Verhofstadt zu Juncker-Nachfolger: EVP will auf einem Pferd an die Macht reiten, das sie selbst schon geschlachtet haben

Fast alle Parteien im Europaparlament haben die Forderung bekräftigt, dass einer der Spitzenkandidaten bei der EU-Wahl Nachfolger von Kommissionspräsident Jean-Claude Juncker werden sollte.
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Das EU-Parlament.Foto: iStock
Epoch Times28. Mai 2019

Vor dem EU-Sondergipfel infolge der Europawahl hat sich ein hartes Ringen um die Nachfolge von EU-Kommissionspräsident Jean-Claude Juncker abgezeichnet. Bundeskanzlerin Angela Merkel (CDU) bekräftigte am Dienstag in Brüssel ihre Unterstützung für den CSU-Politiker Manfred Weber.

Frankreichs Präsident Emmanuel Macron verlangte seinerseits einen Kandidaten „mit Erfahrung“. Wie die Liberalen im Europaparlament lehnt er die Forderung ab, dass nur ein Spitzenkandidat bei der Europawahl Nachfolger Junckers werden kann.

Merkel sagte, sie werde sich bei dem Gipfel am Abend als Mitglied der Europäischen Volkspartei (EVP) „natürlich für Manfred Weber einsetzen“. Es gehe allerdings nur um einen „ersten Austausch“ in der Personalfrage. Entscheidungen seien erst bis zum regulären EU-Gipfel Ende Juni nötig. Dann müssten die Staats- und Regierungschefs allerdings „Handlungsfähigkeit“ beweisen und eine konstruktive Lösung finden.

Suche nach einem neuen Kommissionschef gestaltet sich schwierig

Durch das Ergebnis der Europawahl wird eine Suche nach einem neuen Kommissionschef schwierig. Konservative und Sozialdemokraten wurden zwar wieder stärkste und zweitstärkste Fraktion im Europaparlament. Wegen deutlicher Verluste kommen aber beide zusammen nicht mehr auf eine absolute Mehrheit in der EU-Volksvertretung. Deshalb sind mindestens drei Fraktionen nötig, um einen neuen Kommissionspräsidenten zu küren.

Die Mehrheit der Fraktionsvorsitzenden im EU-Parlament sprach sich vor dem Gipfel für die Ernennung eines Spitzenkandidaten als Juncker-Nachfolger aus. In einer gemeinsamen Erklärung hieß es, dies diene der „Stärkung von Europas Demokratie“. Kandidaten müssten ihr „Programm und ihre Person vor den Wahlen“ vorgestellt und sich „im europaweiten Wahlkampf engagiert haben“.

Die liberale Fraktion im EU-Parlament, zu der auch Macrons Partei gehört, bekräftigte dagegen ihre Ablehnung des Spitzenkandidaten-Konzepts. Ihr Fraktionschef Guy Verhofstadt sprach der EVP die Legitimation ab, Weber durchzusetzen. „Sie versuchen, auf einem Pferd an die Macht zu reiten, das sie selbst bereits geschlachtet haben“, erklärte Verhofstadt mit Blick auf die Ablehnung von länderübergreifenden Kandidatenlisten bei der Europawahl durch die Konservativen.

„Sie verstehen, dass mein Herz für Frau Vestager schlägt“

Macron sagte in Brüssel, nötig seien Frauen und Männer mit großer „Erfahrung und Glaubwürdigkeit“. Der sozialdemokratische Spitzenkandidat Frans Timmermans, die dänische EU-Wettbewerbskommissarin Margrethe Vestager und der französische Brexit-Beauftragte Michel Barnier hätten solche Kompetenzen. Macron nannte Weber nicht namentlich. Dem CSU-Politiker fehlt Regierungserfahrung, da er bisher als EU-Abgeordneter Karriere gemacht hat.

Der liberale Luxemburger Regierungschef Xavier Bettel nannte Vestager „eine starke Kandidatin“ mit herausragendem Lebenslauf. „Sie verstehen, dass mein Herz für Frau Vestager schlägt“, betonte er. Allerdings haben die Liberalen rechnerisch auch mit Grünen, Linken und Sozialdemokraten im Parlament keine Mehrheit, um sie gegen den Willen der Konservativen zur Kommissionspräsidentin zu machen.

Nach der Europawahl 2014 war mit Juncker erstmals ein Spitzenkandidat zum Kommissionspräsidenten gewählt worden. Die EU-Staats- und Regierungschefs hatten aber bereits im vergangenen Jahr klargemacht, dass sie weiter „keinen Automatismus“ in der Frage sehen und sich vorbehalten, auch andere Bewerber für den europäischen Spitzenposten vorzuschlagen.

Tschechien will eigenen Kandidaten vorschlagen

Das Spitzenkandidaten-Konzept sei für ihn „nicht die heilige Bibel“, sagte der slowakische Ministerpräsident Peter Pellegrini in Brüssel. Er forderte einen „jungen, dynamischen“ Kandidaten „mit viel Energie“.

Nach einem Pressebericht wollen Ungarn, Polen, die Slowakei und Tschechien einen eigenen Kandidaten für die Juncker-Nachfolge vorschlagen. Sie hätten sich auf den slowakischen Vize-Kommissionspräsidenten Maros Sefcovic geeinigt, berichtete die tschechische Zeitung „Hospodarske Noviny“. Bekomme er nicht die nötige Unterstützung, sei er aus Sicht der vier Länder auch ein geeigneter Nachfolger für die EU-Außenbeauftragte Federica Mogherini. (afp)



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