Polen droht Deutschland mit Klage vor EuGH: 35.000 Tonnen Müll illegal entsorgt

An sieben Standorten in Polen rotten seit Jahren Berge von Plastikmüll vor sich hin, die angeblich aus Deutschland stammen. Verantwortung dafür übernehmen will keiner.
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Einer der sieben Standorte mit illegalem Müll aus Deutschland: Gliwice mit 1.300 Tonnen Abfall.Foto: Screenshot aus Video des polnischen Klimaministeriums
Von 24. Mai 2023

35.000 Tonnen Abfall sollen seit mehreren Jahren illegal aus Deutschland nach Polen gelangt sein. Jetzt droht das polnische Ministerium für Klima und Umwelt mit einer Klage beim Europäischen Gerichtshof, sollte die deutsche Regierung weiterhin passiv in dieser Angelegenheit bleiben.

Auf einer Pressekonferenz am 18. Mai zeigte der stellvertretende Minister für Klima und Umwelt, Jacek Ozdoba, sieben Standorte in Polen auf, an denen sich Berge von illegalem deutschem Plastikmüll stapeln.

Der Abgeordnete wies in seiner Rede darauf hin, dass das polnische Klimaministerium seit Jahren versuche, die deutschen Behörden zu einer Reaktion in dieser Angelegenheit zu zwingen, die Kommentare der polnischen Seite jedoch unbeantwortet geblieben seien oder auf die Verantwortung der Länder hingewiesen worden sei.

In einem Twitter-Beitrag veröffentlichte das Ministerium für Klima und Umwelt die Worte Ozdobas: „Heute stehen wir an der Spitze der Länder, die sicherstellen, dass Abfälle zweifelhafter Herkunft nicht in ihr Hoheitsgebiet gelangen. Unser Kampf trägt Früchte“. Als Ergänzung hoffe der Klimaminister, dass Deutschland das Gespräch suchen werde, bevor es zur Klageeinreichung komme.

Der „Hauptinitiator der Klimapolitik“ soll Taten folgen lassen

Ozdoba machte in erwähnter Pressekonferenz darauf aufmerksam, dass die Bundesrepublik Deutschland einer der Hauptinitiatoren der aktuellen Klimapolitik der Europäischen Union sei. Und:

Daher erwarten wir umso mehr, dass die wiederholt bekundete Sorge um den Schutz der Umwelt in Taten umgesetzt wird und die illegalen Abfälle nach geltendem Recht aus dem Hoheitsgebiet der Republik Polen abgeführt werden.“

Der stellvertretende Minister zeigte daraufhin ein Kurzvideo, auf dem die sieben Standorte aufgezeigt wurden, an denen angeblich illegale Abfälle aus Deutschland abgeladen wurden. Dabei handelt es sich beispielsweise um Gliwice mit 1.300 Tonnen Abfall, Babin mit 450 Tonnen, Sarbia mit 8.700 Tonnen, Sobolewo mit 3.360 Tonnen, Stary Jawor mit 1.156 Tonnen und Tuplice mit 20.000 Tonnen Müll.

In einer Pressemitteilung wies das Ministerium für Klima und Umwelt darauf hin, dass ab sofort höhere Strafen für Umweltzerstörung angesetzt würden. Zudem könne der illegale grenzüberschreitende Transport von gefährlichen Abfällen mit bis zu zwölf Jahren Haft bestraft werden.

Müllproblem seit Jahren bekannt

Dass die Kritik illegaler Mülllieferungen aus Deutschland bereits seit Längerem im Raum steht, zeigt ein NDR-Video vom Februar 2022. Damals waren Reporter nach Polen gereist, um sich über die Lage vor Ort ein Bild zu machen.

Anhand einiger Etiketten mit deutscher Aufschrift konnten sie feststellen, dass deutsche Müllunternehmen den schwer recyclebaren Müll wohl tatsächlich nach Polen exportiert hatten. Dort wurde er dann offenbar illegal entsorgt. Die Skrupellosigkeit dieser „Müll-Mafia“ wurde in dem kleinen Dorf Sarbia sichtbar. Hier befindet sich die illegale Deponie in unmittelbarer Nähe zur Wasserquelle des Ortes und es rotten 8.000 Tonnen Plastikmüll vor sich hin.

Ein Pole mit dem Namen Matzkoviac, der mit seiner Familie neben der illegalen Deponie wohnt, wird zitiert. Demnach begann alles im Jahr 2018. Damals seien abends Lkw gekommen und hätten eine Ladung nach der anderen abgekippt. Ursprünglich sei nur eine Zwischenlagerung von den polnischen Behörden genehmigt gewesen. Matzkoviac hätte geahnt, dass der Müll bleiben werde. Er sei auf die Behörden sauer, die dies genehmigt hatten. Gleichzeitig wäre er aber auch verärgert über die deutschen Firmen, deren Müll dort liegt.

Wer trägt die Verantwortung?

Laut NDR habe der Sender ein Gespräch mit der polnischen Umweltbehörde geführt und herausgefunden, dass diese über den illegalen Müll aus Deutschland und teilweise auch aus Großbritannien Bescheid wisse.

Die Behörde habe ein Rückholgesuch an Deutschland und Großbritannien gestellt, um den Müll wieder abholen zu lassen. Aus Großbritannien seien nach dem Schreiben damals Vertreter der Umweltorganisation erschienen, aus Deutschland habe es weder eine Reaktion noch eine Vorortüberprüfung der gelagerten Abfälle gegeben.

Laut den polnischen Behörden liege die Verantwortung für den Müll in Deutschland. In der NDR-Dokumentation führen Spuren in die Sortieranlage Böhme in Bayern und zu der Firma Lobbe in NRW. Die Firma Lobbe behauptete, die Zusammenarbeit mit dem polnischen Unternehmen, zu dem der Müll transportiert worden war, sei legal abgelaufen. Es sei vertraglich geregelt worden, dass der Müll dort recycelt werden solle.

Als die NDR-Reporter mit einem Verantwortlichen der polnischen Firma – der anonym bleiben wollte – sprechen können, erzählt dieser eine äußert seltsame Geschichte über einen Vermieter eines sogenannten Zwischenlagers. Dieser hätte Lkw-Ladungen des entsprechenden Plastikmülls entwendet und sie auf die illegale Mülldeponie in Sarbia gebracht.

Umweltministerin Lemke erhielt bereits 2021 Beschwerdebrief

Wie aus der NDR-Dokumentation erkennbar ist, scheint sich dem Müllproblem seit Jahren keiner anzunehmen. Verantwortlichkeiten werden hin und her geschoben. Bis heute sieht es nicht so aus, als würde es zeitnah eine Lösung geben.

Auch die deutsche Umweltministerin Steffi Lemke hat laut dem RND schon im Jahr 2021 ein Beschwerdeschreiben des stellvertretenden Ministers für Klima und Umwelt aus Polen erhalten. Darin hatte dieser mehrere deutsche Firmen aufgelistet, von denen illegaler Müll nach Polen gelangt sei.

Eines der genannten Unternehmen, welches den Müll auf eigenen Kosten zurückholen wollte, sei dann insolvent gegangen. Seitdem habe sich niemand um das Problem gekümmert, so das RND weiter. Ein anderes Unternehmen hätte geantwortet, dass die Sach­verhalte „in Abstimmung mit den polnischen Behörden in Bearbeitung“ seien. Seitdem sind zwei Jahre vergangen – und der Müll liegt dort weiterhin.



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