Berlin hatte zwei Jahre lang Betroffene von Funkzellenabfrage verständigt – jetzt ist damit Schluss

Das Land Berlin hat sein 2021 aktiviertes Transparenzsystem des Landes zur Funkzellenabfrage endgültig eingestellt. Angeführt werden „technisch-betriebliche“ Gründe. Kritiker wittern eher einen fehlenden politischen Willen, das Projekt weiterzuführen. Funkzellenabfragen werden eingesetzt, um Straftaten aufzuklären – wobei viele Unbeteiligte ebenfalls erfasst werden.
Ein 5G-Mobilfunkmast auf einem Hochhaus in Düsseldorf.
Ein 5G-Mobilfunkmast auf einem Hochhaus in Düsseldorf.Foto: Roberto Pfeil/dpa
Von 7. April 2024

Das Funkzellenabfragen-Transparenz-System (FTS) des Landes Berlin ist bereits seit Anfang des Jahres Geschichte. Mittlerweile ist auch die dazugehörige Subdomain fts.berlin.de gelöscht worden.

Der Prüfbericht ist in der Zwischenzeit verfügbar. Der Senat hatte den Schritt bereits im Vorfeld angekündigt. Datenschützer kritisierenden den Schritt, weil es gesetzlich eigentlich vorgeschrieben ist, Betroffene einer Funkzellenabfrage von Mobilgeräten zu verständigen.

FTS sollte interessierte Unbeteiligte über Funkzellenabfrage informieren

Funkzellenabfragen werden eingesetzt, um Straftaten aufzuklären, indem Verdächtige identifiziert werden können, die sich zur Tatzeit an einem Tatort aufgehalten haben. Allerdings werden dabei auch die Daten vieler unbeteiligter Personen erfasst, was als Eingriff in das Recht auf informationelle Selbstbestimmung kritisiert wird.

Die Polizei fordert dabei von Mobilfunkanbietern wie der Telekom oder Vodafone die Verbindungsdaten aller Mobilfunkgeräte an, die sich in einem definierten Gebiet und Zeitraum mit einem Funkmast verbunden haben. Also welche Telefonnummern miteinander kommuniziert haben, ob per Anruf oder SMS, sowie Daten zum Internetzugriff über den Funkmast.

Der seit 2015 geltenden Gesetzeslage nach den Paragrafen 100g und 101a Absatz 6 der Strafprozessordnung (StPO) zufolge sind die Betroffenen einer solchen Maßnahme darüber zu verständigen.

Dies gilt auch für jene Personen, deren Daten als „Beifang“ erfasst wurden. Bei einer Funkzellenabfrage werden alle Mobilfunknummern erfasst, die sich zu einem bestimmten Zeitpunkt im Bereich einer Funkzelle befunden hatten.

In der Zeit von September 2021 bis 31. Dezember 2023 hatte Berlin mit dem FTS ein System geschaffen, das diesen Vorgaben gerecht werden sollte.

Um nicht Bürger durch unerbetene Nachrichten über die Erfassung ihrer Nummer durch die Polizei zu verunsichern, war eine Registrierung vonnöten. Im Jahr 2018 war das System dem Grunde nach aufgesetzt, die ersten Benachrichtigungen wurden 2021 verschickt.

Dem Prüfbericht zufolge, den das Portal „netzpolitik.org“ vor wenigen Tagen veröffentlicht hat, seien seit dieser Zeit etwa 3.500 Mobilfunknummern registriert worden. Innerhalb eines Monats habe das System etwa 20.000 Benachrichtigungen via SMS verschickt. Offenbar waren zahlreiche Nummern mehrfach im Umfeld polizeilicher Maßnahmen nach Paragraf 100g StPO erfasst worden.

Von bloßer „Erprobung“ war zuvor noch keine Rede

Im Januar 2024 verkündete das Land Berlin in einer Pressemitteilung das Ende des „Probe-Echtbetriebs“ von FTS. Die Begründung für den Schritt erscheint eher kryptisch. So heißt es in der Mitteilung lapidar:

„Die Nutzung des FTS ist nicht möglich. Insbesondere wird eine Registrierung am FTS für Bürgerinnen und Bürger nicht mehr unterstützt. Eine Weiterverarbeitung der bereits gespeicherten Rufnummern erfolgt nicht.“

Justizsenatorin Felor Badenberg, die im Zusammenhang mit dem System als Erstes von einer „Erprobung“ gesprochen hatte, äußerte, es habe sich gezeigt, dass das Projekt „aus technisch-betrieblichen Gründen nicht weiter fortgeführt“ werden könne. Bereits während des „Probebetriebs“ sei eine Bereitstellung mit der erforderlichen Verfügbarkeit nicht möglich gewesen.

Bei „netzpolitik.org“ ist man von der Erklärung überrascht. Man habe das Projekt von Beginn an verfolgt. Von einem bloßen Probebetrieb sei zuvor zu keiner Zeit die Rede gewesen. Auch in Justizkreisen sei man weithin der Meinung gewesen, der Betrieb solle permanent erfolgen.

FTS war kein überbordender Kostenfaktor

Zudem sei im Evaluationsbericht die Rede davon gewesen, dass sich das System als „hinreichend funktional“ erwiesen habe. Ein „weitergehender funktionaler Anpassungsbedarf“ sei nicht ersichtlich. Allerdings war auch die Rede von einem „ungeregelten fachlichen und technischen Servicemanagement“.

Dies lässt sich als Hinweis auf Personalmangel lesen – aber auch als Ausdruck eines fehlenden politischen Willens, die erforderlichen personellen und finanziellen Mittel zum Weiterbetrieb des FTS sicherzustellen.

Allerdings waren die Kosten für den „Probe-Echtbetrieb“ bis dato nicht in den Himmel gewachsen. Der Bericht spricht von insgesamt 96.400 Euro an Kosten für das FTS. Für das Personal gab man 58.560 Euro aus.

Zudem seien von 2014 – dem Jahr des Beschlusses, dass es ein solches System geben soll – bis heute die Personalkosten insgesamt in Berlin von 457 auf 695 Millionen Euro angewachsen.

Wenn man wollte, könnte man sich das FTS also möglicherweise leisten. Bei „netzpolitik.org“ spricht man daher auch von einer „politischen Entscheidung“ gegen den Weiterbetrieb.

RKI und Lauterbach wollten Funkzellenabfrage in Corona-Zeit nutzen – Telekom: „Unfug“

In der Zeit der Corona-Pandemie hatte es phasenweise Überlegungen vonseiten des Robert Koch-Instituts (RKI) und des Bundesgesundheitsministeriums gegeben, die Funkzellenabfrage zu nutzen. Es war konkret im Gespräch, damit die entsprechenden Daten der Handys von Infizierten zu erheben und jene möglicher Kontaktpersonen.

Die Deutsche Telekom nannte die schon Anfang März 2020 ins Spiel gebrachte Idee „Unfug“. Es müssten dazu, so hieß es von deren Seite, dann alle Mobilfunknummern in der Funkzelle ausfindig gemacht werden. Und nicht einmal dies würde Vollständigkeit garantieren, zumal „Kunden anderer Netzbetreiber sowie Personen ohne mobile Geräte fehlen würden“.

Zudem seien Funkzellenabfragen lediglich in urbanen Gebieten oder an Orten wie Konzerthallen oder Einkaufszentren hinreichend präzise. In ländlichen Gefilden ließen sie bereits zu wünschen übrig. Darüber hinaus sind Abfragen und Auswertungen nur aufgrund richterlicher Anordnung zulässig.



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