstreben, bei dem auch die Sicherheitsbedenken der anderen Parteien berücksichtigt werden, „könnten einige Bestimmungen des Entwurfs eine Grundlage für Diskussionen und Verhandlungen bieten“.

Europäer fühlen sich hintergangen

Inoffiziell haben einige europäische Beamte wachsende Bedenken über die Haltung der Regierung Biden gegenüber Moskau geäußert, schreibt „Politico“.

„In erster Linie hat Putin von Anfang an gewonnen“, sagte ein EU-Diplomat. „Das Treffen selbst signalisierte die Irrelevanz für Europa und die EU-Mitgliedstaaten.“ Insbesondere seien osteuropäische Länder übergangen worden – ihr Schicksal wird von Washington und Moskau bestimmt, ohne dass sie dabei sind, so der Diplomat.

Und laut der Analyse der „Carnegie Europe“ vernachlässigen die großen EU-Mitglieder die Geschichte ihrer mitteleuropäischen Partner, ihre Wahrnehmung Russlands und ihre Sicherheitsbedenken vollständig. Dies sei ein strategischer Fehler, der die europäische Einheit weiter schwächen würde.

Berlin und Frankreich würden weiterhin versuchen, bilateral mit dem Kreml zu verhandeln und die Spannungen zu entschärfen. Deswegen würde es keine Rolle spielen, wie kritisch sich die neue Außenministerin Annalena Baerbock gegenüber Russland zeigt, Bundeskanzler Olaf Scholz würde sich weiterhin um einen Dialog mit Russland bemühen.

Dieser Artikel erschient in der Epoch Times Wochenzeitung Ausgabe KW31 vom 15.01.2022. 



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