Terrororganisation Al-Kaida nur noch „ein Schatten seiner selbst“?

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Al-Kaida-Anhänger. Symbolbild.Foto: FADI AL-HALABI/Getty Images
Epoch Times23. Mai 2021

Zehn Jahre nach dem Tod von Osama bin Laden hat Al-Kaida massiv an Bedeutung verloren.

Mit dem Terrornetzwerk, das vor 20 Jahren die Anschläge vom 11. September 2001 verübte und damit den Einmarsch der US-Truppen in Afghanistan provozierte, ist die Gruppe nicht mehr vergleichbar.

Al-Kaida sei nur noch „ein Schatten seiner selbst“, sagt etwa der Terrorismus-Experte Barak Mendelsohn vom Haverford College in Pennsylvania.

Seit der Tötung Bin Ladens durch US-Spezialkräfte in Pakistan am 2. Mai 2011 wird Al-Kaida von Aiman al-Sawahiri geführt. Der wenig charismatische Ägypter, der zuvor als Ideologe der Gruppe galt, ist seitdem nicht groß in Erscheinung getreten.

Vermutet wird er in der Grenzregion zwischen Pakistan und Afghanistan. Immer wieder gibt es sogar Gerüchte, dass al-Sawahiri längst tot sei.

Weltweit existieren zahlreiche Ableger von Al-Kaida

Al-Sawahiris größter Erfolg sei es, Al-Kaida überhaupt „am Leben erhalten“ zu haben, sagt Mendelsohn. Weltweit existieren zahlreiche Ableger, die den Namen der Gruppe tragen – etwa in Nordafrika, Somalia, Afghanistan, Syrien oder im Irak.

Nach Ansicht von Mendelsohn ist Al-Kaidas Führungsspitze aber längst keine mächtige Schaltzentrale mehr, die Entscheidungen für alle ihre Ableger trifft. Sie sei eher ein „Stab von Beratern“ für Dschihadisten in aller Welt.

„Unter Sawahiris Führung hat sich Al-Kaida zunehmend dezentralisiert“, heißt es auch in einem Bericht des US-Instituts Counter Extremism Project (CEP). Die Entscheidungsgewalt liegt den CEP-Experten zufolge hauptsächlich in den Händen der Anführer der zahlreichen Ableger.

Bei dieser Umstrukturierung Al-Kaidas in eine Art Franchise-Unternehmen hat al-Sawahiri den Experten zufolge zwar eine wichtige Rolle gespielt. Ende 2020 gab es aber wieder einmal unbestätigte Berichte über seinen Tod. Demnach erlag der Al-Kaida-Chef einem Herzleiden.

Später tauchte er zwar in einem Video auf, in dem er sich zur Not der muslimischen Rohingya-Minderheit in Myanmar äußerte. Genau datieren ließ sich das Video aber nicht.

Israelischer Geheimdienstagenten töteten in Teheran Al-Kaidas Vize

Im November wurde dann der Tod seines Stellvertreters Abdullah Ahmed Abdullah bekannt, der auch unter dem Namen Mohammed al-Masri bekannt ist. Der Al-Kaida-Vize soll im August von israelischen Geheimdienstagenten in Teheran getötet worden sein.

Doch auch wenn al-Sawahiri selbst noch am Leben sein sollte: Er ist ein alter und vermutlich kranker Mann, der nicht das Charisma und die Anziehungskraft seines Vorgängers Bin Laden hat.

Die USA haben zwar ein Kopfgeld von 25 Millionen Dollar (gut 20 Millionen Euro) auf al-Sawahiri ausgesetzt und ihn ganz oben auf ihre Liste der meistgesuchten Terroristen gesetzt. Experten vertreten aber die Ansicht, die US-Regierung halte ihn nicht für eine allzu große Gefahr und unternehme auch keine größeren Anstrengungen, um ihn zur Strecke zu bringen.

Washingtons mangelndes Interesse hängt natürlich auch mit dem Aufstieg der islamistischen Terrororganisation „Islamischer Staat“ (IS) zusammen. Statt sich mit Al-Kaida zusammenzutun, liefern sich beide Gruppen in etlichen Ländern einen erbitterten Konkurrenzkampf.

Netzwerk hat sich als „außerordentlich widerstandsfähig erwiesen“

Der IS, der auf dem Höhepunkt seiner Macht ein „Kalifat“ im Irak und in Syrien kontrollierte, hat Al-Kaida als radikale Stimme in den Online-Netzwerken auch medial längst den Rang abgelaufen.

Andere Experten warnen aber davor, Al-Kaida angesichts des Bedeutungsverlusts schon ganz abzuschreiben. Colin Clarke vom Soufan Center in den USA unterscheidet etwa zwischen Al-Kaida als Organisation und als Teil der islamistischen Bewegung. Zwar erscheine die Führungsspitze um al-Sawahiri wie ein „Relikt aus einer vergangenen Zeit“.

Das Netzwerk habe sich in der Vergangenheit aber als „außerordentlich widerstandsfähig erwiesen“, sagt Clarke. Es sei daher noch zu früh, „schon jetzt den Nachruf auf die Gruppe zu schreiben“.

Der Arzt, der Osama bin Laden aufspürte

In den Vereinigten Staaten gilt er als Held, in seiner Heimat Pakistan als Verräter: der Arzt Shakeel Afridi, welcher der CIA half, Osama bin Laden aufzuspüren. Zehn Jahre nach der Tötung des Al-Kaida-Chefs sitzt Afridi immer noch in Isolationshaft.

„Er ist nur im Gefängnis, um allen Pakistanern eine Lektion zu erteilen, nicht mit einem westlichen Geheimdienst zu kooperieren“, sagt Husain Haqqani, der damalige pakistanische Botschafter in Washington. „Anstatt Bin Ladens Aufenthalt in Pakistan aufzuklären, haben die Behörden Doktor Afridi zum Sündenbock gemacht.“

Afridi lieferte dem US-Geheimdienst den Beweis, dass sich Bin Laden tatsächlich in dem vermuteten Haus in der Stadt Abbottabad aufhielt. Der Arzt startete ein Impfprogramm und gelangte so an eine DNA-Probe aus dem Versteck.

Konsequenzen für den Mediziner war dramatisch

Wie entscheidend Afridi bei der Identifizierung des Al-Kaida-Chefs tatsächlich war, ist unklar. Die Konsequenzen für den Mediziner waren jedoch dramatisch: Wenige Wochen nach dem tödlichen Angriff der Spezialeinheit der Navy Seals am 2. Mai 2011 wurde Afridi verhaftet.

Er wurde nie für schuldig befunden, etwas mit der Erstürmung des Verstecks zu tun zu haben, aber von einem Stammesgericht nach einem fragwürdigen Gesetz aus der Kolonialzeit zu 33 Jahren Haft verurteilt, weil er angeblich einer aufständischen Gruppe Geld zur Verfügung gestellt haben soll. Die US-Regierung setzte sich immer wieder für Afridis Freilassung ein und wollte einen Gefangenenaustausch aushandeln – erfolglos.

Gefängniszelle fünf Quadratmeter groß

Afridis Zelle im Gefängnis Sahiwal in der Provinz Punjab ist winzig, fünf Quadratmeter groß, wie seine Familie und sein Anwalt berichten – die einzigen, mit denen er Kontakt haben darf. Darin gehe er auf und ab und mache Liegestütze, um sich zu bewegen. Die einzige Lektüre ist der Koran, andere Bücher oder Zeitungen sind verboten.

Zweimal im Monat können ihn Angehörige besuchen, werden aber durch ein Eisengitter getrennt und dürfen sich nicht in ihrer Muttersprache Paschtu unterhalten. „Wir dürfen auch nicht über Politik diskutieren oder über die Situation im Gefängnis sprechen“, sagt Afridis Bruder.

„Um es ganz klar zu sagen: Afridi hat den höchsten Preis bezahlt“, sagt Michael Kugelman, Südasienexperte am US-Forschungsinstitut Wilson Center in Washington. „Er wurde zum Prügelknaben.“

Doch das könnte sich ändern. „Der Rückzug der USA aus Afghanistan und die Verschlechterung der Beziehungen zu Pakistan, die damit einhergehen könnte, lassen vermuten, dass Afridi nicht mehr das heiße Eisen sein wird, das er in der Vergangenheit war“, sagt Kugelman.

In Pakistan haben nur wenige Mitleid mit Afridi

In Pakistan haben nur wenige Mitleid mit Afridi. „Wenn jemand für einen ausländischen Geheimdienst arbeitet, ist das ein unverzeihliches Verbrechen“, sagt Asad Durrani, der ehemalige Chef der pakistanischen Spionagebehörde. Vermutlich habe die Verhaftung den Arzt sogar vor Lynchjustiz bewahrt.

Das Misstrauen, das Afridis Kooperation mit der CIA in Pakistan geschürt hat, wirkt bis heute nach. Der Trick mit der Impfkampagne hat dazu geführt, dass Familien sich weigern, ihre Kinder zum Beispiel gegen Polio impfen zu lassen. Aufständische griffen Impfteams an, Dutzende Mitarbeiter des Gesundheitsdienstes wurden in den vergangenen zehn Jahren erschossen. (afd)



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