Verhandlungen: Neuer Vorstoß zur Freilassung der Geiseln in Gaza

Noch immer sind mehr als 130 Geiseln in der Gewalt der Hamas. Die fordert einen Abzug von Israels Armee. Das lehnt Israel ab. Doch nun könnte Bewegung in die Sache kommen. Der Überblick.
Die USA, Ägypten und Katar sollen Israel und die Hamas zu einem stufenweisen diplomatischen Prozess drängen. Im Hintergrund laufen Medienberichten zufolge Verhandlungen - dabei hatte Israles Ministerpräsident Netanjahu die Bedingungen der Hamas abgelehnt.
Der israelische Ministerpräsident Benjamin Netanjahu. Die USA, Ägypten und Katar sollen Israel und die Hamas zu einem stufenweisen diplomatischen Prozess drängen. Im Hintergrund laufen Verhandlungen.Foto: Miriam Alster/POOL Flash 90/AP/dpa
Epoch Times22. Januar 2024

Während im Gazastreifen weiter Krieg herrscht, laufen im Hintergrund neue Bemühungen um die Freilassung der Geiseln und ein Ende der Kämpfe. Der Nahost-Koordinator von US-Präsident Joe Biden, Brett McGurk, wird nach Informationen von US-Medien in dieser Woche zu Gesprächen in Ägypten und Katar erwartet.

Die USA und ihre arabischen Partner drängten Israel und die radikalislamistische Hamas zu einem stufenweisen Prozess, der zu Beginn die Freilassung von Geiseln und schließlich den Rückzug der israelischen Streitkräfte aus dem Gazastreifen mit dem Ziel eines Kriegsendes vorsehe, berichtete das „Wall Street Journal“.

Die Gespräche seien noch in einer frühen Phase und sollten in den kommenden Tagen in Kairo fortgesetzt werden.

Angehörige drängen Netanjahu zu Geisel-Abkommen

Unterdessen wollen auch Angehörige der mehr als 130 noch im Gazastreifen festgehaltenen Geiseln Israels Regierungschef Benjamin Netanjahu zu einem Abkommen mit der Hamas bewegen.

Wie die Zeitung „The Times of Israel“ berichtete, schlugen Angehörige auf einem Bürgersteig vor Netanjahus Haus in Jerusalem Zelte auf. Man werde so lange bleiben, bis Netanjahu „einem Abkommen zur Rückgabe der Geiseln zustimmt“, wurde ein Sprecher zitiert.

„Wir lieben unsere Kinder mehr als wir die Hamas hassen“, stand auf einem an den Zelten angebrachten Plakat, wie die Zeitung berichtete. Die israelische Regierung geht davon aus, dass einige der Geiseln bereits nicht mehr am Leben sind.

Netanjahu hatte die Bedingungen der Hamas kategorisch abgelehnt. Die Islamisten verlangten für die Freilassung der Geiseln ein Ende des Krieges, den Rückzug der israelischen Streitkräfte und den Fortbestand der Regierungsmacht der Hamas im Gazastreifen, sagte Netanjahu.

Zudem forderten sie die Freilassung jener „Mörder und Vergewaltiger“, die Israel nach dem brutalen Überfall der Hamas und anderer extremistischer Gruppen am 7. Oktober festgenommen hatte. „Würden wir dem zustimmen, dann wären unsere Soldaten umsonst gefallen“, sagte Netanjahu und fügte hinzu, dass man dann nicht in der Lage wäre, „die Sicherheit unserer Bürger zu gewährleisten“.

Bericht: Israel und Hamas zu Gesprächen bereit

Israel und die Hamas seien aber zumindest wieder zu Gesprächen bereit, nachdem die Unterredungen nach dem Ende einer einwöchigen Waffenruhe im November wochenlang stockten, berichtete das „Wall Street Journal“ unter Berufung auf mit den Gesprächen vertraute Kreise.

Während der Waffenruhe waren Ende November 105 Geiseln im Austausch gegen 240 palästinensische Häftlinge freigekommen. Die Bereitschaft beider Seiten, über die Rahmenbedingungen zu sprechen, sei ein positiver Schritt, zitierte die US-Zeitung eine Quelle. Die Vermittler arbeiteten nun daran, die Kluft zu überbrücken, hieß es.

Hamas noch lange nicht geschlagen

Derweil setzen die israelischen Streitkräfte die Kämpfe gegen die Hamas im Gazastreifen weiter fort. Der britische Sender BBC berichtete in der Nacht unter Berufung auf US-Geheimdienste, das israelische Militär dürfte bislang 20 bis 30 Prozent der Hamas-Terroristen in Gaza getötet haben. Damit sei die Armee weit von Netanjahus erklärtem Ziel entfernt, die Hamas „vollständig zu vernichten“.

Mehr als drei Monate nach Ausbruch des Krieges sehe sich Israels Armee trotz weit überlegener Feuerkraft im gesamten Gazastreifen immer noch erheblichem Widerstand ausgesetzt, berichtete der Sender unter Berufung auf einen US-Geheimdienstbericht weiter.

Demnach verfüge die Hamas immer noch über genügend Munition, um Israel und seine Streitkräfte monatelang anzugreifen. Hinzu kommt, dass bislang noch kein einziger ranghoher Hamas-Befehlshaber in Gaza gefangen genommen oder getötet wurde.

US-Koordinator reist zu Verhandlungen nach Nahost

Bidens Nahost-Koordinator McGurk werde in dieser Woche den Chef des ägyptischen Geheimdienstes in der Hauptstadt Kairo treffen, berichtete die „New York Times“ in der Nacht unter Berufung auf US-Beamte.

McGurk, der am Sonntag aufbrechen wollte, werde später nach Doha weiterreisen, um dort Katars Ministerpräsidenten Mohammed bin Abdulrahman Al Thani zu treffen. Die Reise sei Teil eines erneuten Vorstoßes der US-Regierung, ein Geiselabkommen zu erreichen, schrieb das Nachrichtenportal „Axios“. US-Beamte hätten eingeräumt, dass eine solche Vereinbarung der einzige Weg sein könnte, der zu einem Waffenstillstand führen könnte.

Bislang zeigt sich Netanjahu jedoch unnachgiebig. Er arbeite „rund um die Uhr“ an der Befreiung der Geiseln, sagte er am Sonntag. „Aber damit es klar ist: Ich weise die Kapitulationsbedingungen der Hamas-Monster aufs Entschiedenste zurück.“ Wiederholt hatte der Politiker zuvor betont, man werde den Krieg in Gaza weiter fortsetzen, „bis zum vollständigen Sieg, bis wir alle unsere Ziele erreicht haben“.

Dazu zählt Netanjahu die Zerschlagung der Hamas, die Rückgabe aller verbliebenen Geiseln und die Gewährleistung, dass vom Gazastreifen nie wieder eine Bedrohung für Israel ausgeht.

Netanjahu steht innenpolitisch unter großem Druck. Tausende hatten am Wochenende in Israel ein Ende der Kämpfe gefordert, um die Geiseln freizubekommen.

Der israelische Sender „i24news“ zitierte in der Nacht den Bruder einer noch immer im Gazastreifen festgehaltenen Geisel mit den Worten: „Ich möchte glauben, dass die Regierung weiß, dass alles, was sie erreicht, nichts wert ist, wenn sie die Geiseln nicht freilassen und sie nicht lebend zurückkommen.“

EU drängt auf Zweistaatenlösung

Der EU-Außenbeauftragte Josep Borrell sagte am Montag am Rande eines Außenministertreffens in Brüssel, Israel könne Frieden „nicht nur mit militärischen Mitteln“ erreichen. Bundesaußenministerin Annalena Baerbock (Grüne) nannte die Zweistaatenlösung „die einzige Lösung“. Der israelische Ministerpräsident Benjamin Netanjahu lehnt einen eigenständigen Palästinenserstaat ab.

Baerbock machte Kritik an Netanjahu deutlich, ohne ihn namentlich zu nennen. „Selbst diejenigen, die davon nichts wissen wollen, haben bisher keine andere Alternative auf den Weg gebracht“, sagte sie mit Blick auf die Zweistaatenlösung in Brüssel.

Baerbock verwies darauf, dass Israel über seinen Hafen Aschdod nun nach US-Angaben Mehllieferungen für den Gazastreifen erlaubt. Das sei ein kleiner Schritt, um die humanitäre Situation zu lindern.

Die belgische Außenministerin Hadja Lahbib, deren Land in diesem Halbjahr den EU-Ratsvorsitz hat, rief zu einem „sofortigen Waffenstillstand“ auf. Baerbock sprach sich dagegen für „humanitäre Pausen“ aus. Die Bundesregierung lehnt einen Waffenstillstand zum jetzigen Zeitpunkt ab und begründet dies mit dem Recht Israels auf Selbstverteidigung.

Die EU-Außenminister wollen zudem neue Sanktionen gegen Mitglieder der radikalislamischen Hamas billigen.

Was heute wichtig wird

Die Außenminister der EU-Staaten wollen mit Kollegen aus dem Nahen Osten über mögliche Initiativen für eine dauerhafte Beilegung des Konflikts zwischen Israelis und Palästinensern beraten. Zu den Gesprächen in Brüssel werden der Generalsekretär der Liga der Arabischen Staaten, Ahmed Abul Gheit, sowie die Außenminister aus Saudi-Arabien, Ägypten und Jordanien erwartet.

Zudem ist in gesonderten Runden auch ein Austausch mit dem israelischen Außenminister Israel Katz sowie dem Außenminister der palästinensischen Autonomiebehörde, Riad Malki, vorgesehen.

Derweil wird der Nahost-Koordinator der US-Regierung zu Gesprächen über einen Geisel-Deal in Ägypten und Katar erwartet. (dpa/afp/red)



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