Rund 4000 Staatsbedienstete entlassen: Türkische Regierung setzt Umbau des Staates fort

In der Türkei sind über 3900 Staatsbedienstete suspendiert worden. Unter ihnen seien Juristen, Militärs und auch Wissenschaftler, berichtete die Agentur Anadolu. Erst vor wenigen Tagen waren über 9000 Polizisten vom Dienst suspendiert und weitere 1000 festgenommen worden.
Titelbild
Demonstration nach Putsch-Versuch in der Türkei. 24. Juli 2016.Foto: OZAN KOSE/AFP/Getty Images
Epoch Times30. April 2017

Gestärkt durch das gewonnene Referendum über zusätzliche Vollmachten für Präsident Recep Tayyip Erdogan setzt die Türkei den Umbau des Staates fort. Am Samstag entließ die islamisch-konservative Regierung in Ankara fast 4000 weitere Staatsbedienstete. Zudem sperrte sie den Zugang zum Online-Lexikon Wikipedia und verbot Kuppelshows in Radio und Fernsehen.

Laut einem am Samstag veröffentlichten Dekret wurden 3974 Beamte entlassen, darunter mehr als tausend Mitarbeiter des Justizministeriums und mehr als tausend Armee-Angehörige.

Die Regierung geht seit Monaten gegen mutmaßliche Anhänger der Gülen-Bewegung vor. Ankara macht die Bewegung des in den USA lebenden islamischen Predigers Fethullah Gülen für den gescheiterten Militärputsch vom vergangenen Juli verantwortlich. Seit dem Putschversuch wurden daher in der Türkei zehntausende mutmaßliche Gülen-Anhänger inhaftiert oder aus dem Staatsdienst entlassen.

Erst am Mittwoch hatte die Polizei bei landesweiten Razzien mehr als tausend Verdächtige festgenommen, tausende weitere wurden per Haftbefehl gesucht. Am selben Tag suspendierte die Polizei in den eigenen Reihen mehr als 9100 Beamte, weil sie Verbindungen zum Gülen-Netzwerk haben sollen.

Am Samstag wurde landesweit der Zugang zum Online-Lexikon Wikipedia blockiert. Die türkische Behörde für Informations- und Kommunikationstechnologien (BTK) bestätigte, den Zugang gesperrt zu haben, nannte aber keinen Grund für die Entscheidung. Medienberichten zufolge sollen die türkischen Behörden Wikipedia zuvor vergeblich aufgefordert haben, Inhalte zur „Terrorunterstützung“ sowie Angaben, wonach die Türkei mit Terrorgruppen kooperiere, zu löschen.

Spekulationen gab es auch, ob die Sperrung auf für Erdogan unvorteilhafte Aktualisierungen seines Wikipedia-Profils nach dem umstrittenen Verfassungsreferendum zurückgeht, das er am 16. April mit knapper Mehrheit gewann. Regierungstreuen Bloggern zufolge wurde Erdogan dort unter anderem als „Diktator“ beschrieben.

Internetnutzer in Istanbul etwa konnten sämtliche Sprachversionen von Wikipedia am Samstag nur noch mit technischen Hilfsmitteln wie VPN-Verbindungen aufrufen. Die Gruppe Turkey Blocks, die Internetzensur in der Türkei überwacht, und Medien wie die Zeitung „Hürriyet“ berichteten, der Zugang zu Wikipedia sei aufgrund einer vorläufigen Anordnung gesperrt worden, die in den kommenden Tagen von einem Gericht bestätigt werden müsse.

Der türkischen Regierung sperrt immer wieder nach Anschlägen und Demonstrationen vorübergehend den Zugang zum Internet. In der Vergangenheit waren vor allem soziale Netzwerke wie Facebook und Twitter betroffen, aber auch das Videoportal YouTube und der Messaging-Dienst WhatsApp wurden bereits blockiert.

Österreichs Bundeskanzler Christian Kern nannte die Entwicklung „äußerst besorgniserregend“. „Wir müssen unsere Beziehungen zur Türkei neu ordnen“, sagte er in Brüssel. Europa könne es sich „nicht leisten, ein instabiles Land mit 80 Millionen Einwohnern in der unmittelbaren Nachbarschaft zu haben“.

Die Spitze der EU will am Rande des Nato-Gipfels Ende Mai das Gespräch mit Erdogan über die Zukunft der Beziehungen suchen. Dies habe Ratspräsident Donald Tusk in Aussicht gestellt, sagte Bundeskanzlerin Angela Merkel in Brüssel.

Ebenfalls am Samstag wurden die im Land beliebten Kuppelshows verboten. Sendungen in Radio und Fernsehen, in denen Menschen einander vorgestellt werden, um einen Partner zu finden, „können nicht zugelassen werden“, hieß es in einem im Amtsblatt veröffentlichten Dekret.

Vizeregierungschef Numan Kurtulmus hatte das Verbot im März angekündigt und gesagt, derartige Sendungen passten nicht zu den türkischen Sitten und Traditionen. „Es gibt einige merkwürdige Sendungen, die die Institution der Familie beschädigen und ihr die Würde und Heiligkeit nehmen“, hatte er gesagt. Regierungsgegner in der Türkei fürchten eine immer stärkere Ausrichtung der Politik nach einem konservativen Verständnis des Islam. (afp)



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