160 Bürger für ersten Bürgerrat des Bundestages ausgelost

160 Bürger sollen zum Beispiel beraten, was „zu einer transparenten Kennzeichnung von sozialen Bedingungen, von Umwelt- und Klimaverträglichkeit und von Tierwohlstandards“ auf Lebensmitteln gehört. Eine Pflicht zur Berücksichtigung hat der Bundestag nicht.
Bärbel Bas hat als Bundestagspräsidentin das zweithöchste Staatsamt inne.
Der Bürgerrat soll sich auch mit der Kennzeichnung von Lebensmitteln beschäftigen.Foto: iStock
Epoch Times21. Juli 2023

Erstmals soll es in diesem Jahr einen vom Bundestag beschlossenen Bürgerrat geben. Er soll sich mit Fragen rund um das Thema Ernährung befassen. Parlamentspräsidentin Bärbel Bas (SPD) loste am Freitagnachmittag die 160 Teilnehmer aus. Starten soll der Rat Ende September. Worum es geht:

Was ist das Ziel des Bürgerrats?

Die drei Ampel-Parteien hatten in ihrem Koalitionsvertrag vereinbart, „neue Formen des Bürgerdialogs wie etwa Bürgerräte“ zu nutzen. Bas sieht in ihnen ein Mittel, die „Kluft“ zwischen Bevölkerung und Parlamentariern wieder etwas zu verkleinern. Andere Sichtweisen aus den Bürgerräten könnten den Parlamentariern zudem helfen, durch Parteiprogramme und Fraktionsentscheidungen zuweilen festgefahrene Positionen zu überdenken.

Warum wurde Ernährung als Thema gewählt?

Der Koalitionsvertrag ließ das Thema offen. Die Regierungsfraktionen entschieden sich für Ernährung, weil dies viele Menschen umtreibt und in ihrem Alltagsleben betrifft. Der Bürgerrat wurde dann im Mai per Parlamentsbeschluss mit dem Titel „Ernährung im Wandel: Zwischen Privatangelegenheit und staatlichen Aufgaben“ eingesetzt.

Worüber soll konkret diskutiert werden?

Der Rat soll sich dazu äußern, was „zu einer transparenten Kennzeichnung von sozialen Bedingungen, von Umwelt- und Klimaverträglichkeit und von Tierwohlstandards“ auf Lebensmitteln gehört. Erörtert werden soll auch, welchen „steuerlichen Rahmen“ der Staat für die „Preisbildung von Lebensmitteln“ setzen sollte. Auch Konzepte gegen Lebensmittelverschwendung stehen auf der Agenda.

Wie werden die Mitglieder ausgewählt?

Bas hatte Mitte Juni rund 19.300 zufällig ausgeloste Bürger aus 84 ebenfalls per Zufall bestimmten Gemeinden zur Teilnahme eingeladen. Gut 2.220 zeigten Interesse. Ein Algorithmus ermittelte 1.000 mögliche Zusammensetzungen eines Bürgerrates, die den vorgegebenen Kriterien entsprechen. Diese sind geografische Herkunft, Geschlecht, Alter, Gemeindegröße und Bildungsstand. Zudem wird sichergestellt, dass auch Veganer und Vegetarier entsprechend ihrem Bevölkerungsanteil vertreten sind. Aus diesen 1.000 möglichen Varianten loste Bas durch das Ziehen von drei Ziffern einen aus.

Ist es der erste Bürgerrat?

Zumindest der erste, der durch das Parlament eingesetzt wurde. In der vergangenen Legislaturperiode hatte es bereits einen Bürgerrat zum Thema Außenpolitik unter Schirmherrschaft des damaligen Bundestagspräsidenten Wolfgang Schäuble (CDU) gegeben. Dieses Projekt wurde aber von einem Verein organisiert.

Von wann bis wann soll der Bürgerrat tagen?

Der Bürgerrat wird am 29. September 2023 feierlich eröffnet. Vorgesehen sind insgesamt drei Wochenendsitzungen in Präsenz. Hinzu kommen sechs digitale Abendveranstaltungen. Der Bürgerrat soll seine Beratungen dann bis zum 29. Februar 2024 abschließen.

Was kostet der Bürgerrat?

Die 160 Teilnehmer erhalten eine Aufwandspauschale von 100 Euro pro Sitzungstag in Präsenz und 50 Euro pro Sitzung in digitaler Form. Hotelkosten werden übernommen. Hinzu kommen Kosten für eine Stabsstelle Bürgerrat im Bundestag und einen externen Dienstleister. Die Gesamtkosten lassen sich laut Bundestag bisher noch nicht genau beziffern. Im Haushalt 2023 sind maximal drei Millionen Euro für den Bürgerrat vorgesehen.

Was passiert mit den Ergebnissen?

Der Bürgerrat erarbeitet ein Gutachten mit konkreten Handlungsempfehlungen. „Diese fließen in die parlamentarischen Beratungen ein“, erklärt der Bundestag. Eine Pflicht zur Berücksichtigung gibt es aber nicht: „Was umgesetzt wird und was nicht, entscheiden am Ende aber allein die Mitglieder des Deutschen Bundestages.“

Woran entzündet sich Kritik?

In der Union gibt es die Befürchtung, dass das Vorhaben „die Bedeutung von Parlamenten unterminiert“, wie die CDU-Abgeordnete Gitta Connemann im Mai sagte. Auch der CDU-Abgeordnete Philipp Amthor warnte diese Woche, legitime Bemühungen um mehr Bürgerbeteiligung dürften „nicht zu einer fortschreitenden Erosion des Konzepts der repräsentativen Demokratie führen“.

Die AfD hält Bürgerräte für unnötig und fordert vielmehr „die Einführung von bundesweiten Volksentscheiden“. Die Linksfraktion fordert, dass die Empfehlungen des Bürgerrats „verbindlicher“ für das Parlament sind.

(afp/mk/dl)



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