Was hat der Rücktritt des französischen Armeechefs mit Marine Le Pen zu tun?

Der Chef der französischen Streitkräfte ist zurückgetreten. Macron ernannte bereits seinen Nachfolger. Der Zeitpunkt ist ungewöhnlich. Möglicherweise sollte verhindert werden, dass Marine Le Pen nach einem Wahlsieg 2022 den Generalstabschef bestimmt.
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General Francois Lecointre während einer Zeremonie zum Gedenken an General Charles De Gaulles.Foto: CHARLES PLATIAU/POOL/AFP via Getty Images
Von 16. Juni 2021

Der Generalstabschef der französischen Streitkräfte hat seinen Rücktritt bekannt gegeben. General François Lecointre erklärte, er werde am 20. Juli zurücktreten, genau vier Jahre nach seinem Amtsantritt. Möglicherweise steht die Sorge dahinter, Marine Le Pen könnte die Präsidentenwahl im Frühjahr 2022 gewinnen – und seinen Nachfolger ernennen.

Der Élysée-Palast bestätigte die Nachricht am 13. Juni und gab bekannt, dass Lecointre durch den derzeitigen Stabschef der Armee, Thierry Burkhard, ersetzt wird.

Marine Le Pen hat die Militärs aufgerufen, sie bei der Präsidentschaftswahl zu unterstützen. Im Januar führte die Politikerin und Juristin Le Pen in Wahlumfragen mit 27 Prozent der Stimmen vor Emmanuel Macron mit 24 Prozent, im Mai sahen die Meinungsforschungsinstitute Le Pen weiter im Aufwind, sie steigerte sich auf 29 Prozent.

Der Anteil der Menschen, die noch nie für ihre Partei Rassemblement National (RN/früher: Front National) stimmten, das aber in Erwägung ziehen, steigt – vor allem bei jungen Menschen. Im Jahr 2017 unterlag Le Pen in der Stichwahl Macron, 2022 rechnen Meinungsforscher mit einem Kopf-an-Kopf-Rennen.

Nachfolger von Macron festgelegt: Thierry Burkhard

General François Lecointre sagte in einem Fersehinterview mit der „RTL“-Sendung Grand Jury: „Der Hauptgrund ist, eine Politisierung der Rolle des Armeechefs zu vermeiden.“ Normalerweise würde ein derartiger Wechsel am Ende eines Präsidentschaftswahlkampfes geschehen.

Lecointre erklärt, es sei wichtig, die Menschen daran zu erinnern, dass er dem Büro des Präsidenten diene und „nicht Emmanuel Macron.“ Die Unabhängigkeit der Armee sollte nicht infrage gestellt werden. Er möchte nicht, dass der Chef der Streitkräfte mit einer politischen Partei in Verbindung gebracht und in die politische Debatte vor den Wahlen um die Präsidentschaft 2022 hineingezogen wird.

Wir müssen verhindern, dass die Leute denken, dass ein Chef des Verteidigungsstabs wegen seiner politischen Ansichten ausgewählt wird.“

War der „Militärputsch“-Brief ein Grund?

Französische Medien spekulieren, ob sein vorzeitiger Rücktritt mit dem offenen Brief der pensionierten Generäle zusammenhängt. Mit einem Brandbrief warnten Ende April dieses Jahres 20 pensionierte hochrangige französische Generäle, hundert hochrangige aktive Offiziere und mehr als tausend aktive andere Soldaten vor Zerfall, Bürgerkrieg, vor „Islamismus und den Horden der Banlieue“, jenen Gruppen aus den Randzonen der Großstädte.

Sie schrieben: „Frankreich ist in Gefahr“ und man könne unter den gegenwärtigen Umständen gegenüber „dem Schicksal unseres schönen Landes nicht gleichgültig bleiben“.

„Le Monde“ berichtete, dass Macrons Regierung Lecointre gezwungen habe, sich gegen die Unterzeichner des Briefes auszusprechen. Sechs pensionierte Generäle sollen sich nun vor einem „höheren Disziplinarrat“ verantworten.

Anfang Mai erschien ein zweites Schreiben, in dem Präsident Emmanuel Macron vor „Zugeständnissen“ an Islamisten gewarnt wird. Letztere hätten nur „Verachtung oder sogar Hass“ für Frankreich übrig, heißt es in dem Text, der ebenfalls von „Valeurs Actuelles“ veröffentlicht wurde – allerdings anonym.

Die Urheber sollen aktive Militärangehörige sein, die ihre Namen aus Angst vor Sanktionen nicht nennen wollen. Nach Angaben der Zeitschrift schlossen sich mehr als 145.000 Menschen dem Aufruf an.

Pariser Bürgermeisterin: Das ist die Realität

Laut „Daily Mail“ sagte die Bürgermeisterin des 7. Stadtbezirks von Paris und ehemalige Justizministerin unter Sarkozy, Rachida Dati, gegenüber „France Info Radio“: „Was in diesem Brief geschrieben steht, ist Realität. Wenn man ein Land hat, das von einem städtischen Guerillakrieg geplagt wird, wenn man eine konstante und hohe terroristische Bedrohung hat, wenn man immer krassere und eklatantere Ungleichheiten hat … können wir nicht sagen, dass es dem Land gut geht.

Als in einem Interview mit „Le Parisien“ Generalstabschef François Lecointre gefragt wurde, ob er in der Veröffentlichung des Briefes einen Aufruf zur Volksverhetzung sehe, antworte dieser: „Absolut nicht! Algerien ist kein Thema meiner Generation, die Fantasie des Putsches scheint mir irrelevant. Es gibt nicht die geringste Versuchung dieser Art. Wenn Sie die französische Armee kennen, die im Kampf ist, um unser Land und seine demokratischen Werte zu verteidigen, ist das absurd.“

 

 



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