Mutmaßliche Verletzung des Luftraums: Polen schickt mehr Truppen an weißrussische Grenze

Polens Ministerpräsident Morawiecki warnt vor Provokationen an der belarussischen Grenze, nachdem zwei weißrussische Militärhubschrauber den Luftraum verletzt haben sollen. Auch die NATO ist alarmiert. Weißrussland dementiert die Vorwürfe.
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Ein polnischer Soldat am 8. Juli 2023 in Bialowieza an der Metallmauer an der polnisch-weißrussischen Grenze vor Panzersperren. Letzte Woche kündigte die polnische Regierung die Entsendung von 500 Anti-Terror-Polizisten an die Grenze zu Weißrussland an.Foto: von Omar Marques/Getty Images
Von 4. August 2023

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Das polnische Verteidigungsministerium gab am 1. August die Entscheidung bekannt, „zusätzliche Kräfte und Ressourcen einschließlich Kampfhubschrauber“ an die polnische Ostgrenze zu entsenden. Weißrussland ist ein wichtiger Verbündeter Russlands. Ursache ist eine mögliche Verletzung des Luftraums durch zwei weißrussische Militärhubschrauber.

„Russland und Belarus erhöhen den Druck an der Grenze, steigern die Zahl ihrer Provokationen und wir müssen uns bewusst sein, dass diese Zahl noch zunehmen wird“, sagte Polens Ministerpräsident Mateusz Morawiecki am gestrigen Donnerstag.

Die Operationen bestünden darin, „zu destabilisieren, Zweifel, Chaos und Unsicherheit zu säen“ und Polens Partnern die „Schwäche der Ostflanke der Nato“ aufzuzeigen. Morawiecki sagte zudem, Informationen Warschaus zufolge seien zurzeit etwa 4.000 Kämpfer der russischen Söldnertruppe Wagner in Belarus stationiert.

Nach Angaben des polnischen Verteidigungsministeriums hat Warschau die NATO über die angebliche Verletzung informiert und den belarussischen Geschäftsträger aufgefordert, eine Erklärung abzugeben.

Minsk dementiert Grenzverletzungen

Polen ist seit 1999 Mitglied der NATO. Seit dem Einmarsch Russlands in die Ukraine Anfang letzten Jahres gehört Warschau zu den stärksten Unterstützern Kiews. Während das polnische Militär zunächst jegliche Verletzung durch Weißrussland leugnete, erklärte es später, die Verletzung habe sich „in sehr geringer Höhe“ ereignet. Daher sei sie schwer zu erkennen gewesen.

Minsk seinerseits behauptet, die Geschichte sei erfunden worden, um einen Vorwand für weitere polnische Einsätze an der Grenze zu liefern. „Es gab keine Grenzverletzungen durch Mi-8- und Mi-24-Hubschrauber“, erläuterte das belarussische Verteidigungsministerium in einer Erklärung.

Es beschuldigte Warschau außerdem, seine Geschichte „nach Rücksprache mit seinen Herren im Ausland“ geändert zu haben – eine Anspielung auf die NATO und Washington.

Der Wagner-Faktor

Die Spannungen entlang der circa 402 Kilometer langen Grenze spitzten sich im letzten Monat zu. Damals waren die russischen Kämpfer der Wagner-Gruppe in Weißrussland eingetroffen, wo sie Einheiten des weißrussischen Militärs ausbilden.

Berichten zufolge findet das Training in einer Militäreinrichtung nahe der polnischen Grenze statt. Ende Juni führte der Wagner-Chef Jewgeni Prigoschin einen kurzzeitigen Marsch nach Moskau an, der den Kreml selbst zu bedrohen schien. Das Problem konnte abgewendet werden, nachdem der weißrussische Präsident Alexander Lukaschenko eine Deeskalationsvereinbarung ausgehandelt hatte.

Im Rahmen dieser Vereinbarung wurde den Wagner-Kämpfern – einschließlich Prigoschin – gestattet, nach Weißrussland umzusiedeln. Das löste jedoch Befürchtungen aus, dass die bereits angespannte Region destabilisiert werden könnte.

Söldner der Wagner-Gruppe am 24. Juni 2023 auf einem Panzer in der Stadt Rostow am Don, Russland. Foto: Stringer/AFP/Getty Images

Unter Berufung auf „mögliche Bedrohungen“ durch die Wagner-Gruppe begann Warschau bald darauf, zusätzliche Truppen an die belarussische Grenze zu schicken. Zwei Wochen nach dem Aufstand von Prigoshin entsandte Polen mehr als 1.000 Soldaten in den Osten des Landes. Am 8. Juli erklärte der polnische Verteidigungsminister Mariusz Blaszczak, diese Maßnahme zeige die Bereitschaft Warschaus, „auf Destabilisierungsversuche zu reagieren“.

Boris Gryslow, Moskaus Gesandter in Minsk, warnte später, dass Russland und Weißrussland – die durch ihren eigenen Verteidigungsvertrag gebunden sind – bereit seien, „jede Bedrohung“ ihrer kollektiven Sicherheit abzuwehren. Am 29. Juli behauptete der polnische Ministerpräsident Mateusz Morawiecki, dass 100 Wagner-Kämpfer vor Kurzem in die weißrussische Stadt Grodno eingedrungen seien, die etwa 16 Kilometer von der polnischen Grenze entfernt liegt.

„Die Situation wird immer gefährlicher“, sagte Morawiecki vor Reportern. Er gab jedoch keine Quelle für seine Informationen an. Lukaschenko wiederum hat die Anschuldigungen des polnischen Premierministers zurückgewiesen.

„Unionsstaat“-Vertrag zwischen Russland und Weißrussland

Es ist nicht das erste Mal, dass in der Nähe der polnischen Grenze Spannungen aufflammen. Im vergangenen November zitierte die „Associated Press“ einen ungenannten „US-Geheimdienstmitarbeiter“, der fälschlicherweise behauptete, eine russische Rakete sei auf polnischem Gebiet eingeschlagen.

Bevor die Behauptung entkräftet wurde, löste sie Befürchtungen über einen bevorstehenden Zusammenstoß zwischen Russland und der NATO aus. Das atlantische Bündnis ist verpflichtet, andere Mitgliedstaaten zu verteidigen, wenn diese von außen angegriffen werden.

Minsk unterhält seit jeher enge Beziehungen zu Moskau. Ein Sprecher des Kremls bezeichnete Weißrussland kürzlich als Russlands „Verbündeten Nr. 1“.

Seit 1999 sind die beiden ehemaligen Sowjetrepubliken durch einen „Unionsstaat“-Vertrag verbunden, der die bilateralen Beziehungen in den Bereichen Verteidigung und Wirtschaft festigen soll.

Seit Beginn des Ukraine-Krieges lief die militärische Zusammenarbeit zwischen Russland und Weißrussland auf Hochtouren. Im vergangenen Herbst schickte Russland im Rahmen des Unionsvertrags Truppen und militärisches Gerät nach Belarus. Anfang dieses Jahres legte Moskau noch einen drauf und enthüllte Pläne zur Stationierung taktischer Atomwaffen auf weißrussischem Gebiet. Im Juni erklärte Lukaschenko, eine Reihe russischer Atomwaffen sei bereits eingetroffen.

Nach den jüngsten Truppenverlegungen Polens warnte Moskau, dass ein Angriff auf Weißrussland – „durch Polen oder einen anderen Aggressor“ – als Angriff auf Russland gewertet werden würde.

Westukraine im Visier von Polen?

Am 22. Juli sagte Boris Gryslow, Moskaus Botschafter in Weißrussland, dass die jüngsten Grenzverlegungen Polens wie Vorbereitungen für „größere aggressive Aktionen“ aussehen.

Einen Tag zuvor hatte der russische Präsident Wladimir Putin Polen vorgeworfen, territoriale Ambitionen sowohl in Weißrussland als auch in der Ukraine zu hegen. Er behauptete, Warschau strebe eine von der NATO unterstützte „Koalition“ an. Damit wolle es Teile der Westukraine unter dem Deckmantel der „Friedenssicherung“ besetzen.

„Wenn polnische Einheiten in Lemberg oder andere ukrainische Regionen eindringen, werden sie dortbleiben“, sagte er. Zudem erinnerte er daran, dass Polen Lemberg nach dem Ersten Weltkrieg kurzzeitig besetzt hatte. Putins Äußerungen griffen frühere Behauptungen von Sergej Naryschkin, dem Leiter des russischen Auslandsgeheimdienstes, auf.

Letztes Jahr behauptete Naryschkin, dass es geheime Pläne zwischen Warschau und Washington gebe, um Polens „militärische und politische Kontrolle über seine ‚historischen Territorien‘ in der Ukraine“ zu sichern.

Polen dementiert eigene Ambitionen in der Ukraine

Während eines dreitägigen Besuchs in Russland in der vergangenen Woche erwähnte Lukaschenko ebenfalls die Vorstellung, dass die Ukraine durch Polen „zerstückelt“ werden könnte.

Ein Sprecher des US-Außenministeriums wies diese Idee später mit den Worten zurück: „Es gibt nur ein Land in der Region, das die Bereitschaft gezeigt hat, in seine Nachbarn einzumarschieren, und das ist Russland, nicht Polen.“

Gleichwohl behauptete die Sprecherin des russischen Außenministeriums, Maria Sacharowa, am 2. August, dass die polnischen Ambitionen in der Westukraine nun ein „Hauptthema der Diskussion“ in Polen seien. „Es sind nicht nur Randgruppen, die darüber reden“, sagte sie gegenüber russischen Medien. „Es ist nicht mehr möglich, so zu tun, als wüsste niemand, was vor sich geht.

Polen hat seinerseits stets bestritten, dass es irgendwelche Pläne auf ukrainischem Gebiet hat. Solche Behauptungen, so Warschau, seien lediglich dazu gedacht, „Misstrauen zwischen der Ukraine und Polen zu schüren“.

Dieser Artikel erschien im Original auf theepochtimes.com unter dem Titel: „Poland Sends More Troops to Belarus Border After Alleged Airspace Violation
(redaktionelle Bearbeitung il)



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