Vor Nahost-Reise: Baerbock fordert humanitäre Feuerpause für den Gazastreifen

Außenministerin Baerbock reist erneut in den Nahen Osten. Vor ihrem Abflug forderte sie „eine sofortige humanitäre Feuerpause“. Israels Verteidigungsminister will von den USA neue Waffen – der Verbündete hadert wegen der Invasionspläne für Rafah.
Kurz vor dem zweiten Jahrestag des russischen Einmarschs in die Ukraine findet Außenministerin Annalena Baerbock deutliche Worte für Russlands Präsident Wladimir Putin (Archivbild).
Außenministerin Baerbock reist erneut in den Nahen Osten. Es ist Baerbocks sechster Besuch in Israel seit dem blutigen Terrorüberfall der Hamas auf das Land am 7. Oktober. Foto: Dirk Waem/Belga/dpa
Epoch Times24. März 2024

Vor dem Hintergrund einer immer noch ausgebliebenen Annäherung zwischen Israel und der radikalislamischen Hamas bei den Gesprächen über eine Waffenruhe und Geiselfreilassungen reist Bundesaußenministerin Annalena Baerbock (Grüne) am Sonntag erneut in den Nahen Osten.

Vor ihrem Abflug am Nachmittag forderte Baerbock „eine sofortige humanitäre Feuerpause“ für den Gazastreifen. Derweil verließen die Geheimdienstchefs der USA und Israels das Vermittlerland Katar nach weiteren Verhandlungen, ohne dass ein Durchbruch erzielt werden konnte.

Baerbock: Hamas verschanzt sich „perfide“ hinter den Menschen

Nach mehr als fünf Monaten Krieg zwischen Israel und der radikalislamischen Hamas ist die humanitäre Lage im Gazastreifen katastrophal. In der „Hölle von Gaza“ seien mehr als eine Million Kinder, Frauen und Männer von Hunger bedroht, beklagte Baerbock vor ihrer Reise mit geplanten Gesprächen in Ägypten, Israel und den Palästinensergebieten.

„Weil Hamas sich nicht nur weiter perfide hinter ihnen verschanzt, sondern sie auch noch um das zum Überleben Nötigste bringt. Und weil einfach nicht genug Hilfe nach Gaza gelangt.“ Dies dürfe „keinen Tag so weitergehen“.

Bei ihren Gesprächen in der Region wolle sie hinsichtlich eines „politischen Horizonts“ weiter auf allen Seiten um Vertrauen werben – auch mit Blick auf einen dauerhaften Frieden in der Region. „Nur die Perspektive auf eine Zweistaatenlösung mit einer reformierten Palästinensischen Autonomiebehörde als ersten Schritt in Richtung eines demokratischen palästinensischen Staates“ könne den Menschen „ein Leben in Sicherheit und Würde bieten“, sagte Baerbock.

Mit der Zweistaatenlösung ist ein unabhängiger palästinensischer Staat gemeint, der friedlich Seite an Seite mit Israel existiert. Netanjahu lehnt das jedoch genauso ab wie die Hamas.

Zugleich sicherte die Ministerin Israel die Unterstützung Deutschlands zu. „Wir stehen zu unserer Verantwortung für Israels Sicherheit: Hamas muss die Waffen niederlegen und darf nie mehr wieder den Terror des 7. Oktober über die Menschen in Israel bringen.“

Sie warnte aber auch, dass sich „dieses Ziel rein militärisch nicht erreichen“ lasse. Das militärische Vorgehen habe „seine Grenzen im humanitären Völkerrecht“, betonte sie.

Seit Wochen wird verhandelt – Letztes Wort liegt bei Hamas

Seit Wochen wird in Katar über ein neues Abkommen für eine Feuerpause zwischen Israel und der Hamas sowie zur Geiselfreilassung verhandelt. Nach einer weiteren Gesprächsrunde verließen US-Geheimdienstchef William Burns und sein israelischer Kollege David Barnea die katarische Hauptstadt Doha offenbar am späten Samstagabend.

Wie die Nachrichtenagentur AFP am Sonntag aus Verhandlungskreisen erfuhr, reisten die beiden Geheimdienstchefs von CIA und Mossad aus Doha ab, um ihre jeweiligen Teams zu Hause über die jüngste Gesprächsrunde zu informieren.

Das Ausmaß des Fortschritts bei den Verhandlungen in der katarischen Hauptstadt Doha, bei denen die USA, Ägypten und Katar zwischen Israel und der Hamas vermitteln, war zunächst nicht klar.

Israel sei den Islamisten bei der Zahl der palästinensischen Häftlinge, die gegen 40 israelische Geiseln in der Gewalt der Hamas auszutauschen wären, entgegengekommen, berichteten der Fernsehsender „Channel 12“ und das Portal „walla.co.il“. Die israelische Delegation habe einen Kompromissvorschlag der amerikanischen Vermittler akzeptiert, hieß es.

Dieser muss nun von der Hamas gebilligt werden. Das könne mehrere Tage in Anspruch nehmen. Als positives Zeichen werten Beobachter, dass der israelische Delegationsleiter David Barnea und sein Team voraussichtlich die nächsten Tage in Doha bleiben werden.

Die Verhandlungen konzentrierten sich nun insbesondere „auf Details und das Verhältnis für den Austausch von Geiseln und Gefangenen“. Die „technischen Teams“ verbleiben demnach in Doha.

Treffen in Washington

Verteidigungsminister Joav Galant bricht nach Angaben seines Ministeriums heute nach Washington auf. Bei den Gesprächen mit Israels wichtigstem Verbündeten geht es um eine geplante Bodenoffensive in der südlichen Gaza-Stadt Rafah. Die USA lehnen eine solche ab, weil sich dort derzeit rund 1,5 Millionen Menschen befinden.

In den Gesprächen mit seinem Kollegen Lloyd Austin und US-Außenminister Antony Blinken sollte es auch um „die Entwicklung des Krieges gegen die Terrororganisation Hamas“ gehen, erklärte die israelische Regierung.

Zugleich möchte der israelische Gast in Washington wegen neuer Waffenbeschaffungen vorstellig werden. Nach einem Bericht des Nachrichtenportals „axios.com“ stehe nicht nur der Nachschub an Munition und Waffen für den Gaza-Krieg auf Galants Wunschliste, sondern auch langfristiger Bedarf wie etwa weitere F-35- und F-15-Kampfflugzeuge.

Tote bei andauerndem Einsatz im Schifa-Krankenhaus

Die israelische Armee hat am Wochenende ihren Einsatz im Schifa-Krankenhaus im Gazastreifen fortgesetzt. Das Militär teilt mit, es seien dort „rund 480 Terroristen mit Verbindungen zu den Terrororganisationen Hamas und Islamischer Dschihad festgenommen worden“.

Außerdem seien in der größten Klinik in dem Palästinensergebiet „Waffen und Terror-Infrastruktur“ gefunden worden. Seit Beginn des Einsatzes vor einer Woche hat das Militär nach eigenen Angaben in dem Bereich des Krankenhauses Dutzende Terroristen getötet. Die Angaben ließen sich zunächst nicht unabhängig überprüfen.

AA kritisiert Ankündigung zu weiterem Siedlungsbau

Das Auswärtige Amt hat die Ankündigung Israels kritisiert, eine größere Fläche im Westjordanland zu israelischem Staatsland zu erklären.

„Wir verurteilen die Ankündigung auf das Schärfste, über 800 Hektar Land in den palästinensischen Gebieten als israelisches „Staatsland“ zu konfiszieren. Das wäre die größte Aneignung seit über 30 Jahren“, teilte das Außenministerium in Berlin am Sonntag auf X (früher Twitter) mit. Der Siedlungsbau verletze internationales Recht und „trägt in der äußerst fragilen Lage zu weiteren Spannungen bei“.

Israelischen Medienberichten zufolge hat die Zivilverwaltung Israels 800 Hektar im Westjordanland zu Staatsland erklärt. Dies entspricht etwa einer Fläche von mehr als 1100 Fußballfeldern. Auf dem Gebiet sollen unter anderem Hunderte Siedlerwohnungen entstehen. Die israelischen Siedlungen im Westjordanland sind nach internationalem Recht illegal.

Israelis demonstrieren für Geiseln und gegen Netanjahu

Tausende Menschen demonstrierten gestern Abend in Israel für die Freilassung von Geiseln aus der Gewalt der Hamas und gegen die Netanjahu-Regierung. In Tel Aviv riefen sie „Die Zeit läuft ab, bringt sie nach Hause!“, wie israelische Medien berichteten. Die Demonstranten legten auf den Straßen im Zentrum der Küstenmetropole mehrere kleine Feuer und blockierten eine Hauptstraße.

Die Parolen richteten sich auch gegen Netanjahu, dem Kritiker vorwerfen, beim Krisenmanagement nach dem Überfall der Hamas am 7. Oktober auf den Süden Israels versagt zu haben. Zudem würde der Regierungschef das Schicksal der Geiseln den Notwendigkeiten seines politischen Überlebens unterordnen.

Wie schon an den vorangegangenen Samstagen forderten sie den Rücktritt der Netanjahu-Regierung und Neuwahlen. Eine der Rednerinnen sagte: „Mein Cousin Ofer ist seit 169 Tagen ein Gefangener der Hamas. Und wir sind seit 169 Tagen Gefangene unserer Regierung.“

Mehrere Hundert Menschen demonstrierten zudem vor dem Amtssitz Netanjahus in Jerusalem. „Entscheidende Verhandlungen finden in diesen Tagen in Katar statt“, sagte ein Redner, dessen Bruder unter den Geiseln ist. „Israels Regierung darf diese Gelegenheit nicht verstreichen lassen.“

Hisbollah im Libanon

Was ist noch geschehen? Die israelische Luftwaffe hat erneut Ziele der proiranischen Schiiten-Miliz Hisbollah im Libanon angegriffen. Dabei sei eine Waffenproduktionsanlage der Hisbollah bei der Stadt Baalbek im Nordosten attackiert worden, teilte die israelische Armee mit. Örtlichen Behördenangaben zufolge wurden dabei drei Menschen verletzt. Baalbek gilt als Hisbollah-Hochburg und liegt etwa 100 Kilometer entfernt von der israelisch-libanesischen Grenze.

Kurz darauf wurden israelischen Armee-Angaben zufolge rund 50 Raketen von der Hisbollah aus dem Libanon abgefeuert. Einige der Raketen seien abgefangen worden, andere seien im offenen Gelände eingeschlagen. Berichte über Verletzte oder Schäden gab es zunächst nicht. Daraufhin habe die Armee Orte ins Visier genommen, von denen aus die Raketen abgefeuert worden seien, hieß es in israelischen Medienberichten.

UN vs. Israel

UN-Generalsekretär António Guterres machte unterdessen Israel für die humanitäre Lage im Gazastreifen verantwortlich. Die notwendige Hilfe für die vom Hunger bedrohten Menschen könne nur geleistet werden, „wenn Israel die verbleibenden Hindernisse und Blockaden beseitigt“, sagte Guterres am Sonntag bei einem Treffen mit dem ägyptischen Außenminister Sameh Schukri in Kairo vor Journalisten.

Am Vortag hatte Guterres den ägyptischen Grenzübergang Rafah besucht, durch den nur schleppend Hilfe in den Gazastreifen gelangt. Bereits dort hatte er an Israel appelliert, „vollständigen, ungehinderten Zugang für humanitäre Güter im gesamten Gazastreifen“ zu gewähren.

Der israelische Außenminister Israel Katz warf Guterres daraufhin Einseitigkeit vor. Der UN-Generalsekretär habe bei seinem Besuch in Rafah weder die „Plünderung“ der humanitären Hilfsgüter durch die Hamas verurteilt noch die sofortige und bedingungslose Freilassung aller israelischen Geiseln gefordert, kritisierte Katz im Onlinedienst X. (afp/dpa/red)



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