Nach Wagner-Rebellion: Weißrussland rückt ins Zentrum der Aufmerksamkeit

Bereits Anfang des Jahres ist Weißrussland in die Schlagzeilen gerückt, als Moskau Pläne zur Stationierung taktischer Atomwaffen auf belarussischem Boden bekannt gab. Nachdem Wagner-Chef Prigoschin jetzt Zuflucht in Minsk gefunden hat, rückt das Land erneut in den Fokus.
Wladimir Putin (r), Präsident von Russland, und Alexander Lukaschenko, Präsident von Belarus, nach einer gemeinsamen Pressekonferenz.
Wladimir Putin (r), Präsident von Russland, und Alexander Lukaschenko, Präsident von Belarus, nach einer gemeinsamen Pressekonferenz.Foto: Sergei Guneyev/Pool Sputnik Kremlin/AP/dpa
Von 1. Juli 2023

Weißrussland, das eine entscheidende Rolle bei der Beendigung der gescheiterten Meuterei des Anführers der russischen Wagner-Gruppe gegen den Kreml in der vergangenen Woche spielte, ist in den Blickpunkt der Öffentlichkeit gerückt.

Das Land ist ein wichtiger Verbündeter Russlands und geriet bereits Anfang des Jahres in die Schlagzeilen, als Moskau Pläne zur Stationierung taktischer Atomwaffen auf belarussischem Boden bekannt gab.

Am 27. Juni bestätigte der belarussische Präsident Alexander Lukaschenko, dass bereits eine große Anzahl russischer Atomwaffen in das Land verlegt worden sei. „Es ist erstaunlich, dass sie diese nicht entdeckt haben“, wird er von der Nachrichtenagentur „BelTA“ zitiert, wobei er sich vermutlich auf westliche Geheimdienste bezieht.

In Minsk ist der momentan in Ungnade gefallene Wagner-Chef Jewgeni Prigoschin untergekommen, dessen kurzzeitige Rebellion am 24. Juni kurzzeitig Moskau selbst zu bedrohen schien. Die Krise konnte jedoch in weniger als 24 Stunden abgewendet werden, nachdem Lukaschenko in Abstimmung mit dem russischen Präsidenten Wladimir Putin eine Deeskalationsvereinbarung mit Prigoschin ausgehandelt hatte.

Prigoschin traf am 27. Juni in Belarus ein. Noch am selben Tag ließ der FSB die Anklage gegen ihn fallen. Russischen Medienberichten zufolge wird Prigoschin von den belarussischen Behörden überwacht, um sicherzustellen, dass er sich nicht „politisch betätigt“.

Litauen befürchtet Bedrohung durch die Wagner-Söldner

In einer am 26. Juni vom Fernsehen übertragenen Ansprache sagte Putin, die Wagner-Mitglieder könnten einen Vertrag mit der regulären russischen Armee unterzeichnen, „zu ihren Familien und Angehörigen zurückzukehren“ oder „nach Belarus gehen“.

NATO-Generalsekretär Jens Stoltenberg erklärte daraufhin am 28. Juni, das transatlantische Militärbündnis sei bereit, sich gegen die Bedrohung durch die Wagner-Söldnertruppe zu verteidigen, die in Richtung Weißrussland verlegt werden könnte. Obwohl der Status der Verlegung der Wagner-Truppen weiterhin unklar bleibt, hat dies bei den osteuropäischen NATO-Mitgliedern die Befürchtung geweckt, dass die Nähe der Söldnertruppe zu ihren Grenzen ein Sicherheitsrisiko darstelle.

Wenn Wagner seine Serienmörder in Weißrussland einsetzt, besteht für alle Nachbarländer eine noch größere Gefahr der Instabilität“,

sagte der litauische Präsident Gitanas Nausėda am 28. Juni nach einem Treffen mit NATO-Generalsekretär Stoltenberg und führenden Vertretern anderer NATO-Mitgliedstaaten in den Niederlanden.

Nach Wagner-Rebellion: Weißrussland rückt ins Zentrum der Aufmerksamkeit
Mitglieder der Wagner-Gruppe bereiten sich am 24. Juni 2023 darauf vor, aus dem Hauptquartier des südlichen Militärbezirks zu ihrem Stützpunkt in Rostow am Don zurückzukehren. Foto: Roman Romokhov/AFP via Getty Images

„Abkühlung nötig“

Aber zurück nach Weißrussland. Nach dem Deal mit Wagner-Chef Prigoschin hatte Lukaschenko die Bedingungen der Vereinbarung verteidigt, die einige pro-russische Kritiker angesichts des Umfangs von Prigoschins Vergehen als zu milde ansehen. „Es gibt keinen Grund, jemanden zu inhaftieren“, sagte Lukaschenko nach Prigoschins Ankunft in Belarus gegenüber „BelTA“. „Dies ist meine Botschaft an die russischen Fahnenschwenker und Turbopatrioten“, sagte er.

„Wir müssen uns abkühlen und das Blatt wenden“, fügte der belarussische Präsident hinzu. „Wenn nötig, werden wir auf diese Geschichte zurückkommen. Aber jetzt müssen wir uns abkühlen.“ Lukaschenko, der seit 1994 an der Macht ist, wird als einer der engsten Verbündeten Putins angesehen.

„Präsident Putin unterhält seit Langem gute Beziehungen [zu Lukaschenko] – nicht nur als Verbündeter, sondern als Freund“, sagte Kreml-Sprecher Dmitri Peskow am 27. Juni. Laut Peskow tauschen die beiden Führer „täglich Meinungen aus und koordinieren ihre Aktionen“.

Der Unionsstaat

Im April hatte Lukaschenko Putin in Moskau besucht, um über den Vertrag des „Unionsstaates“ zu sprechen, der die beiden Länder seit 1999 verbindet. Der Vertrag regelt die Wirtschafts-, Sicherheits- und Verteidigungsbeziehungen zwischen Russland und Weißrussland, die beide ehemalige Sowjetrepubliken sind.

Im Rahmen des Unionsstaates verfügen die beiden Länder über eine gemeinsame Sicherheitsstruktur, die eine gemeinsame regionale Streitkräftegruppe (RGF) und ein gemeinsam betriebenes Luftverteidigungssystem umfasst.

Am 28. Juni lobte Natalja Kochanowa, eine hochrangige belarussische Gesetzgeberin, den Unionsstaat als „Machtzentrum, mit dem jeder rechnen müsse – ungeachtet seiner eigenen strategischen Ambitionen“.

Neben dem Unionsstaatsvertrag ist Weißrussland Mitglied mehrerer von Moskau geführter regionaler Zusammenschlüsse, darunter der Gemeinschaft Unabhängiger Staaten und der Organisation des Vertrags über kollektive Sicherheit. Letzteres ist ein im Jahre 2002 gegründetes Militärbündnis.

Belarus ist zudem auf dem besten Weg, Vollmitglied der Shanghaier Organisation für Zusammenarbeit zu werden, einem gewaltigen Bündnis eurasischer Staaten, das 2001 von Moskau und Peking gegründet wurde.

Militärische Zusammenarbeit

Seit Russlands Einmarsch in die Ukraine Anfang letzten Jahres hat sich die militärische Zusammenarbeit zwischen Moskau und Minsk exponentiell verstärkt.

Im Oktober 2022 gründeten die beiden Länder die gemeinsame RGF, die sich aus russischen und belarussischen Militärangehörigen zusammensetzt. Bald darauf entsandte Moskau Tausende Soldaten und umfangreiche militärische Ausrüstung nach Belarus.

Im Dezember gab Minsk bekannt, dass die von Russland stationierten Raketensysteme Iskander und S-400 auf belarussischem Gebiet einsatzbereit sind, was die Befürchtungen einer Eskalation noch verstärkte.

Im selben Monat stattete Putin zusammen mit seinen Ministern für Verteidigung und auswärtige Angelegenheiten Minsk einen seltenen Besuch ab, um mit belarussischen Beamten unter Ausschluss der Öffentlichkeit zu sprechen.

„Verbündeter Nummer eins“

Kurz vor dem Besuch bezeichnete Kreml-Sprecher Peskow Weißrussland als Moskaus „Verbündeten Nummer eins“. Doch bisher hat Weißrussland noch keine aktive Rolle im Russland-Ukraine-Konflikt gespielt. Lukaschenko selbst hat wiederholt erklärt, er habe nicht die Absicht, belarussische Streitkräfte in die Ukraine zu entsenden, um an der Seite russischer Truppen zu kämpfen.

Die zunehmende militärische Zusammenarbeit hat jedoch die Befürchtung geweckt, dass Weißrussland als Aufmarschgebiet für einen möglichen russischen Vorstoß auf Kiew genutzt werden könnte, wie dies in den ersten Wochen des Konflikts der Fall war.

Weißrussland liegt im unmittelbaren Norden der Ukraine. Die beiden Länder teilen sich eine etwa Tausend Kilometer lange Grenze, die grob 150 Kilometer von Kiew entfernt verläuft.

Armee in Alarmbereitschaft

Am 27. Juni, während Prigoschins Meuterei im Gange war, sei laut Lukaschenko das belarussische Militär in höchste Alarmbereitschaft versetzt worden, wie die Nachrichtenagentur „BelTA“ berichtete.

Lukaschenko habe auch behauptet, die Armee habe bewaffnete Oppositionsgruppen – er erwähnte das „sogenannte Kalinowski-Regiment“ – daran gehindert, eine „Revolution“ in Belarus anzuzetteln, die mit Prigoschins Aufstand zusammenfallen sollte. Das 2022 gegründete Kalinowski-Regiment besteht Berichten zufolge aus unzufriedenen Weißrussen, die sich freiwillig zum Kampf gegen die russischen Streitkräfte in der Ukraine gemeldet haben. Die Epoch Times war nicht in der Lage, Lukaschenkos Behauptungen zu verifizieren.

Im Jahr 2020 wurde Minsk von großen Demonstrationen erschüttert, denen es beinahe gelungen wäre, Lukaschenkos Regierung zu stürzen. Minsk und Moskau betrachten diese Proteste als einen vom Westen unterstützten Versuch eines Regimewechsels und ziehen Parallelen zur „Maidan-Revolution“ von 2014 in Kiew, die zum Sturz des pro-russischen Präsidenten der Ukraine führte.

Dieser Artikel erschien im Original auf theepochtimes.com unter dem Titel: „Key Russian Ally Belarus Takes Center Stage After Wagner Rebellion“ (redaktionelle Bearbeitung il)



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