Wegen Beihilfe zum Mord in 300.000 Fällen: Auschwitz-Urteil gegen Oskar Gröning ist rechtskräftig

Der Bundesgerichtshof (BGH) verwarf die Revision der Verteidigung ebenso wie die einiger Nebenklagevertreter. Auch Gröning sei Teil einer aus "willigen und gehorsamen Untergebenen" bestehenden "industriellen Tötungsmaschine" gewesen, erklärte der BGH am Montag in Karlsruhe.
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Der Angeklagte Oskar Gröning (M) mit seinen Anwälten im Gerichtssaal in Lüneburg.Foto: Ronny Hartmann/dpa
Epoch Times28. November 2016

Das wegweisende Urteil gegen den ehemaligen Auschwitz-Buchhalter Oskar Gröning wegen Beihilfe zum Mord in 300.000 Fällen ist rechtskräftig. Der Bundesgerichtshof (BGH) verwarf die Revision der Verteidigung ebenso wie die einiger Nebenklagevertreter. Auch Gröning sei Teil einer aus „willigen und gehorsamen Untergebenen“ bestehenden „industriellen Tötungsmaschine“ gewesen, erklärte der BGH am Montag in Karlsruhe.

Der BGH bestätigte damit erstmals höchstrichterlich eine relativ neue Rechtsprechungspraxis, die sich in Strafverfahren wegen des Holocausts in den deutschen Vernichtungslagern zuletzt durchgesetzt hatte. Die Richter gingen dabei anders als früher dazu über, Mitglieder des SS-Lagerpersonals auch dann wegen Beihilfe zum Massenmord zu verurteilen, wenn sie nicht unmittelbar an den Tötungen mitwirkten.

Das Internationale Auschwitz Komitee in Berlin lobte die von Juristen mit Spannung erwartete Entscheidung. „Der Bundesgerichtshof bestätigt endlich die Realität der Todeslager“, erklärte dessen Vizepräsident Christoph Heubner. Für die Überlebenden von Auschwitz sei daher „dies ein wichtiger Tag in ihrem Verhältnis zu Deutschland“.

Das Lüneburger Landgericht hatte Gröning im Juli vorigen Jahres zu vier Jahren Haft verurteilt, weil er während der „Ungarn-Aktion“ im Frühjahr 1944 zum Lagerpersonal in Auschwitz gehört hatte. Zu seinen Aufgaben gehörte es, das den Opfern abgenommene Geld weiterzuleiten und bei Ankunft von Deportationszügen deren Gepäck zu bewachen. Während der Aktion hatte die SS in wenigen Wochen Hunderttausende Juden aus Ungarn ermordet.

Gröning habe etwa durch seinen Gepäck-Dienst auf der berüchtigten Rampe, wo die Opfer gleich nach Ankunft für die Gaskammern selektiert wurden, als „Teil der Drohkulisse“ gewirkt, betonte nun der BGH. Als Mitglied des „personellen Apparats“ von Auschwitz habe er darüber hinaus schon generell die Voraussetzungen für den Holocaust mitgeschaffen.

Gröning befindet sich auf freiem Fuß, weil die Revision bisher noch lief. Nun muss die Staatsanwaltschaft als Strafvollstreckungsbehörde entscheiden, ob er haftfähig ist. Allgemein gilt dies wegen seines Alters und Gesundheitszustands als unwahrscheinlich.

Der Beschluss des BGH erhöht zumindest generell die Chancen auf weitere Anklagen und Urteile wegen NS-Verbrechen, weil sie die als höchstrichterliche Leitentscheidung in die Überlegungen von Staatsanwälten und Richtern einfließt. Ob es rund 71 Jahre nach Ende des Zweiten Weltkriegs noch viele Verfahren geben wird, ist allerdings unklar.

Bundesjustizminister Heiko Maas (SPD) bekannte sich am Montag in Berlin zur Fortsetzung entsprechender Bemühungen. „Für Gerechtigkeit ist es nie zu spät. Auch bei der juristischen Aufarbeitung von Auschwitz darf es keinen Schlussstrich geben.“

Vertreter der Nebenklage begrüßten die BGH-Entscheidung als „wichtige Korrektur der früheren Rechtsprechung“. Auch in der deutschen Justiz habe sich „spät, aber nicht zu spät“ die Auffassung durchgesetzt, dass jeder in den systematischen Massenmord von Auschwitz eingebundener SS-Angehöriger der Beihilfe zum Mord schuldig gemacht habe, erklärten die drei Rechtsanwälte Cornelius Nestler, Thomas Walther und Manuel Mayer. (afp)



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