Bauern am Brandenburger Tor: „Diesen Zusammenhalt habe ich nicht für möglich gehalten“

Seit dem Bauernprotest am 8. Januar am Brandenburger Tor harrt eine Gruppe Bauern und Unterstützer dort weiter aus. Sie wollen die gesamte Aktionswoche bis zum 15. Januar dort bleiben. Epoch Times sprach mit ihnen vor Ort und wollten wissen, warum sie ihren Höfen und Betriebstätten fernbleiben und was geschehen muss, damit sie wieder nach Hause fahren.
Titelbild
Bauern und Transportunternehmer protestieren am 10. Januar 2024 gemeinsam auf der Straße vor dem Brandenburger Tor.Foto: Erik Rusch/Epoch Times
Von 12. Januar 2024

An dieser Stelle wird ein Podcast von Podcaster angezeigt. Bitte akzeptieren Sie mit einem Klick auf den folgenden Button die Marketing-Cookies, um den Podcast anzuhören.

Sie schlafen trotz der winterlichen Temperaturen in ihren Fahrzeugen oder mobilen Baucontainern, ernähren sich von Konserven und halten sich an offenen Feuerstätten oder mit Feuerkesseln warm. Die Rede ist von den Bauern, Handwerkern und Fuhrunternehmern, die seit Tagen nahe dem Brandenburger Tor auf der Straße des 17. Juni trotz Kälte ausharren.

Einer der rund 50 Bauern, die mit ihren Traktoren hier sind, ist Jens Gerloff (60). Er führt einen landwirtschaftlichen Betrieb in der brandenburgischen Prignitz mit 270 Hektar, auf dem er Mutterkuhhaltung und Grünlandbewirtschaftung betreibt.

Der Auslöser nach Berlin zu kommen war für ihn die geplante Abschaffung der Agrardieselvergütung und der Kfz-Steuerbefreiung. Sie hätte das Fass zum Überlaufen gebracht. „Es wird immer von Subventionen gesprochen, doch die teilweise Steuerrückvergütung der Agrardieselkosten hat den Hintergrund, dass die Mineralölsteuer eingeführt wurde, um den Straßenerhalt und Straßenbau zu finanzieren“, erklärt der Brandenburger.

„Da wir aber den größten Teil unseres Dieselverbrauchs nicht auf den Straßen verfahren, sondern auf Äckern und Wiesen ist diese Rückvergütung meiner Meinung nach nur berechtigt und keine Subvention.“ Jedoch geht es eigentlich beim Protest der Bauern um mehr.

Er kritisiert, dass man sie seit Jahren mit bürokratischen Auflagen überschütte, die nur ideologisch begründbar, aber nicht fachlich fundiert seien. „Wir verbringen einen Großteil unserer Zeit inzwischen im Büro, statt den eigentlichen Aufgaben eines Landwirts nachzugehen und vernünftigen Ackerbau und vernünftige Tierhaltung zu betreiben.“

„Deutsche Wirtschaft wird zerstört“

Die Gesellschaft drifte immer mehr ab und die deutsche Wirtschaft werde gezielt zerstört, findet er. Gerloff kannte bis jetzt das Problem mit der Maut für die Lastkraftwagen nicht. Bei den Protesten lernte er Spediteure kennen und erfuhr, wie drastisch sie das trifft. „Viele Spediteure werden wahrscheinlich bald in Zahlungsschwierigkeiten kommen, weil sie durch die kürzliche Mauterhöhung ihre Kredite nicht mehr bedienen können.“ Mit den Bauern sind auch Transportunternehmer und Handwerker am Brandenburger Tor versammelt.

Namik Erdogan (52), ein türkischstämmiger Berliner eines lokalen Transportunternehmens mit 50 Angestellten, ist einer von ihnen. „Wir machen infrastrukturelle Dienstleistungen, sprich Straßenreinigung, Baustofftransporte und anderes.“

Im Sommer letzten Jahres war er einer der Rädelsführer einer Demonstration über den Berliner Ring gegen die geplante Mauterhöhung, die CO₂-Zuschläge, und die hohen Treibstoffkosten. „Damals hatten wir schon die Problematik und haben gesagt, wenn die Bauern jetzt hier wären, würden wir sie unterstützen.“

„Wir wollen eine Veränderung, denn die ständigen Kostenerhöhungen sind unseren Kunden nicht mehr vermittelbar.“ Man müsse wirtschaftlich denken und die eigenen Preise immer wieder anpassen. Durch die höheren Preise sprängen Kunden ab oder verringerten ihr Bestellvolumen. „So kann man natürlich auch den Mittelstand und kleinere Betriebe kaputtmachen.“

Rund 50 Traktoren stehen am 10. Januar 2024 während eines Protests auf der Straße vor dem Brandenburger Tor. Foto: Erik Rusch/Epoch Times

„Umstellung auf E-Fahrzeuge zu teuer“

Man habe eine Umstellung auf E-Fahrzeuge versucht, doch bei den Kehrmaschinen ergebe es beispielsweise keinen Sinn. Sie seien bezüglich Anschaffung und Unterhalt mit Wartung einfach zu teuer. „Eine mit Diesel betriebene Kehrmaschine hat einen Stundensatz von 95 Euro, bei einer Elektro-Kehrmaschine müssen wir aktuell 130 bis 140 Euro verlangen.“ Durch die Mauterhöhung vom 1. Januar 2024 liege man aktuell bei 30 bis 40 Prozent Mehrkosten bei den Dieselfahrzeugen. „Eine genaue Zahl gibt es noch nicht, da die Maut rückwirkend nach gefahrenen Kilometern abgerechnet wird.“

Auch die Kunden seien verunsichert. „Manche Kunden hatten uns dreimal die Woche für eine Reinigung gebucht. Jetzt überlegen sie sich, ob nicht einmal die Woche ausreicht.“

„Beim Protest steht die Bevölkerung hinter uns.“ Das merke man an dem Zuspruch in den sozialen Medien und den Reaktionen der Sternfahrt am Montag, 8. Januar. „Sie haben uns zugewinkt und uns Brötchen gebracht.“

Sie ständen jetzt hier bei dem Protest als Verkehrsbehinderung, um die Menschen zum Nachdenken zu bewegen: „Durch die Medien wurde vieles unter den Tisch gekehrt und nicht angesprochen.“ Viele Passanten würden nachfragen: „Warum seid ihr hier? Wer seid ihr?“ Von der Politik fordere man, dass sie den Bürgern, sie eingeschlossen, mehr zuhört. „Es geht hier nicht, um irgendwelche Umsturzpläne.“ Früher hätte es Politiker gegeben, die auf die Bürger zugegangen seien und sie fragten, wo es hapert und wo man als Politiker etwas machen könne, heute nicht mehr, kritisiert er.

„Diesen Zusammenhalt habe ich nicht für möglich gehalten“

Wenn Bauer Gerloff jetzt sieht, was seine Bauernkollegen zusammen mit den anderen Berufsgruppen in seiner Region machen, ist er tief berührt. Kyritz, seine Heimatstadt, sei seit Tagen abgeriegelt von Bauern und Handwerkern. „Diesen Zusammenhalt habe ich nicht für möglich gehalten.“

Die Berliner unterstützen die Bauern und die anderen Demonstranten mit Essen. Handwerker aus der Umgebung bringen laufend Holz, damit sie sich am Feuer aufwärmen können, berichtet er. Das macht ihn sprachlos und stimmt ihn optimistisch: „Und das in dieser Gesellschaft, wo eigentlich jeder egoistisch ist und an sich denkt.“

Er bleibe auf jeden Fall bis zum 15. Januar hier. „Wir haben uns mittlerweile arrangiert.“ Man habe ein paar kalte Nächte erlebt, aber jetzt werde es wärmer. „Die Stimmung ist gut“, so der Landwirt. Aufgrund des großen Zuspruchs der Berliner könnten sie jetzt auch nicht einfach abhauen und sagen: „Das war’s!“, sondern: „Jetzt haben wir auch ein Stück weit Verantwortung zu tragen.“

Wie es nach dem 15. Januar weitergehen soll, falls die Regierungspläne nicht komplett zurückgenommen würden, sei unter den Bauern umstritten. „Wir haben uns noch nicht einigen können“, so Gerloff. Einige sagten, dass man noch eine Woche hier bleiben müsse. Realistisch sei aber, so Gerloff, dass es auch im Winter zu Hause für sie einiges zu tun gebe. „Wir können das nicht endlos so machen.“ Es könnte sein, dass sie bald wieder auf der Straße seien, wenn sich nicht grundlegend für die Bauern was ändert, kündigt er an.

„Wir müssen alle zusammenhalten“

Unter den Protestteilnehmern sind auch zwei Berlinerinnen, die die Bauern unterstützen. Eine von ihnen ist Sabine Wohlgemuth (61) sie begründet ihre Anwesenheit damit, dass die Bauern das Wichtigste sind und es „jetzt um unser Essen“ geht. „Wir sind ein Volk, wir müssen uns doch auf unsere Bauern und unsere Landwirtschaft verlassen können.“ Sie haben Kekse mitgebracht „und alles, was sie brauchen, damit sie durchhalten können.“

Martina Rautenberg (57) findet, dass alle im Land zusammenhalten müssen. Sie fühlt sich durch die Politik der letzten Jahre unterdrückt. Es würde so viel Geld in andere Länder gepumpt, aber es wird nicht an die eigene Bevölkerung gedacht. „Ich teile gerne, aber in erster Linie sollte man doch erst mal an das eigene Land und das eigene Volk denken und dann an andere Länder.“

Geselliges Beisammensein während des Protests der Bauern und anderer Berufsgruppen am 10. Januar 2024 auf der Straße des 17. Juni vor dem Brandenburger Tor. Foto: Erik Rusch/Epoch Times

„Es ist ein Kampf gegen den Mittelstand“

Mit am Brandenburger Tor bei dem Protest ist auch der selbstständige Handwerker Ricky Renner (54). Er fühlt sich verbunden mit den Bauern, weil er selbst unter Vorgaben und Rahmenbedingungen leidet.

„Es wird immer schwieriger und immer teurer, sein Leben zu bestreiten.“ Es gehe dabei um die Lebenshaltungskosten, aber auch die Zerstörung und Verdrängung der energieintensiven Betriebe aus Deutschland durch die politisch forcierte Energiewende. „Ich brauche Leim, ich brauche Lack; durch politische Entscheidungen werden diese Produkte immer teurer.“ Daher müsse er seine Preise erhöhen. „Doch immer weniger Kunden können meine höheren Preise bezahlen, weil Brutto- und Nettoeinkommen immer weiter auseinandergehen.“ Die Bauern seien für ihn nur ein Synonym und ein Teil der Leidtragenden durch politische Entscheidungen. „Für mich steckt dahinter ein Kampf gegen den Mittelstand.“

An den beheizten Stehtischen beim geselligen Beisammensein zwischen den Traktoren, auf denen man gespendete Lebensmittel liegen sieht, ist auch Ines (67) aus Berlin. Die Ruheständlerin ist heute hierhergekommen, um sich ein eigenes Bild von den Protesten zu machen. Sie habe in der Vergangenheit erfahren, dass das Bild in den öffentlichen Medien mitunter „total gegensätzlich“ zu dem sei, wie es tatsächlich vor Ort ist. Sie findet es hier ruhig und friedlich.

Sie unterstützt das Anliegen der Bauern. „Das ist nicht nur bei den Bauern so, dass sie unter der wachsenden Bürokratie und den Kostensteigerungen leiden, das ist bei den Ärzten schon lange so.“ Sie könnten ihrem hippokratischen Eid nicht mehr nachkommen, weil sie sehr wirtschaftlich orientiert arbeiten müssten, statt sich ganz ihrem Patienten zuwenden zu können.



Epoch TV
Epoch Vital
Kommentare
Liebe Leser,

vielen Dank, dass Sie unseren Kommentar-Bereich nutzen.

Bitte verzichten Sie auf Unterstellungen, Schimpfworte, aggressive Formulierungen und Werbe-Links. Solche Kommentare werden wir nicht veröffentlichen. Dies umfasst ebenso abschweifende Kommentare, die keinen konkreten Bezug zum jeweiligen Artikel haben. Viele Kommentare waren bisher schon anregend und auf die Themen bezogen. Wir bitten Sie um eine Qualität, die den Artikeln entspricht, so haben wir alle etwas davon.

Da wir die Verantwortung für jeden veröffentlichten Kommentar tragen, geben wir Kommentare erst nach einer Prüfung frei. Je nach Aufkommen kann es deswegen zu zeitlichen Verzögerungen kommen.


Ihre Epoch Times - Redaktion