Richtungsentscheidung: Frankreich vor der Wahl

Bleibt Emmanuel Macron fünf weitere Jahre Präsident von Frankreich oder gelingt Marine Le Pen der Wahlsieg ums höchste Staatsamt? Beide Ausgänge sind denkbar.
In den Umfragen liegt Macron vorne, aber Experten schließen einen Sieg von Le Pen nicht aus.
In den Umfragen liegt Macron vorne, aber Experten schließen einen Sieg von Le Pen nicht aus.Foto: Bob Edme/AP/dpa
Epoch Times24. April 2022

Nach einem vom Ukraine-Krieg überschatteten Wahlkampf stimmt Frankreich an diesem Sonntag über sein künftiges Staatsoberhaupt und die grundlegende Ausrichtung der Politik der kommenden Jahre ab.

Dem liberalen Präsidenten Emmanuel Macron, der sich um eine zweite Amtszeit bewirbt, steht als Herausforderin die rechtsgerichtete Marine Le Pen in der Stichwahl gegenüber. Zwar sagten Umfragen zuletzt einen wachsenden Vorsprung für den Links-Politiker voraus – dennoch wird ein Sieg von Le Pen nicht gänzlich ausgeschlossen. Frankreich trifft damit eine Richtungswahl, die auch für Deutschland und Europa von übergeordneter Bedeutung ist.

Seit sich Macron und seine Kontrahentin vom Rassemblement National vor zwei Wochen in der ersten Runde für die Stichwahl qualifiziert und ihre zehn Mitbewerber hinter sich gelassen haben, wurde in Frankreich politisch wie gesellschaftlich ordentlich Stimmung gemacht. Parteien, Vereine, Sportler und Kulturschaffende riefen dazu auf, einen „Schutzwall gegen Rechts“ zu bilden.

Unzufriedenheit in der Wählerschaft

Doch die Bereitschaft, aus Prinzip gegen Le Pen zu stimmen, schrumpft. In der Wählerschaft herrscht nach einer turbulenten und krisengeprägten Amtszeit Macrons Unzufriedenheit. Gerade Linke sind genervt, dass eine Wahlalternative zu seiner wirtschaftsliberalen Politik fehlt. Anhänger des linken Kandidaten Jean-Luc Mélenchon, der in der ersten Wahlrunde als Drittplatzierter ausschied, hadern deshalb zwischen der Wahl Macrons, einer Enthaltung – oder gar keiner Stimmabgabe. Die klassischen Volksparteien, die Sozialisten und Republikaner, waren mit ihren Kandidaten krachend gescheitert und können Macron nur begrenzt zum Wahlsieg verhelfen.

Der Staatschef sah diese verzwickte Situation wohl nicht kommen. Siegessicher stieg Macron erst spät in den Wahlkampf ein. Gehetzt zwischen internationalen Gipfeln, bekamen die Franzosen ihren Präsidenten zumeist nur im Fernsehen zu Gesicht. Le Pen hatte da bereits seit Monaten Wahlkampf an der Basis gemacht und war durch die Provinz gereist.

Nach der ersten Wahlrunde stürzte sich Macron in den Straßenwahlkampf, und versuchte, den versäumten direkten Kontakt nachzuholen.

Sollte der 44-jährige Macron weitere fünf Jahre Präsident im Élyséepalast bleiben, können Deutschland und Europa weiter auf einen bekannten Partner bauen. Bei einer Wahl Le Pens stünde der EU wohl ein Erdbeben von der Dimension des Brexits oder der Wahl Donald Trumps zum US-Präsidenten bevor. Le Pen erklärte bereits, dass sie zu Deutschland auf Distanz gehen und die EU grundlegend umgestalten wolle.

Für den Sieger wird es nicht einfach

In Frankreich selbst warten auf den Gewinner oder die Gewinnerin zahlreiche Baustellen. Macron will eine ganze Reihe von Projekten und aufgeschobenen Reformen abarbeiten: Rente, Gesundheitswesen, Schule, Klimakrise, Kaufkraft und die Überwindung der gesellschaftlichen Spaltung. Mit Le Pen gäbe es hingegen eine Bevorzugung von Franzosen vor Ausländern in der Wohnpolitik und auf dem Arbeitsmarkt. Ein Sturm der Entrüstung wären programmiert – aber auch Macron dürften bei einem Sieg angesichts der aufgestauten Frustration harte Jahre ins Haus stehen. (dpa/red)



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