Zwei Reisen um Taiwans Zukunft: Präsidentin in USA, Ex-Präsident in China

Zur gleichen Zeit sind Taiwans Präsidentin Tsai Ing-wen in den USA und Mittelamerika und der ehemalige Präsident, Ma Ying-jeou in China. Kein Zufall. Doch was steckt dahinter?
Taiwan Präsidenten
Ein Foto aus dem Jahr 2016: Taiwans scheidender Präsident Ma Ying-jeou (l.) und die neue Präsidentin Tsai Ing-wen (r.) während der Zeremonie zur Amtseinführung in Taipeh am 20. Mai 2016.Foto: SAM YEH/AFP via Getty Images
Von 31. März 2023

Es sind keine Staatsbesuche, doch sie haben es in sich. Beide Reisen finden vor dem Hintergrund der am 16. Januar 2024 stattfindenden Präsidentenwahlen in Taiwan statt – für die weder Tsai noch Ma selbst erneut antreten können. Anstelle von Tsai soll Vizepräsident und DDP-Chef Lai Qingde ins Rennen gehen, für die Partei Kuomintang steht noch nicht ganz fest, wer sich qualifizieren wird. Prinzipiell geht es aber auch darum, ob der pro-amerikanische oder der pro-chinesische Weg für Taiwans Zukunft entscheidend sein wird.

Zwei Reisen, die für Wirbel sorgen

Während der Peking-freundliche Ex-Präsident Ma (KMT, 2008 bis 2016) bereits am Montag in China landete, traf Präsidentin Tsai erst am Mittwoch in den USA ein – unter Drohungen von Peking. In New York machte Tsai einen Zwischenstopp, um am 30. März den Global Leadership Award des Hudson Institute of the United States entgegenzunehmen.

Ihre Reise geht dann weiter nach Guatemala und Belize in Mittelamerika, zwei der zwölf Länder, die mit Taiwan diplomatische Beziehungen unterhalten. Anschließend wird Tsai zurück in die USA fliegen, nach Kalifornien, wo sie ein Treffen mit dem Vorsitzenden des US-Repräsentantenhauses, dem Republikaner Kevin McCarthy, haben soll. Zudem steht am 5. April eine Rede in der Reagan Library in Simi Valley an, rund 60 Kilometer nordwestlich von Los Angeles.

Peking protestiert indes gegen die USA-Reise der taiwanischen Präsidentin. Bereits vor ihrer Abreise kündigte in Peking Zhu Fenglian, Sprecher des Büros für Taiwan-Angelegenheiten der Kommunistischen Partei Chinas (KPC), an, dass man „entschieden dagegen“ sei, dass Tsai sich mit McCarthy treffe. Man werde auch „entschiedene Gegenmaßnahmen ergreifen“. Konkreter äußerte sich Zhu jedoch nicht, schreibt die chinesischsprachige Epoch Times.

Der „Deutschen Presse-Agentur“ (dpa) zufolge sorgte auch Ma Ying-jeous Reise für helle Aufregung – allerdings in Taiwan. Die Sprecherin der taiwanischen Regierungspartei DPP, Michelle Lin, fand es „bedauerlich“, dass Mas Partei „an der Seite der chinesischen Kommunisten steht und Ex-Präsident Ma die Ablehnung eines China-Besuchs durch die Öffentlichkeit missachtet“. Ma Ying-jeou leiste damit der Agenda Pekings Vorschub, die eine Vereinigung Taiwans mit Festlandchina vorsehe. Nach Angaben der dpa hatten auch mehrere Oppositionsparteien in Taiwan Ma dazu aufgefordert, seine China-Reise abzusagen.

Zur Totenfeier nach China

Es hat angesichts der ständigen Provokationen des chinesischen Militärs gegen Taiwan und der großen Spannungen zwischen den beiden Ländern einen makabren Beigeschmack, dass Ma Ying-jeou gerade zum Totenfest nach China fährt – und dazu auch noch taiwanische Studenten mitbringt.

Nach Angaben des chinesischen Staatssenders „Radio China International“ (CRI) wurde Ma Ying-jeou am Nachmittag des 27. März 2023 von „hochrangigen Beamten des Taiwan-Arbeitsbüros des Zentralkomitees der Kommunistischen Partei Chinas und des Stadtkomitees der KP Chinas“ am Flughafen von Shanghai begrüßt.

„Ma wird anlässlich des Qingming-Festes, dem Tag der Grabpflege, seinen Vorfahren die letzte Ehre erweisen“, so der Staatssender. Außerdem wolle er eine Gruppe von Taiwan-Studenten zu „Kommunikations- und Austauschaktivitäten führen“, hieß es. Neben den beiden der Zentralregierung in Peking direkt unterstehenden Millionenmetropolen – Shanghai und Chongqing – sollen auf Mas Reiseroute auch die Provinzhauptstädte Nanjing (Jiangsu), Wuhan (Hebei) und Changsha (Hunan) liegen.

Zunächst reiste Ma am 28. März zur Sun-Yat-sen-Gedenkenstätte in Nanjing. Dort legte er an der Bronzestatue des Kuomintang-Gründers und ersten provisorischen Präsidenten (1912) der Republik China Blumen nieder. In Nanjing traf er sich auch mit Xin Changxing, dem Parteisekretär der KPC und damit mächtigsten Mann in der Provinz Jiangsu.

Ma Ying-jeou wurde 1950 in Hongkong geboren. Seine Familie, Anhänger der Kuomintang, wanderte bald nach seiner Geburt nach Taiwan aus. Während die 1956 in Taipeh geborene Tsai auf Freundschaft mit den USA und die Unabhängigkeit Taiwans von China besteht, gilt Ma als Verfechter der Annäherung an den kommunistischen Staat und Befürworter des „Konsens 1992“, einer inoffiziellen und vermutlich absichtlich vage gehaltenen und nie schriftlich festgelegten Darlegung. In dieser nicht greifbaren Wir-tun-so-als-ob-Regelung sollen Taiwan und China angeblich anerkennen, dass es nur ein China gebe, zu dem beide Seiten unterschiedliche Vorstellungen hätten. Im Prinzip würde Taiwan damit seine Zugehörigkeit zu China anerkennen und auf eine einseitige Unabhängigkeitserklärung verzichten.

Die Strategie der Demütigung

Nach Angaben der chinesischsprachigen Epoch Times wurde Ma Ying-jeou in Shanghai vom stellvertretenden Direktor des Büros für Taiwan-Angelegenheiten des Staatsrats, Chen Yuanfeng, und dem Direktor des Taiwan-Büros der Stadt Shanghai, Zhong Xiaomin, abgeholt. Nicht jedoch von Ding Xuexiang, wie ursprünglich gemunkelt wurde, dem Leiter des Allgemeinen Büros des Zentralkomitees der Kommunistischen Partei Chinas und Mitglied im Ständigen Ausschuss des Politbüros des ZK der KPC.

Chen Fangyu, Gastwissenschaftler am Washington DC Think Tank und Assistenzprofessor für Politikwissenschaft an der Soochow-Universität in Taiwan, sagte gegenüber der englischsprachigen Epoch Times am 28. März: „Die Person, die ihn begrüßte, war ein Beamter auf Vizeministerebene, was einer Degradierungsstrategie um drei Ebenen gleichkam.“ Die KPC glaube, dass sie alles beherrsche und mache absichtlich kleine Unterschiede, um zu demütigen.

KMT macht Pro-China-Stimmung in Taiwan

Bereits Anfang März hatte die taiwanische Regierungspartei DPP in einem Statement auf „irreführende Umfragen“ der KMT hingewiesen, mit dem Versuch, die öffentliche Meinung zu beeinflussen. In einer Presseerklärung hatte demnach der Kuomintang-Abgeordnete Lee Guei-min eine Umfrage vorgelegt, die zeigen sollte, dass fast die Hälfte der Taiwaner kein Vertrauen in die Garantie der Vereinigten Staaten für Taiwans Sicherheit hätten, erklärte DPP-Sprecher Peifen Hsieh, Direktor der Abteilung für internationale Angelegenheiten.

Es erging der Vorwurf, dass die KMT mit „sehr suggestiven Fragen“ gearbeitet habe. Hsieh bracht eine Frage als Beispiel: „Werden Probleme über die Taiwanstraße am besten zwischen den beiden Seiten der Taiwanstraße oder durch eine intervenierende externe Kraft gelöst?“ Diese Frage impliziere jedoch, dass China keine externe Kraft sei. „Und um es klar zu sagen: China ist in den Augen Taiwans selbst eine externe Kraft“, erklärte Hsieh.

Der DPP-Sprecher verwies auf eine eine Woche zuvor veröffentlichte Umfrage, die zeige, dass 46 Prozent der Taiwaner eine positive Einstellung zu den USA hätten, hingegen nur 16 Prozent zu China. 70 Prozent glaubten sogar, dass China für Taiwan eine ernsthafte Bedrohung darstelle. 75 Prozent lehnten zudem ein Modell wie in Hongkong, „ein Land, zwei Systeme“, ab.

Chinas Regierung flüchtete 1949 nach Taiwan

Während die Kuomintang-Truppen 1942 verlustreich gegen die japanischen Invasoren kämpften, hintergingen sie ihre kommunistischen Kooperationspartner. Mao Zedong legte in dieser Zeit Wert auf Raumgewinn innerhalb Chinas und hob seine militärische Macht für die geplante Revolution auf.

Entgegen den Alliierten-Verträgen unterstützte der sowjetische Diktator Stalin Chinas Kommunisten ab 1945 insgeheim mit Waffen und Finanzmitteln. Maos Banden entfachten daraufhin in ganz China Guerillakriege und übernahmen schließlich 1949 gewaltsam die Macht im Land. Daraufhin flüchtete die 1947 gewählte Kuomintang-Regierung, als letzte frei gewählte chinesische Regierung, nach Taiwan – und mit ihr Millionen von Anhängern.



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