Berlins Klimakleber-Bilanz nach zwei Aktionsmonaten

Nach zwei Monaten Blockaden an verkehrsneuralgischen Punkten hat der innenpolitische Sprecher von Bündnis 90/Die Grünen, Vasili Franco, im Berliner Abgeordnetenhaus in einer Anfrage die Bilanz zu den Berliner Polizeieinsätzen, Festnahmen und Blockadeaktivitäten angefordert. Besonders interessierte ihn das Gefährdungspotenzial von Autofahrern für die Klimaaktivisten.
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Aktivisten der Klimagruppe „Letzte Generation“ sorgen mit Straßenblockaden immer wieder für Kontroversen.Foto: Paul Zinken/dpa
Von 23. Juni 2023

„Mit jedem Tag nähern wir uns unumkehrbaren Klimakipppunkten an, das Unterlassen des Tempolimits gefährdet Menschenleben und mittlerweile hat das Bundesverfassungsgericht mahnend die ‚intertemporale Freiheitssicherung‘ zum Grundrecht erhoben. Während die Klimapolitik hinter dem Notwendigen zurückbleibt.“ Was sich anhört, wie von der Pressesprecherin von „Letzte Generation“ in die Feder diktiert, ist schriftliche Eigenleistung des Berliner Abgeordneten Vasili Franco (Grüne) in einem Ende April im „Tagesspiegel“ abgedruckten Gastbeitrag des Politikers.

Der Grüne bemängelt in seinen Ausführungen, dass junge Menschen, die sich aus Sorge um das Klima auf die Straße klebten, zu Kriminellen, Extremisten oder gar Terroristen stilisiert würden. Dadurch, dass die Klimakleber ihre Strafen willig entgegennähmen, sei ihr Bekenntnis zum Rechtsstaat deutlicher als das, was sich in Kommentarspalten und auf einem Großteil der politischen Bühne abspiele.

Bei dem vom „Tagesspiegel“ prominent platzierten Werben um Verständnis für die Straßenkleber inmitten von deren heißen Berlin-Blockadephase im April kündigt Franco an, ganz so, als würde er selbst Hand an Hand mit den Aktivisten auf dem Asphalt kleben: „Die Straßenblockaden werden erst enden, wenn die Klimaschutzblockaden in den Parlamenten enden.“

Hauptstadtbilanz nach zwei Klimakleber-Monaten

Während also die „Letzte Generation“ nach ihren „Protestwochen“ in Berlin jetzt weitergezogen ist auf die Promi-Insel Sylt und dort Farbattacken fürs Klima unter anderem auf einen Privatjet, eine noble Bar und einen Juwelierladen verübte (Epoch Times berichtete), stellt Vasili Franco eine Schriftliche Anfrage an das Abgeordnetenhaus Berlin (Drucksache 19/15 592) zu den Resultaten der vergangenen Protestwochen in Berlin. Es geht um den Zeitraum April und Mai 2023.

Franco fragt hier nach der Anzahl der „Versammlungen“, deren Art (Straßenblockaden zu Beispiel) und Dauer. Auch will er Details zu den in diesem Zeitraum eingeleiteten Strafermittlungsverfahren gegen die Klimaaktivisten wissen. Dazu gehört auch die Anzahl von Strafverfahren gegen Personen, die gegen die Aktionen vorgingen, beispielsweise „durch Wegziehen, Beleidigen und Gewalteinwirkungen gegen Aktivist*innen“.

Dann will der Grüne noch wissen – und hier scheint der Fokus seiner Anfrage zu liegen – wie denn die Klebeaktivisten vor den im Stau steckenden Autofahrern geschützt werden: „Welche Strategie verfolgt der Senat gegen die Anwendung von Gewalt durch Autofahrende gegen Aktivist*innen der Letzten Generation? Wie gelingt eine valide Erfassung des Gefährdungspotenzials?“ Dazu gleich mehr.

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Antworten auf 14 Fragen zu „Protestwochen“

Insgesamt 14 Fragen, darunter auch zu Vorfällen von Feuerwehr- und Krankenwageneinsätzen, sind auf 19 Seiten beantwortet.

Fast die Hälfte des Berichts, neun Seiten, nimmt die Liste der Blockaden zwischen dem 5. April und 26. Mai ein. „240 Blockadeaktivitäten wurden im Kontext der Klimabewegung“ erfasst und mit Datum und Dauer aufgeführt.

Laut den Angaben in der Regierungsantwort dauerte die längste Blockadeaktion siebeneinhalb Stunden (18. Mai 2023 – 9:37 Uhr bis 17 Uhr, Ausfahrt Stadtautobahn A100). An diesem Tag war auch fast sieben Stunden lang die A100-Ausfahrt Konstanzer Straße blockiert (10:14 Uhr bis 17:05 Uhr) und dann noch für fünfeinhalb Stunden die Autobahnausfahrt Hohenzollerndamm.

Die meisten Blockadeaktionen dauerten zwischen 45 Minuten und zwei Stunden. Die zweitgrößte Gruppe sind die Blockaden bis 45 Minuten. Die kleinste Gruppe beinhaltet die Aktionen, die länger als zwei Stunden andauerten. Mindestens sieben dauerten demnach drei, mindestens fünf mehr als drei Stunden.

Den Angaben der Liste folgend wurden offenbar nur wenige Blockaden verhindert oder konnten umgehend aufgelöst werden. Die kürzeste Blockade dauerte nur eine Minute – am 23. April von 15:04 Uhr bis 15:05 Uhr am Tempelhofer Feld. Am Morgen des 24. April brauchte es nur sechs Minuten, bis die Puschkinallee wieder frei war. Am selben Tag gelang es an der Charlottenburger Hardenbergstraße um 10:04 Uhr eine Blockade der „Letzten Generation“ zu verhindern.

1.123 Anzeigen gegen Klimakleber, 39 gegen Autofahrer

In dem Zeitraum erfasste die Polizei 1.123 Strafanzeigen gegen die „Letzte Generation“. Mehr als die Hälfte davon, 642, wegen Nötigung im Straßenverkehr und 275 wegen „sonstige[r] Nötigung“. Hinzu kamen drei Anzeigen wegen Bildung krimineller Vereinigungen. Je eine hatten unterlassene Hilfeleistung beziehungsweise Behinderung von hilfeleistenden Personen, tätlichem Angriff auf Vollstreckungsbeamte und Nötigung von Verfassungsorganen zum Inhalt.

Gegen Personen, die gegen die Klimaretteraktionen vorgingen, beispielsweise „durch Wegziehen, Beleidigen und Gewalteinwirkungen“ wurden 39 Ermittlungsverfahren wegen „Verdachts auf Straftaten zum Nachteil der Aktivistinnen und Aktivisten“ eingeleitet.

Bei zwölf dieser Verfahren sind die Namen bekannt, 27 laufen gegen unbekannt. Exakt ein Drittel betrifft Körperverletzung (vorsätzliche, einfache), acht betreffen gefährliche Körperverletzung. Aber auch Beleidigung (7) und Diebstahl (2) sind aufgeführt.

Die Antwort auf die Frage nach einer Strategie des Senats zum Schutz der Klebeaktivisten vor zornigen Autofahrern fiel kurz und knapp aus. Schutz für „Aktivisten und Aktivistinnen vor Gewaltanwendung durch Autofahrende“ gehöre zu den Aufgaben der Berliner Polizei. Eine valide Erfassung des Gefährdungspotenzials sei aber nicht möglich.

60 Aktivisten dem Richter vorgeführt, elf davon kurz in Gewahrsam

60 zu den Klimaaktivisten zählende Personen verhaftete die Polizei innerhalb der beiden Monate. 49 Personen kamen – ohne dass eine richterliche Anordnung erging – wieder frei. Elf blieben zwischen drei und 32 Stunden in Gewahrsam.

Mit Stand vom 17. Mai wurden 4.045 Ermittlungsverfahren eingeleitet, fast die Hälfte davon ist polizeilich endbearbeitet und der Staatsanwaltschaft übersandt. Es laufen 1.829 Verfahren, bislang gib es 699 Strafbefehle und 40 rechtskräftige Urteile. Zu „einer Behinderung von Einsatzmitteln der Berliner Feuerwehr“ kam es 87 Mal in den zwei Monaten.

Vasili Franco will am Ende noch wissen, welche Maßnahmen der Senat ergreife, um in „medial aufgeheizten Diskursen sicherzustellen, dass die Pressestellen (….) zur Beruhigung des Diskurses beitragen?“ Aus der Antwort wird ersichtlich, dass hier ein Tweet der Feuerwehr im Fokus der Frage steht, der sich auf blockierte Rettungsfahrzeuge im Kleberstau am 24. April bezog und seinerzeit Wellen von Unmut gegen die Klebeaktionen nach sich zog. Franco erhielt die Antwort, dass die kommunizierten Informationen stets sachlich und fachlich richtig und relevant gewesen seien.

Kassensturz: Wer zahlt am Ende drauf?

Soweit die aktuelle Bilanz der Klimakleber. Noch nicht zur Sprache gekommen sind die Kosten, die die Klimakleber verursacht haben. Denn für die Einsätze von Feuerwehr, Polizei und Co muss zunächst der Steuerzahler aufkommen.

Seit Beginn der Klimaproteste Anfang 2022 in Berlin waren Polizisten in der Hauptstadt insgesamt rund 302.000 Stunden wegen Blockaden und anderer Proteste der Aktivisten im Einsatz. Für die Aktionen der „Letzten Generation“ und der Gruppe „Extinction Rebellion“ hagelte es in Berlin an die 3.000 Strafanzeigen und 743 Gebührenbescheide bei 805 Tatverdächtigen.

Dieser Aufwand lässt sich am Ende auch beziffern. Immer mehr Bundesländer lassen die Klimakleber für die Personal- und Materialkosten der Polizei aufkommen. Die Polizei in Berlin hat laut „Welt am Sonntag“ in 194 Fällen je 241 Euro in Rechnung gestellt – was einer Gesamtsumme von mehr als 47.000 Euro entspricht. Hamburg ruft gut das Doppelte auf – circa 500 Euro pro Fall.



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