Pakistan wählt ein neues Parlament – Familiendynastien greifen nach der Macht

Die Opposition in Pakistan klagt über Schikanen, der beliebte Ex-Premierminister Imran Khan sitzt im Gefängnis. Zwei große Politdynastien kämpfen nun erneut um die Macht.
Seit Monaten prangern Politikexperten und Menschenrechtler in dem Land unfaire Wahlbedingungen an, da Pakistans Justiz die Opposition weitgehend demontiert hat.
Seit Monaten prangern Politikexperten und Menschenrechtler in dem Land unfaire Wahlbedingungen an, da Pakistans Justiz die Opposition weitgehend demontiert hat.Foto: K.M. Chaudary/AP/dpa
Epoch Times8. Februar 2024

Die südasiatische Atommacht Pakistan lässt ein neues Parlament wählen. Rund 130 Millionen Wahlberechtigte sind heute dazu aufgerufen, über die Machtverteilung in der Nationalversammlung und den Provinzparlamenten zu bestimmen.

Die Wahllokale sind von 8:00 bis 17:00 Uhr (Ortszeit, 4:00 bis 13:00 Uhr MEZ) geöffnet. Mehr als 600.000 Armee, Paramilitär und Polizei werden für die Wählersicherheit eingesetzt. Im Laufe des Abends könnte bereits ein vorläufiges Ergebnis feststehen.

Fast 18.000 Kandidaten haben sich für die Wahlen zum Parlament und zu vier Provinzversammlungen aufstellen lassen. Am Vortag der Wahlen erschütterte Gewalt das Land: Bei Explosionen in der Nähe der Büros von Kandidaten im Südwesten des Landes wurden mindestens 28 Menschen getötet. Die Terrormiliz Islamischer Staat (IS) reklamierte einen Anschlag für sich.

Da einer der beliebtesten Politiker, der Ex-Regierungschef Imran Khan im Gefängnis sitzt, und auch ein Großteil seiner Parteikollegen von der Wahl ausgeschlossen ist, scheint das Feld offen für eine vierte Amtszeit von Premierminister Nawaz Sharif und seiner konservativen Partei Muslimliga-Nawaz.

Mobilfunkdienste am Wahltag ausgeschaltet

Behörden haben unter Berufung auf die jüngsten Terroranschläge erklärt, die Mobilfunkdienste am Wahltag auszusetzen. Die Opposition sieht dies als einen weiteren Versuch an, faire Wahlen zu behindern. Umfragen und Ergebnisse seien so nur schwierig zu überwachen.

Bereits bei der Wahl 2028 war das Computersystem für die Stimmenzählung der Wahlkommission ausgefallen, Stundenland. Viele hielten dies für einen Versuch, das Ergebnis zu manipulieren.

Laut dem oberste Wahlkommissar Sikander Sultan Raja hängt das Zählsystem nicht vom Telefon- oder Internetsignal ab. Daher werde dieses nicht betroffen sein. „Die Wahlen werden frei und fair sein“, sagte Raja. „Es wird den Wählern freistehen, ihre Stimme für ihren gewählten Kandidaten abzugeben“.

Opposition gelähmt, Bevölkerung desillusioniert

Seit Monaten prangern Politikexperten und Menschenrechtler in dem Land unfaire Wahlbedingungen an, da Pakistans Justiz die Opposition weitgehend demontiert hat. Der frühere Premierminister Imran Khan sitzt wegen Korruptionsvorwürfen im Gefängnis, der 71 Jahre alte Politiker sieht sich als Opfer einer politischen Verschwörung und macht das mächtige Militär dafür verantwortlich.

Auch Khans sogenannte Gerechtigkeitspartei Tehreek-e Insaf (PTI) ist gelähmt, da ihre Mitglieder gemäß einem Urteil des Obersten Gerichts nur als unabhängige Kandidaten antreten dürfen. Gegen Khan laufen Dutzende Verfahren, seitdem er im Frühjahr 2022 durch ein Misstrauensvotum im Parlament abgesetzt wurde. Der frühere Kricket-Star hatte die vergangene Parlamentswahl im Jahr 2018 gewonnen.

Khan hat aus seiner Gefängniszelle über seinen Anwalt seine Partei und Anhänger aufgefordert, friedlich zu bleiben, aber zur Abstimmung zu gehen. Eine hohe Wahlbeteiligung könnte Khan begünstigen.

Viele der 240 Millionen Pakistaner sind mit Blick auf die Wahlen und politische Führung des Landes desillusioniert, wie eine Umfrage des Meinungsforschungsinstituts Gallup vom vergangenen Jahr zeigt. Demnach glaubten bei einer Erhebung im Herbst 2023 nur 25 Prozent der Befragten daran, dass die Parlamentswahl regelkonform ablaufen würde.

Während der Wahlen 2018 hatte der Anteil noch fast doppelt so hoch gelegen. 88 Prozent gaben außerdem an, dass ihrer Ansicht nach Korruption in der Regierung weit verbreitet sei. Im Wahlkampf spielte vor allem die miserable Wirtschaftslage und enorm hohe Inflation eine Rolle.

Sharifs gegen Bhuttos – Politdynastien kämpfen um die Macht

Der Wahlsieg wird nun vor allem zwischen den zwei großen Politdynastien der Sharifs und Bhuttos ausgefochten.

Als Favorit gehen die Pakistanische Muslim-Liga (PML-N) und ihr Spitzenkandidat, der dreifache Premier Nawaz Sharif, ins Rennen. Sharif war erst im Herbst 2023 aus dem britischen Exil in seine Heimat zurückgekehrt, in der Zwischenzeit war sein jüngerer Bruder Shehbaz unter anderem Ministerpräsident. Von alten Korruptionsvorwürfen jüngst freigesprochen, erlebte der 74-jährige Ex-Premier ein Comeback. Sharifs Polit-Klan, zu dem auch seine Tochter Maryam zählt, hat seine Basis in der Provinz Punjab, der bevölkerungsreichsten und wirtschaftlich stärksten Region des Landes.

Als Außenseiter aber wichtigster Kontrahent Sharifs gilt der 35-jährige Oxford-Absolvent und frühere Außenminister Bilawal Bhutto Zardari, der als Spitzenkandidat für die pakistanische Volkspartei (PPP) antritt. Die Mitte-Links-Partei wird seit ihrer Gründung von der Bhutto-Dynastie geführt. Bhutto Zardaris Mutter ist die 2007 ermordete, charismatische Ex-Ministerpräsidentin Benazir Bhutto.

Die PPP und die PML-N waren zuletzt Teil einer breiten Regierungskoalition, die Imran Khan gestürzt hatte. Bhutto Zardari sagte dem lokalen TV-Sender Geo News am Abend vor der Wahl, eine weitere Regierungszusammenarbeit mit den Sharif-Brüdern der PML-N sei für ihn unmöglich, wenn die PML-N die immer gleiche Politik fortführe, wie die Zeitung „Dawn“ berichtete. Aktuell regiert wie in Pakistan in den Monaten vor Wahlen üblich ein Übergangskabinett.

Seit der Unabhängigkeit Pakistans vor über 75 Jahren infolge der Teilung Britisch-Indiens kam es immer wieder zu Unruhen und Instabilität im Land. Mehr als die Hälfte dieser Zeit regierte das Militär.

Und auch unter den zivilen Regierungen galten Generäle als die Kraft, die über Erfolg oder Scheitern der politischen Führung entscheiden konnten. Bis heute hat kein einziger pakistanischer Regierungschef seine Amtszeit regulär vollendet. (dpa/red)



Epoch TV
Epoch Vital
Kommentare
Liebe Leser,

vielen Dank, dass Sie unseren Kommentar-Bereich nutzen.

Bitte verzichten Sie auf Unterstellungen, Schimpfworte, aggressive Formulierungen und Werbe-Links. Solche Kommentare werden wir nicht veröffentlichen. Dies umfasst ebenso abschweifende Kommentare, die keinen konkreten Bezug zum jeweiligen Artikel haben. Viele Kommentare waren bisher schon anregend und auf die Themen bezogen. Wir bitten Sie um eine Qualität, die den Artikeln entspricht, so haben wir alle etwas davon.

Da wir die Verantwortung für jeden veröffentlichten Kommentar tragen, geben wir Kommentare erst nach einer Prüfung frei. Je nach Aufkommen kann es deswegen zu zeitlichen Verzögerungen kommen.


Ihre Epoch Times - Redaktion