Arbeitgeberverband: „So viel Zukunftspessimismus gab es noch nie“

Die Prognosen für die wirtschaftliche Entwicklung in Deutschland sind besorgniserregend. Die deutsche Wirtschaft zeigt sich sehr besorgt. Der Bund Katholischer Unternehmer (BKU) in Kooperation mit der Konrad-Adenauer-Stiftung lud Gäste aus Wirtschaft und Politik ein, um die wirtschaftliche und soziale Lage zu analysieren, Chancen und Risiken einzuordnen und gezielte Maßnahmen anzuregen.
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Wirtschaftspolitisches Kolloquium im Haus der Konrad-Adenauer-Stiftung am 29. Januar 2024.Foto: Erik Rusch/Epoch Times
Von 4. Februar 2024

Während die CDU-Politikerin Gitta Connemann beim wirtschaftspolitischen Kolloquium am 29. Januar im Berliner Konrad-Adenauer-Haus für mehr Mut in die Zukunft Deutschlands appellierte, verdeutlichte der Hauptgeschäftsführer des Verbandes NiedersachsenMetall, Dr. Volker Schmidt, wie schwer es aktuell Unternehmern fällt, Vertrauen in die Politik zu haben.

Kurz zuvor hatten die Präsidenten der Industrie- und Handelskammern in Ostdeutschland am 24. Januar in einem offenen Brief an Bundeskanzler Olaf Scholz (SPD) ihren Unmut gegenüber der Ampelpolitik geäußert. Am 30. Januar wandten sich auch die vier großen Spitzenverbände der Wirtschaft in einem Schreien an den Bundeskanzler. Die Verbandspräsidenten Siegfried Russwurm (BDI), Rainer Dulger (BDA), Peter Adrian (DIHK) und Jörg Dittrich (ZDH) brachten ihre „große Sorge“ über die „politische, gesellschaftliche und wirtschaftliche Entwicklung, in der sich unser Land befindet“, zum Ausdruck.

Dr. Volker Schmidt zeigte anhand von Umfrageergebnissen auf, dass in deutschen Unternehmen eine durch Regierungsmaßnahmen „angeknackste Psyche“ herrscht.

Hauptgeschäftsführer des Verbandes NiedersachsenMetall, Dr. Volker Schmidt, erklärt, wie schwer es aktuell Unternehmern fällt, der Politik zu vertrauen. Foto: Norman Gebauer / BKU

So bejahten laut einer Allensbach-Umfrage im Jahr 2022 noch 77 Prozent der befragten Führungskräfte – vergleichbar mit den Jahren zuvor –, die Frage, ob Deutschland ein „guter Wirtschaftsstandort“ sei. Ein Jahr später, im Oktober 2023, waren es nur noch 41 Prozent. Im gleichen Zeitraum stieg die Zahl derjenigen, die diese Frage verneinten, von 15 Prozent (2022) auf 50 Prozent (2023).

„Das ist eine Destabilisierung von Erwartung durch Regierungsmaßnahmen in einem nie gekannten Ausmaß“, kommentiert Schmidt das Umfrageergebnis. Als Beispiele nennt er hierbei das Lieferkettengesetz, das Hinweisgeberschutzgesetz oder das Lobbyregistergesetz und die hohen Energiekosten.

Während im Jahr 2022 laut einer Allensbach-Umfrage noch 48 Prozent der Unternehmer überzeugt waren, dass Deutschland in zehn Jahren noch zu den führenden Wirtschaftsnationen gehören wird, waren es 2023 nur noch 31 Prozent. Die Zahl derjenigen, die diese Frage verneint, stieg von 30 Prozent (2022) auf 50 Prozent (2023).

„So viel Zukunftspessimismus gab es noch nie“

Eine weitere Allensbach-Umfrage verstärkt die Aussage des Verbandschefs noch. Es zeigt, dass nur 20 Prozent (2023) statt 68 Prozent (2017) der Führungskräfte meinen, dass Deutschland an Bedeutung gewinnen wird. „So viel Zukunftspessimismus gab es noch nie“, erklärt Schmidt.

„Wir deinvestieren und bauen Kapitalstock ab, das ist fatal für eine Volkswirtschaft“, führt er anschließend weiter aus, während etliche der Gäste sich von den Umfragen mit ihrem Handy Fotos machen. Mit Kapitalstock sind Fabriken, Maschinen und anderes Produktivvermögen – wie z. B. Computer oder Firmenfahrzeuge – gemeint, die für die Produktion von Gütern oder die Erbringung von Dienstleistungen eingesetzt werden.

Daher sinke die Produktivität und die Wettbewerbsfähigkeit gehe zurück, so Schmidt.

Globale Wirtschaft wächst – Deutschlands Wirtschaft schrumpft

Dass die aktuelle Situation nicht mit einer allgemeinen globalen Entwicklung erklärbar ist, zeigt Schmidt anschließend auf. So stieg die globale Industrieproduktion letztes Jahr um sieben Prozent, der Welthandel um sechs Prozent und selbst die Industrieproduktion in der EU stieg um drei Prozent. Die deutsche Metall- und Elektroindustrie samt Automobilindustrie hingegen sank im gleichen Zeitraum um sechs Prozent.

Deutschland entwickelt sich abgekoppelt vom Welthandel“, fasst Schmidt zusammen.

Als Gründe für fehlende Investitionen auf Unternehmerseite nennt Schmidt eine überbordende Bürokratie, fehlende Fachkräfte, eine verminderte Standortqualität aufgrund gestiegener Reallöhne und steuerlicher Abgaben und Angst vor zukünftigen hohen Kosten aufgrund aktueller Regierungsentscheidungen. Daraus entstehe ein Teufelskreis.

Ganze SPD-Ortsvereine würden daher aus Unzufriedenheit mit der aktuellen Regierungspolitik zunächst zur CDU und dann zur AfD oder direkt gleich zur AfD wechseln. Dies habe er aus Gewerkschafts- und SPD-Kreisen erfahren.

Er erklärt weiter, dass aus Angst und Sorge vor Kostensteigerungen auch die privaten Konsumenten im Kaufverhalten verhalten sind. Das beschleunige den jetzigen wirtschaftlichen Abwärtstrend noch. Dabei mache der private Verbrauch allein schon 60 Prozent des deutschen Bruttosozialprodukts aus. „Die Menschen sparen, weil sie befürchten, durch das Heizungsgesetz finanziell überfordert zu sein“, so Schmidt.

CDU-Politikerin sieht kein Erkenntnisproblem

Für die CDU-Bundestagsabgeordnete Connemann, die auch Bundesvorsitzende der Mittelstands- und Wirtschaftsunion der CDU/CSU (MIT) ist, hat man bei der CDU kein Erkenntnisproblem, sondern ein Lösungsproblem. Das Ziel müsse sein, Vertrauen in Deutschland und in die CDU zurückzugewinnen.

In dem Zusammenhang warb sie um Wählerstimmen und führte „zehn Ampel-Ideologieprojekte“ an, die die Union bei Eintritt in die Bundesregierung abschaffen würde. Dabei handelt es sich um ein Ergebnis der CSU-Klausurtagung im oberbayerischen Kloster Seeon von Anfang Januar.

„Die Ampelregierung ist eine Kombination an Dilettanz, Ignoranz, Inkompetenz und Ideologie, die es in diesem Land noch nie gegeben hat“, kritisiert sie.

Für die CDU-Bundestagsabgeordnete Gitta Connemann, die auch Bundesvorsitzende der Mittelstands- und Wirtschaftsunion der CDU/CSU (MIT) ist, gilt es nun Vertrauen in Deutschland und in die CDU zurückzugewinnen. Foto: Norman Gebauer / BKU

Das Vertrauen in die Politik liege vollkommen am Boden – auch in die Union, die ja 16 Jahre Regierungsverantwortung innehatte, gesteht sie gleichzeitig ein. „Wir konnten die Menschen nicht mehr überzeugen, weil viele nicht mehr wussten, wofür wir standen. Es fehlte am Markenkern. Es fehlte an der Klarheit und es fehlte an dem Mut, zu diesen Inhalten zu stehen.“ Daran arbeite man jetzt.

Diskussion um „Merkelzeit“

Dem CDU-Mitglied Dr. Andreas Ritzenhoff, mittelständischer Unternehmer aus Hessen und MIT-Kreisvorsitzender von Marburg-Biedenkopf, geht diese Selbstkritik nicht weit genug.

Aus seiner Sicht gibt es ein Erkenntnisproblem bei der CDU. Er empfiehlt, die „Merkel zeit“ genau zu analysieren und die Fehler dieser Zeit zu benennen. „Da gibt es eine brutal lange Liste“, so der ausgebildete Arzt, der sich im Jahr 2021 um den CDU-Vorsitz beworben hatte. Der demografische Wandel sei seit den 90er-Jahren bekannt, aber man hätte nichts getan. Die Energiewende sei eingeleitet worden, ohne eine Alternative zu haben. China sei 2001 in die Welthandelsorganisation eingetreten, habe alle Verträge unterschrieben, aber freie Marktwirtschaft und fairen Welthandel gebe es seitens Pekings nicht.

Man habe hier in Deutschland keine stabilen Verhältnisse als Unternehmer, fasst er schließlich zusammen.

„Ich kann mich in Deutschland nicht mehr darauf verlassen, dass wenn ich gut bin, dass ich dann auch erfolgreich bin.“ Denn plötzlich könnte ein chinesisches Unternehmen auftauchen, das, stark subventioniert durch Peking, ihm im heimischen Markt Konkurrenz mache.

Man habe in Deutschland eine „ziemlich beschädigte Marktwirtschaft“. Dies müsse man wieder in Ordnung bringen. Die Ampel sei die mieseste Regierung, die man jemals hatte. „Aber ein gut organisiertes Land innerhalb von zwei Jahren so in die Grütze zu fahren, wie jetzt aktuell, gelingt nicht.“ Bereits in den letzten 15 Jahre sei sehr viel falsch gemacht worden.

Unter dem Titel „Herausforderungen der Transformation im Jahr 2024 für Mittelstand und Familienunternehmen“ fand am 29. Januar ein wirtschaftspolitisches Kolloquium im Haus der Konrad-Adenauer-Stiftung statt. Foto: Norman Gebauer / BKU

MIT-Bundesvorsitzende wünscht sich eine „wehrhafte Partei“

Connemann kontert, dass diese Fehler niemals nur einer einzigen Person zuzuschreiben seien. Sie wäre nicht immer mit Angela Merkel einer Meinung gewesen, habe gegen die Einführung des gesetzlichen Mindestlohns und gegen die Abschaltung der AKWs gestimmt.

In dieser Zeit sei jedoch die Bevölkerung und auch die Wirtschaft, „so klein, mit Hut gewesen und habe nichts gesagt“. Sie habe keine einzige kritische Zuschrift aus der Bürgerschaft zu diesem Thema erhalten. „Wenn die anderen nicht den Mut haben, aus dem Status der Lemminge sich zu befreien, dann werden wir ein Problem bekommen.“ Sie wünsche sich eine wehrhafte Demokratie, eine wehrhafte Fraktion, eine wehrhafte Partei, mit Menschen, „die bereit sind, auch mal anzuecken“.

Verbandschef Schmidt sieht das Problem aktuell woanders liegen. Es würden „irre viele Ziele gesetzt“. In der Politik müsse aber auch der Weg dorthin beschrieben werden. Er wünscht sich in der Politik mehr Ehrlichkeit, mehr Aufrichtigkeit auch gegenüber sich selbst. Eine Gesellschaft gerade in diesen turbulenten Zeiten benötige Planungssicherheit und Berechenbarkeit – das sei weggebrochen.

Das Erreichen der jetzigen Ziele sowohl beim E-Auto Verkauf, beim Ausbau der Windkraft und den Solaranlagen als auch der Wärmepumpen sei unrealistisch, führt Schmidt anhand aktueller Zahlen und Aussagen von Branchenkennern aus. Fachkräftemangel, rückläufiges Interesse und hohe Kosten machten die Umsetzung unmöglich. Bei der E-Mobilität würde jetzt zunehmend infrage gestellt, ob E-Autos wirklich umweltverträglicher als Verbrenner seien.

In den Augen von Schmidt sei, die jetzige Wirtschaftskrise politisch verursacht worden, insbesondere durch das Bundeswirtschaftsministerium.

Zu viele Politiker statt Staatsmänner?

In den Augen vom Unternehmer Ritzenhoff wird in der Politik zu viel verwaltet statt geführt. Dem fügt er ein Zitat bei: „Der Politiker schaut auf die nächste Wahl, der Staatsmann auf die nächste Generation.“ Er habe das Gefühl, dass man in Deutschland von reinen Politikern umgeben sei. „Die sichern ihren Job, aber nicht die Zukunft der nächsten Generation.“

In den Augen von Rechtsanwalt Peter Klotzki, Hauptgeschäftsführer des Bundesverbandes der Freien Berufe, ist in Deutschland der Staat da stark, wo er schwach sein soll und schwach, wo er eigentlich stark sein sollte. „Das nimmt nicht nur Produktivitätskraft weg, sondern zerstört am Ende die Motivation, überhaupt zu arbeiten.“

Von links: Rechtsanwalt Peter Klotzki, Hauptgeschäftsführer des Bundesverbandes der Freien Berufe, Gitta Connemann, CDU-MdB und Bundesvorsitzende der Mittelstands- und Wirtschaftsunion der CDU/CSU (MIT), Dr. Rüdiger von Stengel, Gesellschafter bei Art-Invest Real Estate. Foto: Norman Gebauer / BKU

Als Beispiel nennt er die wachsende Dokumentationspflicht, die dazu führe, dass mittlerweile 27 Prozent der Arbeitszeit in den freien Berufen reine Dokumentationsarbeit sei. Dass bei der Regierung das Verständnis für diese falsche Entwicklung fehle, wäre für viele in der privaten Wirtschaft „völlig demotivierend und zerstörerisch“.

Familienunternehmen wichtig für die Gesellschaft

Albrecht von der Hagen, Hauptgeschäftsführer des Verbandes Die Familienunternehmer, berichtet das immer weniger junge Menschen Unternehmer werden oder ein Unternehmen übernehmen wollen, „da es ziemlich mühsam geworden ist, in Deutschland ein Unternehmen zu führen“.

Wie wichtig der Mittelstand und Familienunternehmen für die Gesellschaft seien, verdeutlicht er anhand von Zahlen. Rund 3 Millionen Unternehmen gebe es in Deutschland in allen Größenklassen, vom Selbstständigen bis zum Großkonzern, so der Verbandschef.

80 Prozent aller ausbildenden Betriebe sind Familienunternehmen und 60 Prozent der sozialversicherungspflichtigen Arbeitsplätze würden Familienunternehmen stellen. „Familienunternehmen finanzieren die soziale Sicherheit im Lande“, so von der Hagen.

Schmidt warnt, dass wenn Familienunternehmen in ländlichen Regionen wegbrechen, oftmals eine ganze Region davon negativ betroffen sei. Denn oftmals wären sie die einzigen größeren Arbeitgeber dort.

Was ihn optimistisch stimme, ist, dass man wie in der E-Mobilität nicht auf Dauer gegen den Markt arbeiten könne. Dieser werde sich letztlich durchsetzen, ist er sich sicher. Politik beginnt in seinen Augen mit der Beobachtung der Realität.



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