Das konservative Lager gewinnt, linksliberal verliert – ein „Tabu“ bleibt

Wie haben Politiker auf die Ergebnisse der Landtagswahlen von Hessen und Bayern reagiert? Unmut gab's nicht nur bei den Ampelparteien, sondern auch beim „Konservativen Aufbruch“, einem Teil der CSU.
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TV-Talk im Bayerischen Landtag am 8. Oktober 2023 in München: (V.l.) SPD-Kandidat Florian von Brunn, Grünen-Kandidatin Katharina Schulze, Bayerns Ministerpräsident und CSU-Kandidat Markus Soeder, der TV-Moderator. Der Freie-Wähler-Kandidat Hubert Aiwanger (2.v.r) und die AfD-Kandidatin Katrin Ebner-Steiner (r.).Foto: Alexandra Beier/Getty Images
Von 9. Oktober 2023

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Das konservative Lager gewinnt, linksliberal verliert – so einfach könnte man die beiden Landtagswahlen vom 8. Oktober in Hessen und Bayern beschreiben. Wie haben die Parteien bis zum Morgen nach dem Urnengang auf die Wahlergebnisse reagiert?

Den größten Zuwachs des Abends hatte es beim CDU-Landesverband Hessen gegeben: Plus 7,6 Prozentpunkte und damit 34,6 Prozent Gesamtausbeute bedeuten fünf weitere Jahre an der Regierungsspitze für Ministerpräsident Boris Rhein. „Vielen Dank für den überwältigenden Vertrauensbeweis an alle Wählerinnen und Wähler! Wir starten gemeinsam in eine gute neue Zeit und werden Hessen weiterführen“, versprach Rhein auf X. Mit wem er diesmal zu koalieren gedenkt, ließ er am Abend noch offen. Das werde man in einer „sehr konstruktiven und freundschaftlichen Atmosphäre“ besprechen, kündigte Rhein in der „hessenschau“ an.

Freie Auswahl für Boris Rhein: Nein zur AfD bestätigt

Er wolle allerdings nicht nur mit seinem bisherigen Partner, den Grünen, sondern auch mit der SPD und der FDP ein mögliches Bündnis ausloten. Die Liberalen haben es mit 5,0 Prozent (minus 2,5 Punkte) nämlich offensichtlich noch ganz knapp in den Landtag Wiesbaden geschafft, wie das vorläufige Wahlergebnis am Morgen des 9. Oktober zeigt. Auf der Website der FDP-Parteizentrale ist bislang nur ein Dankeschön an die Wähler, an die Wahlkämpfer und Unterstützer zu lesen.

Für den strahlenden Wahlgewinner Boris Rhein ist nur die AfD nach wie vor tabu: „Es ist nicht nur ’ne Brandmauer, sondern ein tiefer Graben“, bekräftigte Rhein. „Die Werte dieser Partei passen nicht zu christdemokratischen Werten. Es wird keine Koalition mit der AfD geben mit der hessischen Union.“

CDU-Parteichef Friedrich Merz gratulierte seinem Parteikollegen auf X „zu diesem sensationellen Ergebnis“. Merz weiter: „Es zeigt vor allem eines: Geschlossenheit und klare Positionen zahlen sich aus. Wenn wir diesen Weg alle gemeinsam weitergehen, ist das #Ampel-Chaos spätestens zur Bundestagswahl 2025 beendet.“

SPD nach Schlappe enttäuscht

Die SPD-Spitzenkandidatin in Hessen, Bundesinnenministerin Nancy Faeser, sprach im hr angesichts ihres Ergebnisses (15,1 Prozent/minus 4,7) von einem „sehr bitteren Ergebnis“. Trotzdem sei sie „sehr zuversichtlich“, dass ihre Partei gute Gespräche mit dem Wahlsieger Boris Rhein haben werde.

Die SPD-Parteizentrale räumte auf Instagram ein, dass es „für die Sozialdemokratie […] in beiden Bundesländern keine zufriedenstellenden Zahlen“ gegeben habe. Die Ursachen dafür seien „sicherlich komplex“. Die jüngsten Einträge auf X von SPD-Co-Parteichef Lars Klingbeil und von Bundeskanzler Olaf Scholz (SPD) drehen sich um die Situation in Israel beziehungsweise die Sicherheitslage der Jüdinnen und Juden in Deutschland.

„Elefantenrunde“ nach der Hessen-Wahl (v.l.): Robert Lambrou (AfD), Tarek Al-Wazir (Grüne), Nancy Faeser (SPD), Boris Rhein (CDU). Ganz rechts: Moderatorin Kristin Gesang. Foto: Bildschirmfoto/hr/hessenschau

Al-Wazir optimistisch: „Wir haben in Hessen keine Wechselstimmung“

Für die mögliche hessische Koalitionsoption Nummer zwei, die Grünen (14,8 Prozent/minus 5,0), zeigte sich Spitzenkandidat Tarek Al-Wazir im hr moderat optimistisch: Trotz der Verluste habe seine Partei immer noch das „historisch zweitbeste“ Ergebnis in Hessen geholt. Offensichtlich hofft er auf eine Fortsetzung der schwarz-grünen Koalition. „Wir haben in Hessen keine Wechselstimmung, sondern eher eine Zufriedenheit mit der Landesregierung“, so Al-Wazir.

Auch die grüne Parteizentrale sieht „stabile Ergebnisse in Bayern und in Hessen“. Die Co-Bundesvorsitzende Ricarda Lang ergänzte: „Wir haben gezeigt, dass wir im ganzen Land verankert sind – und das ist eine gute Basis, um in Zukunft noch mehr auszugreifen.“

Ihr Co-Bundesvorsitzender Omid Nouripour zeigte sich zuversichtlich, dass das schwarz-grüne Bündnis in Hessen fortgeführt werden könnte: „Wir haben in den letzten Jahren gut mit Boris Rhein zusammengearbeitet. […] Wir stehen bereit, weiterhin Verantwortung zu übernehmen.“ Der Ball liege nun beim Ministerpräsidenten.

AfD mit Rekordergebnissen

Auch wenn sie weiterhin nicht in Regierungsverantwortung kommen wird, kann die „Alternative für Deutschland“ (AfD) als zumindest zweiter großer Gewinner des Wahltags gelten.

Für Hessen vermeldete die Landeswahlleitung am Montagmorgen ein vorläufiges Ergebnis von 18,4 Prozent für die AfD. Das bedeutet ein Plus von 5,3 Prozent im Vergleich zur Wahl 2018 und Platz zwei im hessischen Parteienspektrum. AfD-Spitzenkandidat Robert Lambrou sprach am Abend im hr von einem „enormen Vertrauensvorschuss“ und einem „atemberaubenden Ergebnis“. Immerhin handele es sich um das „beste Ergebnis der AfD in Westdeutschland jemals“. Er gehe davon aus, dass es in den nächsten „ein bis zwei Jahren“ Koalitionen mit der AfD geben werde.

Bayern: CSU und Freie Wähler vorn, AfD mit größtem Zuwachs

In Bayern verbuchten die beiden AfD-Spitzenkandidaten Katrin Ebner-Steiner und Martin Böhm mit 4,4 Prozentpunkten mehr als noch vor fünf Jahren den größten Zuwachs aller Parteien und landeten bei 14,7 Prozent. Das bedeutet Platz drei im Parteienranking, hinter der CSU (37,0 Prozent/plus 0,3 Punkte) und den Freien Wählern (15,8 Prozent/plus 3,9).

AfD-Co-Parteichef Tino Chrupalla brach sein tagelanges Schweigen am Wahlabend auf X mit einer inzwischen nicht mehr ganz aktuellen Grußbotschaft: „Wir ziehen mit starken Ergebnissen als zweitstärkste Kraft in die Landtage von Bayern und Hessen ein. Ich gratuliere den Gewählten und danke allen Helfern herzlich für die Unterstützung unter teils widrigen Bedingungen. Unser Kurs stimmt: Politik für die Interessen der Bürger!“ Ähnlich seine Co-Sprecherin Alice Weidel: „Ein riesiger Erfolg, der den dringenden Wunsch nach einer politischen Wende verkörpert.“

Stephan Protschka, der Landesvorsitzende der AfD Bayern, freute sich auf X über den Stimmenzuwachs: „Die @AfD_Bayern ist Oppositionsführer im bayerischen Landtag. Wir konnten über 300.000 neue Wähler gewinnen. Wir sind Wahlsieger.“

Söder: „Es ging nie um einen Schönheitspreis“

Für die CSU um Ministerpräsident Markus Söder genügte ein nahezu konstantes Ergebnis von 37,0 Prozent (minus 0,2 Punkte) für weitere fünf Jahre an der Macht. „Es ging uns nie um einen Schönheitspreis, aber um einen klaren Regierungsauftrag“, stellte Parteichef Söder auf der CSU-Website klar. Nach Informationen des „Bayerischen Rundfunks“ (BR) will der Franke noch diese Woche über eine Fortsetzung der Koalition sprechen.

Für die Schwesterpartei CDU sendete abermals Parteichef Friedrich Merz seine Glückwünsche: „Ich gratuliere Dir herzlich zum Wahlsieg, lieber @Markus_Soeder! Die Wählerinnen und Wähler in Bayern haben der @CSU erneut einen ganz klaren Regierungsauftrag erteilt, die erfolgreiche bürgerliche Koalition kann fortgeführt werden“, so Merz auf X.

„Konservativer Aufbruch“ will Amt und Parteivorsitz trennen

Kritische Töne in Richtung Söder gab es vom „Konservativen Aufbruch“, der Interessenvertretung der „Wertkonservativen und Wirtschaftsliberalen in der CSU“: „Trotz des völligen Versagens der Bundesregierung und der von ihr verschuldeten schweren Wirtschaftskrise gelang es Markus Söder nicht, den Stimmenanteil der CSU auszubauen“, kritisierte der erste Landessprecher Thomas Jahn in einer Pressemitteilung. Söder habe „spätestens seit 2019“ damit begonnen, „konservative Stimmen in der Partei systematisch auszugrenzen, um künftige Bündnisse mit den Grünen zu ermöglichen“, ergänzte die zweite Landessprecherin Juliane Ried:

Seine wirtschaftsfeindliche rigide Corona-Politik hat zahllose Selbstständige und Mittelständler vergrault. Anstatt die riesigen Fehler und Versäumnisse der Merkel-Zeit endlich aufzuarbeiten, verlieh Söder Merkel im Juni 2023 eine der höchsten Auszeichnungen des Freistaats Bayern. Auch seine Anbiederung an linke Aktivisten, wie die ‚Regenbogen‘-Lobby vergraulte viele Stammwähler und ist für das schlechte CSU-Ergebnis mitverantwortlich.“

Der „Konservative Aufbruch“ fordert nun, „das Amt des Ministerpräsidenten wieder von der Position des CSU-Vorsitzenden“ zu trennen. Außerdem soll die CSU „endlich die nötige Brandmauer gegen links“ errichten und „jegliche Bündnisse mit den Grünen, auch auf kommunaler Ebene“, ausschließen.

Wahlsieger Markus Söder (CSU) wird in München gefeiert.

Der Druck vom wertkonservativen CSU-Flügel auf Wahlsieger Markus Söder (CSU) wächst. Foto: Peter Kneffel/dpa

Aiwanger will „Sorgen der Bürger ernst nehmen“

Dass die CSU mit ihrem bisherigen Koalitionspartner Freie Wähler (15,8 Prozent/plus 4,2) weiter machen wird, gilt als sicher. Auf X jubelte ihr Parteichef und Regierungsvize Hubert Aiwanger: „#FREIEWÄHLER jetzt zweite Kraft in Bayern! Großer Dank an unsere Wähler! Das ist unser Auftrag, weiter für Eure Anliegen einzutreten! Stärkung der Demokratie, Sorgen der Bürger ernst nehmen, Thema Migration nicht unkontrolliert weiterlaufen lassen!“

Die Spitzenkandidatin der Grünen in Bayern, Katharina Schulze, beklagte auf X das Wahlergebnis: „Danke an die Wähler*innen. Wir haben unser zweitbestes Ergebnis erzielt & sind in Bayern fest verankert. Der Rechtsrutsch ist fatal: Markus Söder bekommt die Geister die er rief nicht mehr los. Als Demokrat das Lied der Rechtspopulist [sic] zu singen stärkt immer das Original.“

Die SPD Bayern stürzte mit ihrem Spitzenkandidaten Florian von Brunn noch weiter ab: auf nur noch 8,4 Prozent (minus 1,2). Auf seinem X-Kanal sind nun lediglich Glückwünsche an die CSU und Markus Söder zu finden.

FDP: Kubicki fordert Umdenken bei der Ampel

Die FDP (3,0 Prozent/minus 2,1) wird sogar überhaupt nicht mehr im Bayerischen Landtag vertreten sein. Ihr Spitzenkandidat Martin Hagen verlieh seiner Enttäuschung bereits am Abend auf X Ausdruck: „Ein bitterer Abend für die FDP in Bayern. Die Niederlage schmerzt, auch ganz persönlich. Wir drücken jetzt unseren Parteifreunden in Hessen die Daumen, dass ihnen der Wiedereinzug in den Landtag gelingt.“

Der stellvertretende FDP-Vorsitzende Wolfgang Kubicki richtete seine kritischen Worte an die Ampelregierung in Berlin: Die drei Parteien SPD, Grüne und auch seine FDP müssten angesichts der Verluste bei beiden Landtagswahlen endlich aufnehmen, „was die Menschen bewegt“.



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