Nach Raketenangriff: Pakistan greift Ziele im Iran an – Diplomatische Konsequenzen

Pakistan hat „anti-pakistanische militante Gruppen“ im Iran angegriffen. Es kam zu Explosionen im Südosten des Iran, nahe der Grenze zu Pakistan. Die Welt erlebt einen gefährlichen Schattenkonflikt zwischen den USA und Israel sowie dem Iran, beobachten Analysten.
Ein Konvoi aus paramilitärischen Kräften und der Polizei patrouilliert auf einer Straße in Jaranwala.
Ein Konvoi aus paramilitärischen Kräften und der Polizei auf einer Straße in Jaranwala. Am 8. Februar 2024 sind Parlamentswahlen angesetzt, um die Mitglieder der 16. Nationalversammlung zu wählen. Der amtierende Präsident Pakistans ist seit dem 9. August 2023 Arif Alvi.Foto: K.M. Chaudary/AP/dpa
Epoch Times18. Januar 2024

Nach einem iranischen Luftangriff auf pakistanisches Territorium hat Pakistan nach Angaben eines Geheimdienstvertreters seinerseits extremistische Ziele im Iran angegriffen.

Das pakistanische Außenministerium sprach am Donnerstag von „gezielten militärischen Präzisionsangriffen gegen Terroristen-Verstecke in der iranischen Provinz Sistan-Balutschistan“ im Südosten des Nachbarlandes. Dabei seien mehrere „Terroristen“ getötet worden. 

Iranische Staatsmedien berichteten von Explosionen rund um die Stadt Saravan im Südosten des Landes, die nahe der Grenze zu Pakistan liegt. Sie meldeten zunächst den Tod von drei Frauen und vier Kindern. Bei den Todesopfern handle es sich nicht um iranische Staatsbürger. Die Nachrichtenagentur Irna berichtete später unter Berufung auf einen Behördenvertreter, auch zwei Männer seien getötet worden.

Der Iran verlange von den pakistanischen Behörden eine „sofortige Erklärung zu dem Vorfall“, zitierten Staatsmedien einen „informierten Beamten“.

Frühere Abreise aus Davos

Angesichts der „aktuellen Entwicklungen“ werde Pakistans Interims-Premierminister Anwaar-ul-Haq Kakar seinen Besuch beim Weltwirtschaftsforum in Davos verkürzen, sagte eine pakistanische Außenamtssprecherin in Islamabad. 

Die USA verurteilten die iranischen Angriffe in Pakistan, Syrien und im Irak. Teheran habe in den vergangenen Tagen „die souveränen Grenzen von drei seiner Nachbarn verletzt“, sagte Außenamtssprecher Matthew Miller.

Diplomatische Konsequenzen

Der Vorfall führte zu weiteren Konsequenzen auf diplomatischer Ebene zwischen beiden Ländern. Der Iran bestellte am Donnerstag nach Angaben der Nachrichtenagentur Tasnim den pakistanischen Geschäftsträger ein.

Das pakistanische Außenministerium erklärte, die Angriffe seien angesichts „glaubwürdiger Geheimdienstinformationen“ über bevorstehende „terroristische Aktivitäten von großem Ausmaß“ beschlossen worden. 

„Pakistan respektiert die Souveränität und territoriale Integrität der Islamischen Republik Iran vollkommen“, fügte das Ministerium hinzu. Die Angriffe hätten lediglich Pakistans Sicherheit gedient. Ein pakistanischer Geheimdienstvertreter hatte zuvor der Nachrichtenagentur AFP gesagt, die Angriffe hätten „anti-pakistanischen militanten Gruppen“ im Iran gegolten.

Pakistan zog nach iranischem Angriff bereits seinen Botschafter aus Iran ab

Vor zwei Tagen, am Abend des 16. Januar, hatte der Iran Ziele der islamistischen Dschaisch al-Adl in Pakistan attackiert. Dabei kamen nach pakistanischen Angaben zwei Kinder ums Leben. Schon in der Nacht zum Dienstag hatte Irans Revolutionsgarde (IRGC) auch Ziele im Nachbarland Irak und Syrien mit ballistischen Raketen angegriffen.

Pakistans Regierung in Islamabad bezeichnete den Angriff als „unprovozierte und eklatante Verletzung der pakistanischen Souveränität durch den Iran“ und zog deswegen am 17. Januar seinen Botschafter aus Teheran ab. Islamabad verwehrte dem Gesandten Teherans, der sich im Iran aufhielt, die Wiedereinreise ins Land. 

Die Attacke habe der islamistischen Separatistengruppe Dschaisch al-Adl gegolten, berichtete die iranische Nachrichtenagentur Tasnim auf Telegram. Zwei wichtige Stützpunkte der Extremisten seien zerstört worden. Die sunnitische Gruppe reklamierte im Südostiran mehrere Anschläge für sich.

Der Angriff habe sich nicht gegen Pakistaner gerichtet, beteuerte der iranische Außenminister Hossein Amir-Abdollahian am Rande des Weltwirtschaftsforums im schweizerischen Davos Davos: Es seien „keine Staatsangehörigen des befreundeten (…) Landes Pakistan von iranischen Raketen und Drohnen angegriffen“ worden.

Dschaisch al-Adl kämpft nach eigenen Angaben für Unabhängigkeit in der iranischen Provinz Sistan und Belutschistan. Die meisten Bewohner der Provinz folgen der sunnitischen Strömung des Islam, im Gegensatz zur schiitischen Staatsreligion.

Dschaisch al-Adl wurde 2012 von ehemaligen Mitgliedern einer radikalen sunnitischen Bewegung gegründet. Im Dezember bekannte sich die Gruppe zu einem Anschlag mit elf Toten auf das Polizeipräsidium in der Stadt Rask im Südosten des Iran. Die USA und der Iran haben die Gruppe als Terrororganisation eingestuft.

China bietet an, zu vermitteln

Die Verstimmung folgte auf jüngste positive Entwicklungen in den Beziehungen beider Länder. Erst am 16. Januar hatten sich Irans Außenminister Hussein Amirabdollahian und Pakistans geschäftsführender Premierminister Anwaarul Haq Kakar beim Weltwirtschaftsforum im Schweizer Davos getroffen. Die Nachbarländer hielten auch eine gemeinsame Marineübung ab.

Nach den gegenseitigen Raketenangriffen hat sich China als Vermittler angeboten. „Iran und Pakistan sind Chinas enge Nachbarn, befreundete Länder und Länder mit großem Einfluss, und China hofft aufrichtig, dass beide Seiten Ruhe bewahren und Zurückhaltung üben können“, sagte eine Sprecherin des Pekinger Außenministeriums.

„Wenn es auf beiden Seiten einen Bedarf gibt, sind wir auch bereit, eine konstruktive Rolle bei der Entspannung der Situation zu spielen.“

Iran griff auch Irak und Syrien an

Die Lage im Nahen Osten ist kritisch. Irans Revolutionswächter (IRGC) feuerten vor einigen Tagen zahlreiche ballistische Raketen auf Ziele im Irak und Syrien ab. Sie seien Vergeltung unter anderem für die jüngsten Terroranschläge im Iran sowie die Tötung eines hochrangigen IRGC-Offiziers Ende Dezember, teilte das IRGC-Webportal mit.

„Als Reaktion auf die jüngsten terroristischen Verbrechen der Feinde des islamischen Iran wurden Spionagezentralen und Versammlungen antiiranischer Terrorgruppen (…) angegriffen und zerstört“, lautet eine erste IRGC-Mitteilung. Angedroht wurde: „Wir versichern unserem geliebten Volk, dass die Offensivoperationen der Revolutionsgarde so lange fortgesetzt werden, bis auch der letzte Tropfen Blut der Märtyrer gerächt ist“, hieß es in einer Erklärung.

In der nordirakischen Metropole Erbil schlugen Raketen ein, die mindestens vier Menschen töteten. Das Ziel beschrieb Irans Revolutionsgarde als Spionagezentrale des israelischen Geheimdienstes Mossad. Ein bekannter Geschäftsmann soll unter den Opfern sein, dem laut iranischen Medienberichten Verbindungen zu Israel unterstellt werden. In Syrien wurden nach Darstellung von Staatsmedien vor allem Extremisten und Anhänger der Terrormiliz Islamischer Staat (IS) in der Provinz Idlib attackiert.

Bei dem Angriff handelte es sich mit einer Strecke von mehr als 1200 Kilometern um die bisher weitreichendste Raketenoperation des Landes. Dies dürfte auch ein klares Signal an den Erzfeind Israel sein. Es wäre in etwa die gleiche Entfernung, die Raketen vom Westen des Landes aus benötigen, um Tel Aviv oder Jerusalem zu erreichen.

Von der Leyen fordert zur Deeskalation auf

Kommissionspräsidentin Ursula von der Leyen hat den Iran nach Angriffen auf Ziele in Syrien und im Irak zur Deeskalation aufgefordert. Die Region sei höchst gefährdet, sagte von der Leyen am Dienstag auf dem Weltwirtschaftsforum in Davos. Nun ohne jeden Grund Ziele im Irak anzugreifen, sei „ein eskalatorisches Verhalten“.

„Insofern muss alles getan werden, dass der Iran auch seine Verantwortung übernimmt. Der Iran ist ja derjenige, der im Hintergrund viele der aggressiven Handlungen steuert“, sagte von der Leyen.

Schattenkonflikt zwischen Israel / USA sowie Iran

Beobachter sind der Meinung, dass die Welt einen gefährlichen Schattenkonflikt zwischen den Vereinigten Staaten, Israel und dem Iran erlebt.

Irans Staatsführung hatte kurz nach der Terrorattacke der islamistischen Hamas am 7. Oktober auf Israel den Angriff als Akt des Widerstands gelobt, eine direkte Verstrickung aber vehement zurückgewiesen. Stattdessen attackierten mit dem Iran verbündete schiitische Milizen in der Region sowohl im Irak als auch Syrien mehrfach US-Stützpunkte.

Teheran bekräftigt, keine Befehle zu erteilen. Die Gruppen agierten vielmehr autonom, sagte Irans Außenminister Hussein Amirabdollahian zuletzt.

Seit der Revolution von 1979 sind die USA und Israel einerseits und der Iran andererseits verfeindet. Erst kurz vor dem Überfall der Hamas hatte Irans Staatsoberhaupt Ajatollah Ali Chamenei alte Drohungen gegen Israel bekräftigt und den Staat als Krebsgeschwür bezeichnet.

Neben der Bedrohung durch ein massives Raketen- und Drohnenarsenal fürchtet Israel auch Irans umstrittenes Atomprogramm. Die USA hatten Teheran immer wieder unterstellt, nach Nuklearwaffen zu streben. Der Iran bestreitet die Vorwürfe und beteuert, dass Massenvernichtungswaffen unvereinbar mit dem Islam seien.  (afp/dpa/red)



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