Zugunglück in Griechenland: Bahnhofsvorsteher war überfordert und unerfahren

Neue Details zeigen, wie schwer das Versagen der Bahn und der Behörden war, das zu dem Frontalzusammenstoß mit 57 Toten führte. Die Griechen protestieren und demonstrieren gegen die Zustände.
Demonstration gegen die Zustände der Bahn auf dem Syntagma-Platz in Athen: Immer neue Details zeigen, wie schwer das Versagen der Bahn und der Behörden war, das zu dem Frontalzusammenstoß mit 57 Toten führte.
Demonstration gegen die Zustände der Bahn auf dem Syntagma-Platz in Athen: Immer neue Details zeigen, wie schwer das Versagen der Bahn und der Behörden war, das zu dem Frontalzusammenstoß mit 57 Toten führte.Foto: Yorgos Karahalis/AP
Epoch Times5. März 2023

Bei einer Protestkundgebung nach dem schweren Zugunglück in Griechenland mit 57 Toten haben sich am Sonntag vor dem Parlament in Athen Demonstranten und Polizei gewaltsame Auseinandersetzungen geliefert. Einige Demonstranten setzten Mülltonnen in Brand und warfen Molotow-Cocktails, worauf die Polizei mit Tränengas und Blendgranaten reagierte, wie Reporter der Nachrichtenagentur AFP beobachteten.

Nach Angaben der Polizei hatten sich rund 12.000 Menschen am zentralen Athener Syntagma-Platz vor dem Parlament zu einer Protestkundgebung versammelt. Sie ließen hunderte schwarze Ballons in den Himmel steigen, um der Toten des Unglücks nahe der Stadt Larisa zu gedenken. Das Unglück hat breiten Protest in Griechenland ausgelöst, bei dem die Menschen Versäumnisse bei der Modernisierung des griechischen Schienennetzes anprangern.

Strafanzeigen gegen die Geschäftsführung?

Immer mehr Details, die zu dem Frontalzusammenstoß eines Personen- mit einem Güterzug und zu mindestens 57 Todesopfern führten, kommen ans Licht – und offenbaren Versagen auf ganzer Strecke.

Aus Justizkreisen hieß es, die Ermittler prüften auch Strafanzeigen gegen Mitglieder der Geschäftsführung des Eisenbahnunternehmens Hellenic Train. Angehörige der Opfer wollten am Sonntag zu einer Gedenkveranstaltung vor dem Bahnhof von Larisa zusammenkommen.

Allein schon der Werdegang des Bahnhofsvorstehers, der den entscheidenden Fehler machte und den Personenzug auf die falschen Gleise schickte, wirft unzählige Fragen auf. Der Mann, der im Laufe des Sonntags erneut befragt werden soll, ist 59 Jahre alt und hatte erst im vergangenen Jahr seine Ausbildung als Bahnhofsvorsteher begonnen. Und das, obwohl die Altersgrenze für die Ausbildung bei 42 Jahren liegt, wie griechische Medien berichten. Zuvor arbeitete er als Gepäckträger sowie als Bote im Kulturministerium.

Bahnhofsvorsteher in Untersuchungshaft

Der Mann hätte also gar nicht erst ausgebildet werden dürfen und war Berichten zufolge völlig überfordert. Auch saß er tagelang ohne einen erfahreneren Kollegen auf dem wichtigen Posten am Bahnhof der Stadt Larisa.

Nachdem er den Zug auf die falschen Gleise geschickt hatte, soll er elektronische Hinweise und auch Nachfragen sowohl von einem der betroffenen Lokführer als auch einem Bahnhofsvorsteher an einem der nächsten Bahnhöfe ignoriert haben, berichtet die „Kathimerini“. Minutenlang seien die Züge deshalb ungehindert aufeinander zugerast, bevor es zu dem fatalen Frontalzusammenstoß kam.

Längst sitzt der 59-Jährige in Untersuchungshaft, er ist unter anderem wegen fahrlässigen Totschlags und fahrlässiger Körperverletzung angeklagt. Doch so schwer die mutmaßlichen Fehler des Mannes wiegen, allein „menschliches Versagen“ als Grund für die Tragödie anzugeben, greife zu kurz, finden die Menschen.

Unbestritten ist, dass sämtliche Regierungen der vergangenen 20 Jahre die griechische Bahn sträflich vernachlässigten; dass das elektronische Leitsystem und andere Sicherheitsvorkehrungen nicht oder nur zum Teil funktionierten.

Dass die Eisenbahner sich wiederholt bitter darüber beklagt und Änderungen gefordert hatten – nicht nur beim staatlichen Bahnunternehmen OSE, sondern auch beim Verkehrsministerium. Am Sonntag entschuldigte sich Ministerpräsident Kyriakos Mitsotakis dafür in sozialen Medien umfangreich.

Ministerpräsident entschuldigt sich

Der griechische Regierungschef Kyriakos Mitsotakis bat die Angehörigen der 57 Opfer am Sonntag um Verzeihung. Als Ministerpräsident sei er es „insbesondere den Angehörigen der Opfer schuldig, um Vergebung“ zu bitten, erklärte Mitsotakis in einer Botschaft an die Nation über Facebook. „Es kann nicht sein, dass 2023 in Griechenland zwei Züge auf derselben Strecke aufeinander zufahren und das von niemandem bemerkt wird.“

„Als Ministerpräsident schulde ich allen, vor allem aber den Angehörigen der Opfer, eine große Entschuldigung – sowohl persönlich als auch im Namen all derer, die das Land jahrelang regiert haben“, schrieb Mitsotakis und gestand ein: „Wir können, wollen und dürfen uns nicht hinter menschlichem Versagen verstecken.“ Der Unfall wäre praktisch unmöglich gewesen, hätte die Elektronik funktioniert.

In seinem Post gelobte Mitsotakis Besserung und versprach die Reparatur des elektronischen Leitsystems, einen Sonderausschuss zu den Versäumnissen der letzten 20 Jahre sowie neue Züge. (dpa/afp/red)



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