Niederlande: Wilders findet keine Koalitionspartner – Minderheitsregierung eine Option

Die Niederlande stehen vor einer schwierigen Regierungsbildung. Der Rechtsaußenpolitiker Geert Wilders will Premierminister werden, findet aber keine Koalitionspartner. Die Mitte-rechts-Parteien wären allerdings zu themenbezogener Zusammenarbeit bereit.
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Niederlande: Wahlsieger Geert Wilders braucht für eine Mehrheit mindestens zwei Parteien. SEM VAN DER WAL/ANP/AFP via Getty Images
Von 30. November 2023

Eine Woche nach den Parlamentswahlen in den Niederlanden zeichnet sich eine zähe Regierungsbildung ab. Mit 23,5 Prozent der Stimmen und 37 Sitzen ist die weit rechte „Partei für die Freiheit“ (PVV) von Geert Wilders mit Abstand stärkste Kraft geworden. Ob es für sie eine Regierungsoption geben wird, ist auch nach ersten Sondierungsgesprächen noch unklar.

VVD zeigt sich für Kooperation in Detailfragen offen

Wilders erhebt den Anspruch auf das Amt des Premierministers. Als Wunschpartner benannte er die Mitte-Rechts-Parteien VVD und NSC sowie die „Bürger- und Bauernbewegung“ (BBB). Dies wäre aus seiner Sicht die „logische, richtige Kombination“ in Anbetracht des Wahlergebnisses. Er wäre allerdings auch zur Bildung eines Minderheitskabinetts bereit.

Zum Eintritt in eine von ihm geführte Regierungskoalition erklärt sich bislang nur die BBB unter Caroline van der Plas bereit. In der VVD signalisiert man hingegen zurzeit kein Interesse daran, Juniorpartner in einer von Wilders geführten Koalitionsregierung zu werden.

Die Parteivorsitzende Dilan Yeşilgöz-Zegerius hat jedoch auf X erklärt, sie wäre bereit, mit einem Bündnis aus PVV, NSC und BBB punktuell zusammenzuarbeiten. Dies betreffe insbesondere Themen wie Migration, Wohnungsbau und die Senkung der Lebenshaltungskosten. Über die genaue Form der Zusammenarbeit könne man noch sprechen.

Omtzigt verlangt von Wilders Klarstellung bezüglich extremer Islam-Positionen

Noch deutlich zurückhaltender ist der Chef der neu gegründeten, zentristischen Partei „Neuer Gesellschaftsvertrag“ (NSC), Pieter Omtzigt. Er macht gegenüber dem „Telegraaf“ deutlich, dass er von Wilders und dessen Partei inhaltliche Klarstellungen verlangt.

Omtzigt weist darauf hin, dass Forderungen wie jene nach einem Verbot des Koran, von Moscheen und Kopftüchern gegen die Verfassung verstoßen. Diese finden sich jedoch nach wie vor im Parteiprogramm der PVV. Wilders hatte zwar in Wahlkampf angedeutet, seine Ansichten zum Islam „vorerst auf Eis legen“ zu wollen. Omtzigt möchte jedoch Klarheit über die Bedeutung dieser Ankündigung.

„Ich möchte zum jetzigen Zeitpunkt keine Verhandlungen aufnehmen“, äußerte der NSC-Chef dem „Telegraaf“ zufolge nach seinem Gespräch mit PVV-Unterhändler Ronald Plasterk. „Es gibt immer noch Hindernisse im Bereich der Rechtsstaatlichkeit.“

NSC will eigene Informatoren nominieren

Wilders müsse klären, „ob und wie die PVV eine verbindende Rolle in der Gesellschaft und in einer möglichen Partnerschaft spielen wird“. Außerdem sieht Omtzigt noch weitere politische Hindernisse hinsichtlich einer möglichen Zusammenarbeit. Dazu zählten die Unterstützung für die Ukraine und die „Spekulationen über einen Nexit“ oder das Euro-Aus.

Dennoch wolle die NSC, „falls gewünscht“, zwei sogenannte Informatoren nominieren. Diese sollen mit allen Parteien prüfen, wie man aktuellen Herausforderungen für die Niederlande bestmöglich begegnen könne.

PVV-Unterhändler Plasterk erklärte, er erwarte nach dem ersten Verhandlungstag eine zweite Gesprächsrunde mit „einigen der Parteiführer“.

Timmermans erhielt nur 46 Prozent seiner Parteistimmen

Nicht dazugehören wird aller Voraussicht nach der Spitzenkandidat des rot-grünen Bündnisses GL/PvdA, Frans Timmermans. Er nannte eine mögliche Zusammenarbeit mit Wilders „unmöglich, ein No-Go“. Der frühere EU-Klimakommissar erklärte, seine Partei könne nicht mit einer Kraft kooperieren, die „unsere Verfassung nicht respektiert und große Gruppen von Menschen ausschließt“.

Timmermans selbst könnte zu einem potenziellen Regierungspartner werden, sollte die Bildung eines Kabinetts unter Einschluss der PVV scheitern. Ob er als knapper Zweitplatzierter der Wahl gegenüber VVD und NSC den Anspruch auf den Posten des Premiers anmelden könnte, ist ungewiss.

Dagegen spricht, dass er nur 46 Prozent der Parteistimmen auf sich vereinen konnte. Das ist ein Indiz für Unbeliebtheit – selbst im eigenen politischen Lager. Wilders erhielt hingegen 91 Prozent der auf die PVV entfallenden Stimmen, und auch bei VVD, NSC, CDA und SP stimmten mehr als 80 Prozent für die jeweiligen Spitzenkandidaten.

Timmermans will dies nicht als persönliches Misstrauensvotum werten. Die Wähler seiner Partei, so erklärte er, würden eben „lieber für ihre eigene Blutgruppe“ stimmen – und Frauen für Frauen.

ING-Analysten halten restriktiven Migrationskurs von Wilders & Co. nicht für realistisch

Beobachter rechnen mit monatelangen Verhandlungen, bis eine neue Regierung steht. Raoul du Pré, der politische Chefredakteur des „Volkskrant“, hält die Koalitionsverweigerung der VVD für ein taktisches Manöver. In Leserkommentaren an den „Telegraaf“ werden Mutmaßungen laut, die Partei könnte gegen ein hohes EU- oder NATO-Amt für Ex-Premier Mark Rutte bereit sein, Wilders zu tolerieren – und ihn bei der nächsten sich bietenden Gelegenheit fallen lassen.

Ökonomen der ING-Bank halten auch die Ankündigungen der Rechten, die Migration strikt begrenzen zu wollen, für unrealistisch. Ihre Wahlprogramme würden, so die Analysten, eine „beträchtlich expandierende“ Wirtschaft schaffen, die eine größere Nachfrage nach ausländischen Arbeitskräften zur Folge hätte.



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