Alice Weidel im Visier von Plagiatsvorwürfen – Beobachter rechnen mit Aiwanger-Effekt

Bezüglich der Einschätzungen zur Stichhaltigkeit von Plagiatsvorwürfen gegen AfD-Chefin Alice Weidel gehen die Meinungen auseinander. Ein politischer Schaden ist jedoch unwahrscheinlich – auch wegen der geringen Wertschätzung von AfD-Wählern für die akademische Welt.
Die Universität Bayreuth prüft einen Plagiatsverdacht gegen AfD-Chefin Alice Weidel.
Die Universität Bayreuth prüft einen Plagiatsverdacht gegen AfD-Chefin Alice Weidel.Foto: Melissa Erichsen/dpa
Von 17. Dezember 2023

Wie die „Süddeutsche Zeitung“ am Freitag, 15. Dezember, berichtet hat, überprüft die Universität Bayreuth derzeit die Doktorarbeit von AfD-Chefin Alice Weidel. Die Arbeit über das Rentensystem im KP-regierten China hatte 2011 eine Bewertung „summa cum laude“ erhalten. Nun sind jedoch Plagiatsvorwürfe gegen die Politikerin aufgetaucht.

„Keine großflächigen Plagiate, aber viele kleine Plagiatsfragmente“

Sogenannte Plagiatesucher haben der Hochschule ein Gutachten vorgelegt. Diesem zufolge soll Weidel „fremde Quellen übernommen und dies nicht oder nicht ausreichend gekennzeichnet“ haben. Man sehe, so die anonymen Autoren des Gutachtens, „zwar keine großflächigen Plagiate, aber viele kleine Plagiatsfragmente“.

Die Rede ist von „32 Plagiatsfragmenten“ und „18 falsch gekennzeichneten Zitaten“. Es handele sich um „einzelne Textpassagen, um ein paar zusammenhängende Sätze oder Satzfragmente“. Diese soll Weidel wörtlich oder sinngemäß übernommen haben, ohne dies ausreichend deutlich zu machen.

Weidel selbst spricht von einer „politisch motivierten Kampagne“, deren eigentlicher Grund die hohen Umfragewerte der AfD seien. Einer „unabhängigen Stellungnahme eines Wissenschaftlers“ zufolge, den sie dazu beauftragt habe, seien die Vorwürfe „abwegig“ und „haltlos“.

„Plagiatsopfer“ Homburg nimmt Weidel in Schutz

Auf „WELT TV“ erklärte der Plagiatsexperte Prof. Gerhard Dannemann nach Durchsicht des Gutachtens, an den Vorwürfen könne „was dran“ sein. Einige Stellen würden „wirklich nicht den Regeln entsprechen“. Er habe jedoch „das Gefühl, das ist noch nicht ausrecherchiert“. Vor allem sei nicht geklärt, ob ein systematisches Vorgehen vorliege.

Ein mögliches Plagiatsopfer, Finanzwissenschaftler Stefan Homburg, nahm Weidel hingegen in Schutz. Von ihm solle sie den Begriff „Kapitaldeckungsverfahren“ übernommen haben, ohne ihn zu zitieren.

„Ich habe den Ausdruck gut 20 Jahre früher aber nicht erfunden, sondern meinerseits als selbstverständlich verwendet. Warum ausgerechnet ich die ‚Quelle‘ sein soll, ist unerfindlich.“

Homburg spricht von einer „Schmutzkampagne“ und argwöhnt, dass „das Elaborat aus Töpfen der ‚Demokratieförderung‘ bezahlt“ worden sei.

Homburg äußert in einem weiteren Beitrag auf X die Vermutung, dass die Enthüllungen der „Süddeutschen“ über Weidel einen ähnlichen Effekt haben könnten wie jene gegen Bayerns Wirtschaftsminister Hubert Aiwanger. Berichte darüber, dass dieser im Jugendalter Flugblätter extremistischen Inhalts in seiner Schultasche führte, bewirkten einen Reaktanz-Effekt. Die „Freien Wähler“ erzielten bei den bayerischen Landtagswahlen ihr bislang bestes Ergebnis.

Weidel hätte aus Sicht ihrer Wähler maximal eine lässliche Sünde begangen

Ob eine Bestätigung der Plagiatsvorwürfe oder selbst eine Aberkennung des Doktortitels Weidel oder der AfD schaden würde, ist ebenfalls fraglich. Weidel hätte gegen die Regeln einer Institution verstoßen, der Wähler ihrer Partei wenig Wertschätzung entgegenbringen.

Untersuchungen zufolge bringen Wähler keiner anderen Partei der akademischen Welt so viel Misstrauen bis zu offener Verachtung entgegen. Einer Studie der Hans-Böckler-Stiftung zufolge hält ein erheblicher Teil der AfD-Wählerschaft die Wissenschaft für nicht objektiv. Unter anderem sind zwei Drittel der Befragten davon überzeugt, dass Forscher die Gefahren des Klimawandels bewusst übertreiben.

Auch die Corona-Pandemie und Debatten wie jene über „geschlechtergerechtes Schreiben“ haben das Misstrauen von AfD-Anhängern gegenüber formal höherer Bildung verstärkt.

Wie sich Plagiatsvorwürfe in anderen Parteien auswirkten

Nicht in allen Fällen haben Plagiatsvorwürfe gegen Politiker deren Karriere geschadet. In der Union, in deren Milieu die bürgerliche Reputation erfahrungsgemäß eine erhebliche Rolle spielt, gab es die meisten Rücktritte. Die bekanntesten Fälle waren Ex-Bundesverteidigungsminister Karl-Theodor zu Guttenberg und die frühere Bundesbildungsministerin Annette Schavan.

In Berlin hingegen bestätigte die CDU-Fraktion Florian Graf 2012 trotz einer freiwilligen Rückgabe seines Doktortitels nach Plagiatsvorwürfen als Fraktionschef. Heute leitet er die Berliner Staatskanzlei. Auch CSU-Generalsekretär Martin Huber konnte sich bislang ungeachtet ähnlicher Anschuldigungen im Amt behaupten.

Unterschiedlich wirkten sich Anschuldigungen dieser Art auch gegenüber Politikern der FDP aus. Die EU-Parlamentarierin Silvana Koch-Mehrin verzichtete 2014 auf eine Wiederkandidatur. Ihr Kollege Jorgo Chatzimarkakis trat zu einem späteren Zeitpunkt selbst aus der Partei aus. Hingegen ist Bijan Djir-Sarai trotz eines aberkannten Doktortitels im Jahr 2012 heute Generalsekretär der Liberalen.

Keine Konsequenzen hatten Vorwürfe selbst berufener Plagiatsjäger auch in den Fällen des heutigen Bundespräsidenten Frank-Walter Steinmeier und der EU-Kommissionsvorsitzenden Ursula von der Leyen.



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