Aktienrente: Bund gewährt Darlehen für „Generationenkapital“ – Gewerkschaften skeptisch

Die Bundesregierung plant, bis 2035 ein „Generationenkapital“ von 200 Milliarden Euro anzusparen. Finanzieren will man diesen Baustein der geplanten Aktienrente jedoch über ein Darlehen vom Bund.
Protestveranstaltung der IG Metall gegen die «Aktienrente» in Berlin (Archivbild).
Protestveranstaltung der IG Metall gegen die „Aktienrente“ in Berlin (Archivbild).Foto: Christoph Soeder/dpa
Von 8. August 2023

Die von der Ampelkoalition angekündigte „Aktienrente“ soll einem Bericht des „Handelsblatts“ zufolge erstmals konkrete Formen annehmen. Bis dato hatte Bundesfinanzminister Christian Lindner für das Projekt „Generationenkapital“ lediglich eine Zahlung für 2023 vorgesehen. Diese sollte zehn Milliarden Euro betragen.

Bund könnte eigene Beteiligungen in den Fonds übertragen

Nun soll sich die Koalition auch auf Folgezahlungen geeinigt haben. Im nächsten Jahr sollen diese eine Gesamthöhe von 12 Milliarden Euro erreichen, in den Jahren darauf soll dieser Betrag um jeweils drei Prozent steigen. Das Blatt beruft sich dabei auf Angaben aus Regierungskreisen. Zwischen Bundesarbeits- und Bundesfinanzministerium sei diesbezüglich ein Konsens erzielt worden.

Auf diese Weise hofft das Bundesfinanzministerium, das „Generationenkapital“ bis 2035 auf ein Volumen von 200 Milliarden Euro gebracht zu haben. Ein Darlehen des Bundes soll es ermöglichen, den Fonds auszustatten. Zudem ist angedacht, bis 2028 Vermögenswerte des Bundes im Umfang von 15 Milliarden Euro in die Vermögensmasse zu übertragen. Dafür könnten unter anderem Aktien von Bundesbeteiligungen herhalten.

Offiziell hat die Bundesregierung dieses Vorhaben noch nicht bestätigt. Lindner hatte geäußert, die zehn Milliarden Euro, die noch im Laufe dieses Jahres fließen sollen, könnten nur der erste Schritt eines Einstiegs in die kapitalgedeckte Rente sein.

Aktienrente als Konsequenz aus der demografischen Entwicklung

Die sogenannte Aktienrente soll den Folgen der demografischen Entwicklung für das Umlageverfahren in der Rentenversicherung Rechnung tragen. Der Umstand, dass immer weniger aktive Beitragszahler einer immer größeren Anzahl an Rentenempfängern gegenüberstehen, hätte Konsequenzen.

Diese könnten entweder in einer Kürzung des Rentenanspruchs über ein höheres Renteneintrittsalter oder geringere Zahlungen bestehen. Oder die Versicherungsbeiträge würden weiter angehoben. Angesichts der ohnehin schon hohen Belastungen von Arbeitnehmern und Unternehmen will die Ampel dies verhindern.

Bis 2026 will die Ampel den Beitragssatz auf dem Niveau von 18,6 Prozent stabilisieren, im Jahr 2027 soll er auf 19,3 Prozent steigen. Bereits heute fließen Zuschüsse in Höhe von jährlich etwa 100 Milliarden Euro in die gesetzliche Rentenkasse – Tendenz: steigend.

„Generationenkapital“ soll Anstieg der Beitragssätze dämpfen

Aus dem Bundesfinanzministerium hieß es gegenüber dem „Handelsblatt“, steigende Lohnnebenkosten seien ein „Standortrisiko“. In der derzeitigen wirtschaftlichen Lage könne man sich dieses nicht leisten, hieß es weiter.

Das „Generationenkapital“ solle es ermöglichen, den Anstieg des Rentenbeitragssatzes mittel- bis langfristig zu dämpfen. Gleiches gelte für die Leistungen des Bundes an die gesetzliche Rentenversicherung.

Eine öffentlich-rechtliche Stiftung soll das Geld verwalten und vor allem gewinnbringend anlegen – unter anderem in Aktien. Die Renditen sollen der gesetzlichen Rentenversicherung zufließen. Mögliche Verluste solle demgegenüber der Bund ausgleichen.

Lindner deutet Ausrichtung der Anlagestrategie nach ESG-Kriterien an

Die Entscheidungsgewalt über die Anlage möchte Lindner dem sogenannten Kenfo übertragen – dem „Fonds zur Finanzierung der kerntechnischen Entsorgung“. Diese Stiftung verwaltet den Fonds zur Finanzierung der Zwischen- und Endlagerung von Atommüll.

Darüber und über konkrete Anlagestrategien des Fonds sind sich die Koalitionsspitzen noch nicht einig. Andeutungen Lindners nach zu schließen, müssten jedoch unter anderem „ökologische und soziale Kriterien berücksichtigt werden“. Das klingt stark nach dem Konzept, das unter dem Namen „ESG“ bekannt ist – und in vielen US-Bundesstaaten auf vehemente Widerstände stößt.

Umstritten ist in der Koalition auch, ob künftig ein Teil der regulären Rentenbeiträge in den Fonds gesteckt werden könnten. Lindner kann sich nach eigenen Worten vorstellen, dass sich die Beitragszahler an dem Fonds „individuell beteiligen“.

Verdi sieht kaum Ertragschancen für „Generationenkapital“

Diese Debatte unterstreicht jedoch, warum die Aktienrente, wie sie der Ampel vorschwebt, stark umstritten bleibt. Es handelt sich nämlich mitnichten um eine Konstruktion, die Beitragszahlern die Chance auf höhere Renditen bei der gesetzlichen Rente bieten soll.

Vielmehr dient sie lediglich der Stabilisierung der Rentenkasse, um die Beitragshöhe im Rahmen zu halten. Dazu kommt der Umstand, dass die Einzahlungen durch Kredite finanziert sein sollen. Eine solche Praxis verstößt – ginge es um private Vorsorge – gegen alle gängigen Standards in der Geldanlage. Der baden-württembergische Landesbezirksleiter der Gewerkschaft Verdi, Martin Gross, sieht deshalb kaum Ertragschancen für den Fonds:

Angesichts steigender Soll-Zinsen und hoher Inflationsraten ist real ein Verlustgeschäft vorprogrammiert.“

Von der Linkspartei, aber auch aus Grünen und SPD kommt stattdessen die Forderung, dass alle Erwerbstätigen in die gesetzliche Rente einzahlen sollen. Dies würde auch Selbstständige und Beamte betreffen. Ein solches Modell gibt es beispielsweise in Österreich, wo die gesetzlichen Altersbezüge deutlich höher sind als in Deutschland.

Zahlen zu Überalterung in Deutschland – und Gesamteuropa

Kamen auf einen Altersrentner im Jahr 1962 noch sechs Beitragszahler, waren es 1992 nur noch 2,7 und 2019 nur noch 2,1 – Tendenz: weiter fallend.

Derzeit liegt das Medianalter der deutschen Wohnbevölkerung bei 47,8. Das bedeutet, die Hälfte der Einwohner ist jetzt schon älter. Während derzeit noch 37 Prozent der deutschen Wohnbevölkerung älter als 65 Jahre ist, wird deren Anteil in den kommenden Jahrzehnten auf fast 70 Prozent steigen. In Ostdeutschland sind es jetzt schon 48 Prozent.

Zum Vergleich: Im Jahr 1870 waren weniger als zehn Prozent der Wohnbevölkerung in den Gebieten des späteren Deutschen Reiches älter als 65. Mit dem Problem immer schnellerer Überalterung steht Deutschland nicht allein – diese zeigt sich in ganz Europa.

Einer Prognose der UNO zufolge werden Ende des Jahrhunderts 16 Prozent weniger Menschen in Deutschland leben als im Jahr 2000. Dabei sei die Zuwanderung bereits einberechnet. In Ungarn erwartet sie ein Minus von 30 Prozent, in Italien von 35 und in Polen gar von 40 Prozent. Eine deutlich günstigere Altersverteilung zeichnet sich jedoch auch dann noch nicht ab.

(Mit Material von AFP)



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