Ungarn: Überleben des Oppositionsbündnisses nach Wahlniederlage fraglich

Die Protagonisten selbst und westliche Medien machen vermeintlich unfaire Ausgangsbedingungen für die klare Niederlage der Opposition bei den Parlamentswahlen in Ungarn verantwortlich. Tatsächlich spricht vieles dafür, dass sie sich selbst lahmgelegt hat.
Titelbild
Antal Csardi (2. von l) von Ungarns Grünen Partei LMP und Ferenc Gelencser (2. von r) von Ungarns Momentum-Bewegung vor einer Wahlkampfdebatte im ungarischen Fernsehen im September 2021. Symbolbild.Foto: ATTILA KISBENEDEK/AFP via Getty Images
Von 5. April 2022

An dieser Stelle wird ein Podcast von Podcaster angezeigt. Bitte akzeptieren Sie mit einem Klick auf den folgenden Button die Marketing-Cookies, um den Podcast anzuhören.

Im Jahr 2018 reichte der regierenden Fidesz von Premierminister Viktor Orbán ein Ergebnis knapp unter 50 Prozent landesweit, um im Parlament eine Zwei-Drittel-Mehrheit zu erobern. Die Opposition war gespalten in vier Linksparteien mit Stimmenanteilen zwischen 3 und 12 Prozent und die rechtsextreme Jobbik, die auf etwa 20 Prozent kam.

Vier Jahre später hatten sich fünf Linksparteien und die Jobbik unter Führung des nach eigenen Angaben „konservativen Christen“ und „enttäuschten Fidesz-Wähler“ Peter Márki-Zay vereint – und der Sieg der Regierungspartei fiel noch deutlicher aus.

Jobbik macht Spitzenkandidaten für Wahlschlappe verantwortlich

Bereits einen Tag nach der Wahl steht die Fortsetzung des Links-Rechts-Bündnisses infrage. Wie „Daily News Hungary“ berichtet, macht Jobbik-Chef Péter Jakab den Spitzenkandidaten, der als vermeintlich wählbarster Kandidat die Vorwahlen für sich entschieden hatte, für das Ergebnis verantwortlich.

Dieser habe eine Erneuerung der Opposition versprochen, aber „tatsächlich hat er zu ihrem Sturz beigetragen“, so Jakab. „Besser durchdachte Botschaften“ statt „Gerede“ hätten mehr Stimmen gebracht. Zwar will Jakab eigenen Angaben zufolge die Kooperation innerhalb des Parteienbündnisses aufrechterhalten, allerdings unter einer neuen Führung.

Die Frage, wer diese übernehmen soll und welche programmatischen Schwerpunkte im Vordergrund stehen sollen, könnte den inhomogenen Zusammenschluss allerdings vor eine Zerreißprobe stellen.

Márki-Zay selbst hatte noch am Wahlabend vermeintlich ungleiche und unfaire Wahlkampfbedingungen für die Niederlage verantwortlich gemacht. Die öffentlich-rechtlichen Medien hätten der Opposition zu wenig Raum gegeben, Orbán-nahe Oligarchen hätten die meisten unabhängigen Medien aufgekauft.

Andererseits hatte das breite Oppositionsbündnis die Rückendeckung internationaler Medien hinter sich sowie der politischen Elite von EU-Staaten wie Deutschland und Frankreich. Was außerdem gegen Márki-Zays Erklärungsansatz spricht, ist, dass er seinen eigenen Stimmkreis in Hódmezővásárhely verlor – seiner Geburtsstadt, in welcher er seit 2018 als Bürgermeister regiert.

Opposition franste nach links und rechts aus

Das schlechte Oppositionsergebnis allein mit der Person des Spitzenkandidaten erklären zu wollen, könnte jedoch ebenfalls zu kurz greifen. Immerhin hat nicht nur Fidesz im Wesentlichen die Wähleranzahl von 2018 halten können – die Parteien des Oppositionsbündnisses haben zudem nach links und rechts verloren.

So dürften die 3,3 Prozent bei der Listenwahl und 2,3 Prozent in den Komitaten, die auf die Satirepartei „Zweischwänziger Hund“ entfielen, vor allem auf Kosten der linken Parteien im Oppositionsbündnis gegangen sein. Einige der Umfragen im Vorfeld der Wahl, die durch die Bank weit vom tatsächlichen Ergebnis abwichen, hätten der Juxpartei sogar Einzugschancen zugebilligt.

Die von Jakab geführte Jobbik büßte jedoch auch ihrerseits einen erheblichen Teil ihrer Stimmen ein – vor allem in ihren bisherigen Hochburgen. Während einige Wähler ihr die behauptete Mäßigung nicht zu glauben schienen, nahmen andere ihr diese sogar übel und verhalfen der noch extremeren Rechtspartei „Mi Hazánk“ (Unsere Heimat) zu 6,2 Prozent und sieben Mandaten.

Extreme Rechte in Ungarn in Summe geschwächt

Die meisten Umfrageinstitute gingen davon aus, dass der Wegfall verbliebener Corona-Maßnahmen in Ungarn Anfang März der Partei, die vor allem auf Impfgegner und die Unzufriedenheit über pandemiebedingte Beschränkungen setzte, den Wind aus den Segeln nehmen würde.

Allerdings konnte Mi Hazánk vor allem außerhalb der größeren Städte und in Grenzregionen immer noch ausreichend Stimmen für sich verbuchen, um die Fünf-Prozent-Hürde zu überschreiten. Für Fidesz ergibt sich aus der neuen Konstellation die Möglichkeit, sich mit seiner konservativen Politikausrichtung nicht nur von der Linksopposition, sondern auch von Rechtsaußen deutlich abzugrenzen.

Während Mi Hazánk in Gemeinden zum „Kampf gegen den Islam“ aufruft, in denen sich in der Zeit der Fluchtbewegung 2015/16 nur eine Handvoll Flüchtlinge angesiedelt hatte, und sich gegen die Angehörigen der Roma-Community ausspricht, setzt Fidesz auf Einbindung aller Gruppen. Die Strategie machte sich offenbar bezahlt: Orbáns Fidesz wurde vor allem in ärmeren Gebieten, in denen auch viele Angehörige der Roma leben, in weit überdurchschnittlichem Maße gewählt.

Dank der Zwei-Drittel-Mehrheit, die Fidesz verteidigen konnte, muss die Partei auch dem Oppositionsbündnis oder den Rechtsextremen keine Zugeständnisse machen, um eigene Vorhaben durchzubringen.



Epoch TV
Epoch Vital
Kommentare
Liebe Leser,

vielen Dank, dass Sie unseren Kommentar-Bereich nutzen.

Bitte verzichten Sie auf Unterstellungen, Schimpfworte, aggressive Formulierungen und Werbe-Links. Solche Kommentare werden wir nicht veröffentlichen. Dies umfasst ebenso abschweifende Kommentare, die keinen konkreten Bezug zum jeweiligen Artikel haben. Viele Kommentare waren bisher schon anregend und auf die Themen bezogen. Wir bitten Sie um eine Qualität, die den Artikeln entspricht, so haben wir alle etwas davon.

Da wir die Verantwortung für jeden veröffentlichten Kommentar tragen, geben wir Kommentare erst nach einer Prüfung frei. Je nach Aufkommen kann es deswegen zu zeitlichen Verzögerungen kommen.


Ihre Epoch Times - Redaktion